Année politique Suisse 1987 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
Geld- und Währungspolitik
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hielt an ihrem auf ein stabiles Preisniveau gerichteten geldpolitischen Kurs grundsätzlich fest. Das Ende 1986 gesetzte Ziel einer Ausweitung der bereinigten Notenbankgeldmenge um 2,0% wurde mit 2,9% allerdings deutlich übertroffen. Ein wichtiger Grund dafür lag darin, dass sich die Nationalbank in der Folge des Börsenkrachs und des Kurssturzes des Dollars veranlasst sah, die geldpolitischen Zügel zu lockern. Zum einen stattete sie die Banken — angesichts der allgemeinen Verunsicherung des Publikums nach dem Krach — mit mehr Liquidität aus. Zum andern begegnete die SNB mit der Lockerung des restriktiven Kurses einem Ansteigen der Geldmarktsätze, das zu einer noch stärkeren Aufwertung des Frankens gegenüber dem Dollar hätte führen können. Das Geldmengenziel für 1988 wurde vom Direktorium der Nationalbank im Einvernehmen mit dem Bundesrat auf 3% festgelegt. Mit diesem Richtwert, der über dem für die Schweiz als optimal erachteten Ziel von 2% liegt, wollten die Behörden erklärtermassen demonstrieren, dass sie bereit sind, auf besondere Situationen an der Währungsfront flexibel zu reagieren
[1].
Im Berichtsjahr setzte sich, in einer Wellenbewegung, die Abwertung des amerikanischen Dollars gegenüber dem Schweizer Franken fort. Nach einer Stabilisierung im Sommer kam es nach dem Börsenkrach zu einem neuen — bis Ende Jahr anhaltenden — Kurssturz, bei dem der Dollar mit einem Preis von 1,27 Fr. den historisch tiefsten Wert erreichte. Die für den schweizerischen Aussenhandel wichtigen Währungen Deutschlands und Japans bewegten sich weitgehend parallel zum Franken. Im Durchschnitt des Jahres 1987 lagen die
Wechselkurse des Frankens gegenüber den Währungen der BRD, der Niederlande und Osterreichs leicht unter, gegenüber den Währungen Belgiens, Frankreichs, Italiens und Japans leicht über denjenigen des Vorjahres. Grössere Aufwertungen ergaben sich gegenüber dem britischen Pfund (8,0%) und dem Dollar (20,6%). Der mit den Ausfuhren in die 15 wichtigsten Handelspartnerländer gewichtete Wechselkursindex stieg 1987 im Mittel um 5,2% an; infolge der in der Schweiz tendenziell geringeren Teuerung stieg der reale Aussenhandelswert des Frankens lediglich um 4,0%
[2].
Vor allem die Deutsche Bundesbank und die Bank von Japan versuchten den Dollarzerfall zuerst mit einer expansiveren Geldpolitik zu bremsen, was von Mai bis September auch recht gute Resultate zeitigte, da die Zentralbank der USA gleichzeitig einen restriktiveren Kurs steuerte. Um den Franken gegenüber der D-Mark stabil zu halten, zog die Nationalbank bei der von der Deutschen Bundesbank vorgenommenen Senkung der Leitzinsen mit. Nach dem Dollarsturz im Anschluss an den Börsenkrach schritten die Notenbanken zu direkten Interventionen auf dem Devisenmarkt, an denen sich die SNB ebenfalls beteiligte. Diese Aktionen wurden unterstützt durch zwei weitere Senkungen der Leitzinsen
[3].
Die Währungspolitik der SNB wurde im Berichtsjahr von prominenter Seite kritisiert. Der Verwaltungsratspräsident der BBC und ehemalige SNB-Präsident Leutwiler forderte eine gewisse Lockerung der Geldmengenpolitik mit dem Ziel, den Kurs des Frankens schrittweise an denjenigen der D-Mark anzunähern. Diese auch von einem andern prominenten Manager der Exportwirtschaft (N. Hayek von der SMH) unterstützte Forderung wies die Nationalbank mit dem Argument zurück, dass für die Gesamtwirtschaft längerfristig das Ziel der Geldwertstabilität höher zu veranschlagen sei als Vorteile der Exporteure im Konkurrenzkampf mit Anbietern aus der BRD. Der Vorort als Dachverband der Industrie schloss sich dieser Meinung an
[4].
Der Kurszerfall des US-Dollars führte in der Erfolgsrechnung der Nationalbank wiederum zu einem grossen Abschreibungsbedarf auf dem Devisenbestand. Er lag mit 3,5 Mia Fr. etwas unter demjenigen des Vorjahres. Zu seiner Deckung mussten 2,1 Mia Fr. aus dem Konto der Rückstellungen für Währungsrisiken entnommen werden, dessen Stand sich dadurch von 13,1 auf 10,9 Mia Fr. reduzierte. Ebenfalls eine Folge des sinkenden Dollarkurses war die Verringerung des wichtigsten Einnahmepostens, des Devisenertrags, von 1,8 Mia im Jahre 1986 auf 1,5 Mia Fr.
[5].
Im Frühjahr 1988 wird Nationalbankpräsident P. Languetin altershalber zurücktreten. An seiner Stelle wählte der Bundesrat im September den Chef der schweizerischen Delegation bei der OECD in Paris, Jean Zwahlen, in das Direktorium der SNB. Zum neuen Präsidenten wurde der bisherige Vizepräsident Markus Lusser bestimmt
[6].
