Année politique Suisse 1987 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Eidgenössische Wahlen
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Das neue Parlament
Trotz der starken personellen Erneuerung ist das Parlament – verglichen mit 1983 – nur unwesentlich jünger geworden. Im Nationalrat liegt das durchschnittliche Alter weiterhin bei knapp über 50, im Ständerat bei 54,5 Jahren. Auffallend ist jedoch, dass die Parlamentarierinnen deutlich jünger sind; über ein Drittel von ihnen ist weniger als 40 Jahre alt. Auch im neuen Parlament sind die selbständigen Anwälte und die Landwirte sehr gut vertreten. Starke Berufsgruppen bilden ebenfalls wieder die vollamtlichen Politiker auf kantonaler und kommunaler Ebene sowie die Lehrerschaft. Schlechter vertreten sind dagegen die Funktionäre der gewerkschaftlichen und bäuerlichen Interessenorganisationen [44].
Ein Blick auf die Namen der Gewählten deutet darauf hin, dass das bürgerliche Lager an Homogenität verlor und die Polarisierung künftig auch innerhalb der Fraktionen zunehmen könnte. Auf der einen Seite wurde vor allem beim Freisinn das wirtschaftsfreundliche Lager gestärkt, etwa durch den Motor-Columbus-Vizedirektor Ulrich Fischer (AG), den konservativen Gewerbler Hans-Rudolf Gysin (BL) oder die Handelskammerdirektoren Rolf Mauch (AG) und Adriano Cavadini (TI). Bei der CVP und der SVP blieb der bäuerlich-gewerbliche Flügel etwa gleich stark. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass auch im bürgerlichen Lager Personen Einzug hielten, die eine mehr oder weniger betont ökologische Politik verfolgen. Zu nennen sind etwa die Freisinnigen Lili Nabholz-Haidegger (ZH), René Rhinow (BL), Guy-Olivier Segond (GE) und Rolf Büttikofer (SO) sowie die CVP-Abgeordneten Fulvio Caccia (TI), Eugen David (SG) und Rosemarie Dormann (LU). Das gute Abschneiden bürgerlicher "Grüner" ist nicht zuletzt auf die Wahlempfehlungen der Umweltorganisationen zurückzuführen. Insgesamt wurden 54 Frauen und Männer gewählt, die auf den Umweltlisten aufgeführt waren, darunter neun Abgeordnete aus dem Lager der bürgerlichen Bundesratsparteien. Insbesondere bei der CVP fanden diese Empfehlungen gute Beachtung [45].
Ebenfalls einen gewissen Erfolg hatte der Aufruf, vermehrt Frauen zu wählen. Wenn auch noch lange nicht die Hälfte des Parlaments weiblich ist, so nahm der Frauenanteil doch zu: In den Nationalrat wurden 29 oder 14,5%, in den Ständerat 5 oder 10,9% Frauen gewählt (1983: 22 oder 11 % bzw. 3 oder 6,5%). Die meisten Parlamentarierinnen stellt wie schon bisher die SP, die 12 (29,3%) Frauen in den National- und 2 (40%) in den Ständerat brachte. An zweiter Stelle, aber prozentual schon leicht unter dem Durchschnitt, folgt die CVP mit 5 National- (11,9%) und 2 Ständerätinnen (10,5%). Im Verhältnis zu ihren Sitzzahlen überdurchschnittlich viele Frauen wurden wie 1983 bei den POCH-Grünen (50%), bei der Grünen Partei und beim Landesring (je 33,3%) gewählt. Erstmals schaffte mit Elisabeth Zölch-Balmer auch eine SVP-Politikerin die Wahl in den Nationalrat, und da für den neuen Bundesrat Adolf Ogi eine weitere Frau nachrückte, sitzen nun zwei SVP-Nationalrätinnen im Parlament. Obwohl die SVP bezüglich Frauenfreundlichkeit in der vergangenen Legislatur nicht gerade glänzte, gelang es ihr als einziger Partei, erheblich mehr Wählerinnen als 1983 hinter sich zu scharen. Galt die SVP bis anhin als ausgesprochene Männerpartei, deren Wählerschaft 1983 nur zu 28% aus Frauen bestand, kann sie nun mit einem etwa gleich hohen Frauenanteil rechnen wie die übrigen Parteien (44%) [46].
Im Anschluss an den Wahlerfolg der Grünen Partei, die mit 9 Abgeordneten Fraktionsstärke erreichte, stellte sich die Frage, wie sich die Grünen und die Gruppierungen links der SP organisieren würden. Die GPS begrüsste zwar eine Zusammenarbeit, lehnte hingegen eine Fraktionsgemeinschaft mit anderen grünen Kräften ab. Die von der POCH angestrebte Fraktion mit dem PSA, der PdA und dem Grünen Bündnis scheiterte. Nachdem sich Werner Carobbio (psa, TI) nach einigem Zögern entschieden hatte, der SP-Fraktion beizutreten, und Hanspeter Thür (gbs, AG) keine Gemeinschaft mit dem PdA-Vertreter Spielmann (GE) eingehen wollte, blieben nur noch vier Abgeordnete, was zur Bildung einer Fraktion nicht reicht [47].
 
[44] Vat., 21.10.87; Ww, 22.10.87. Zur Berufsstruktur des bisherigen Parlaments siehe Lit. (Altermatt / Rölli).
[45] SoZ, 6.12.87.
[46] Vgl. VOX-Analyse, 1987, S. 22. Siehe auch NZZ, 28.10.87 (Analyse von T.H. Ballmer-Cao und F. Höpflinger).
[47] Auseinandersetzungen um eine grün-linke Fraktion (GBS/PSA/POCH/GBS): Presse vom 2.11.87 (GPS); BZ, 3.11.87 (GBS); NZZ, 11.1 1.87 (PSA), 16.11.87 (GPS-Entscheid), 20.11.87 (Thür).