Année politique Suisse 1987 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Eidgenössische Wahlen
Noch nie bewarben sich so viele Kandidatinnen und Kandidaten auf so vielen Listen um einen Sitz im Nationalrat, und noch nie war der Frauenanteil so hoch. In den 21 Kantonen mit Proporzsystem wurden insgesamt
2400 Bewerbungen (davon 706 oder 29,4% Frauen)
auf 222 Listen gezählt
[7]. Mehr als die Hälfte der Kandidierenden stammte aus den Kantonen Zürich und Bern (819 bzw. 528 Bewerbungen auf 35 bzw. 25 Listen), während in Appenzell Ausserrhoden nur die beiden Bisherigen antraten, so dass stille Wahlen stattfanden
[8].
Diese starke Zunahme ist nicht nur auf die gehäufte Teilnahme grüner Gruppierungen zurückzuführen, von denen die Grüne Partei (GPS) in 11 und das Grüne Bündnis (GBS: POCH, Grüne und sozialistisch-grüne Alternative) in 14 Kantonen kandidierten. Zur Listenflut trug vor allem auch das Auftreten sogenannter Einthemenparteien bei sowie die Taktik der grossen Parteien, vermehrt mit "Sonderlisten" (Frauen, Junge, Regionen) um die Gunst der Wählenden zu werben. Zudem verstärkte sich die Tendenz, im Hinblick auf die Wahlen neue Parteien in mehreren Kantonen zu etablieren. So nahmen die Autopartei in 10 Kantonen der deutschen Schweiz, die ÖFP von Nationalrat Oehen (BE) in 6 Kantonen teil. Als einzige bewarben sich die FDP und die SP in allen Poporzkantonen (ausser AR), gefolgt von der CVP, die in Schaffhausen und Neuenburg keine Listen aufstellte. Die SVP und die äusserste Rechte wiederum stiegen je in 12 Kantonen ins Rennen. Mit 43,1 Jahren lag das Durchschnittsalter aller Kandidierenden leicht unter jenem von 1983 (44,5 Jahre).
Der seit 1971 verzeichnete stete Anstieg der
weiblichen Kandidaturen setzte sich mit Ausnahme von Freiburg, Schaffhausen und der Waadt in allen Proporzkantonen fort, wobei Baselstadt mit 41,2% Frauen führte, gefolgt von Zug (37,5%), Baselland (35,7%), Solothurn (33,3%), Bern (33,0%) und der Waadt (30,6%). Am Schluss der Liste standen. Schaffhausen (12,5%) und Schwyz (11,1%); in Appenzell Ausserrhoden sowie in den Majorzkantonen blieb die Politik ausschliesslich Männersache. Mehr Kandidatinnen als Kandidaten präsentierte das Grüne Bündnis (55,3%); frauenfreundlicher als der Durchschnitt zeigten sich auch die Grüne Partei (44,0%), die PdA (42,9%) und als einzige Bundesratspartei die SP (37,6%), während die FDP und die CVP mit 20,9% und die SVP mit 14,3% klar unter dem Landesmittel lagen. Erstmals mit separaten Frauen- und Männerlisten traten die SP im Kanton Bern und die FDP im Kanton Solothurn an. Andere Parteien förderten die Kandidatur von Frauen mit Quotenregelungen oder indem sie ihnen aussichtsreiche Listenplätze reservierten
[9].
Auch für den
Ständerat, der in 20 Kantonen gleichzeitig mit dem Nationalrat bestellt wurde (zusammen 37 Sitze), bewarben sich mehr Personen denn je. Unter den insgesamt 83 Kandidierenden (1983: 73) befanden sich 15 Frauen (18,1%; 1983: 11 oder 15,1%), die zu fast 90% von linken und grünen Parteien und Gruppierungen portiert worden waren (7 SP, 2 POCH-GBS, 1 PdA, 1 GPS 1 LdU, 1 parteilos – gegenüber 2 CVP)
[10].
[7] Vergleichszahlen Proporzkantone (Kandidaturen / davon Frauen / Listen): 1975: 1947/16,9%/170; 1979: 1845/18,4%/164; 1983: 1880/23,0%/187 (vgl. BA für Statistik, Nationalratswahlen 1983. Überblick, Bern 1984, S. 26).
[8] BBl, 1987, III, S. 473 ff.; Bund und BZ, 18.8.87 (BE); NZZ und TA, 19.8.87 (ZH); SGT, 4.9.87; SZ, 25.9.87.
[9] TW, 12.9.87. Bern: BZ, 2.2., 27.4. und 8.10.87; TW, 9.5.87; Bund, 24.9.87. Solothurn: SZ, 9.5. und 5.6.87; TA, 6.6.87; Ww, 3.9.87. Im Aargau kämpften Politikerinnen aus verschiedenen Parteien mit einer eigenen Liste "Frauen für den Aargau" gegen die Untervertretung der Frauen in der schweizerischen Politik (AT,. 11.6.87). Allgemein zur Förderung weiblicher Kandidaturen: TA, 4.3. und 25.3.87; Bund, 22.8.87; BZ, 3.9.87; siehe auch Lit.
[10] SZ, 25.9.87; BZ, 13.10.87.
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