Die
Zinssätze am Geldmarkt blieben weitgehend stabil. Der Satz für Dreimonatsgelder auf dem Eurofrankenmarkt pendelte von Januar bis August zwischen 3,6% und 3,9%. Von Ende September bis Mitte Oktober zogen die Sätze etwas an, als die SNB versuchte, das Wachstum der Notenbankgeldmenge leicht zu drosseln. Im Anschluss an den Börsenkrach gingen die Geldmarktsätze wieder zurück. Vor allem aus währungspolitischen Gründen unterstützte die Nationalbank diese Entwicklung, indem sie das Bankensystem mit genügender Liquidität versorgte. Auch die von der Nationalbank auf den 23. Januar, den 6. November und den 4. Dezember verfügten Senkungen des Diskont- und des Lombardsatzes um je 'h % auf 2'/2 % resp. 4% waren primär als Signale für den Währungsmarkt gedacht
[7].
Das Geschehen auf dem
Kapitalmarkt war durch die Ereignisse an den Aktienbörsen geprägt. Wir gehen darauf unter dem Stichwort Börse ein. Bei den festverzinslichen Anlagen verlief die Entwicklung ausgesprochen ruhig. Der leichte Zinsanstieg im September wurde nach dem Börsenkrach wieder nach unten korrigiert. Die durchschnittliche Rendite für Anleihen der Eidgenossenschaft war im Monatsmittel im Dezember mit 4,0% praktisch gleich hoch wie zu Jahresbeginn. Auch die Sätze für andere Anlagen blieben weitgehend stabil
[8].
Die
Beanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes durch Emissionen war leicht rückläufig, wobei sich eine Verlagerung von aus- zu inländischen Schuldnern abzeichnete. Gesteigert wurde gegenüber dem Vorjahr vor allem die Kapitalaufnahme durch Obligationenanleihen der schweizerischen Industrie. Beim Bund, den Kantonen und den Gemeinden übertrafen die Rückzahlungen erneut die Neuaufnahmen. Das Volumen der von der Nationalbank bewilligten Kapitalexporte ging 1987 auf 47,3 Mia Fr. zurück (1986: 51,4). Dabei wurden zwei Trends gebrochen: zum einen gewann der traditionelle Bankkredit wieder an Bedeutung, was auch damit zusammenhängt, dass nach dem Börsenkrach die Aktienemissionen beinahe zum Erliegen gekommen waren. Zum andern stieg der Anteil der Kapitalexporte in Entwicklungsländer wieder an (von 2,8% auf 4,5%). Dies geschah allerdings nicht zu Lasten des Anteils der Exporte in Industrieländer, der weiter von 85,6% auf 88,0% zunahm, sondern auf Kosten des Anteils der Mittelaufnahmen von internationalen Entwicklungsinstitutionen
[9].
Die von der Bankenkommission und der Nationalbank geforderte
bessere Information der Anleger über zur Zeichnung aufliegende Notes ist nun doch mittels einer von der Bankiervereinigung ausgearbeiteten Konvention zustandegekommen. Die auf anfang Mai in Kraft gesetzte Vereinbarung statuiert die von den Behörden verlangte Prospektpflicht für die Ausgabe von Notes ausländischer Schuldner, welche eine Mindeststückelung von 50 000 Fr. aufweisen und nicht zur Kotierung vorgesehen sind. Im Sinne einer besseren Information der Gläubiger wurde von einem Bankier auch die Idee eines obligatorischen Rating, d.h. einer Bonitätsprüfung, für alle Franken-Obligationen aufgebracht
[10].
[1] SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 26 f.; Gesch.ber., 1987, S. 307. Presse vom 19.12.87.
[2] SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 29 f.; SNB, Monatsbericht, 1988, Nr. 2, S. 33 ff.; P. Balastèr, "Die Entwicklung der Wechselkurse im Jahr 1987", in Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 44/1988, Nr. 1, S. 12 ff.
[3] SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 13 f. und 42 f.; Presse vom 29.10-6.11.87.
[4] NZZ, 3.6.87 (Leutwiler); TA, 30.10.87 (Hayek); Presse vom 5.6.87 und BaZ, 3.9.87 (SNB); TA, 6.5.87 und wf, KK, 45, 9.11.87 (Vorort).
[5] SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 54 ff.
[6] Presse vom 10.9.87; SHZ, 10.12.87.
[7] SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 27 ff.; SNB, Monatsbericht, 1988, Nr. 1, S. 38 f. Zu den Leitzinssenkungen siehe auch Presse vom 23.1.87; TA, 8.10.87; NZZ, 31.10. und 6.11.87; Bund, 4.12.87.
[8] SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 30 f.; SNB, Monatsbericht, 1988, Nr. 1, S. 40.
[9] SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 31 ff.; SNB, Monatsbericht, 1988, Nr. 6, S. 59.
[10] Notes: Schweizerische Bankiervereinigung, Jahresbericht, 75/1986-87, S. 73; SNB, Geschäftsbericht, 80/1987, S. 38 f.; BaZ, 10.4.87; vgl. auch SPJ, 1986, S. 75. Rating: NZZ, 21.3.87. Zur Information über Anleihen und insbesondere zur Prospekthaftung vgl. auch NZZ, 9.1.87; TA, 2.2., 7.2., 23.2. und 2.3.87.
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