Année politique Suisse 1987 : Wirtschaft / Landwirtschaft
 
Tierische Produktion
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Milch
Angesichts der Absatzschwierigkeiten auf dem Milchmarkt und den damit verbundenen steigenden Aufwendungen im Rahmen der sogenannten Milchrechnung hatte der Bundesrat 1986 eine Kontingentskürzung von insgesamt 750 000 dt in zwei Schritten verfügt; eine erste Reduktion im Umfang von 430 000 dt war noch im selben Jahr erfolgt. In seiner Eingabe vom Frühjahr (siehe oben) schlug der SBV dem Bundesrat vor, die zweite administrative Kürzung der Kontingente, welche zu einer unerwünschten Verlagerung auf die Fleischproduktion führe, angesichts der eingeleiteten Selbsthilfemassnahmen auszusetzen. Diesem Begehren gab die Regierung statt, allerdings mit der Auflage, dass das Kürzungsziel bis zum Frühjahr 1988 erreicht sein müsse. Im Herbst konnte der neu gewählte Präsident des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten (ZVSM), Samuel Lüthi, die Stillegung von Milchkontingenten in der Höhe von rund 66 000 dt melden. Zusammen mit anderen Selbsthilfemassnahmen wie der Überprüfung der massgeblichen Nutzfläche, der Stillegung ohne Entschädigung, der Erhöhung der Uberlieferungsabgaben sowie der Verringerung des genossenschaftsinternen Ausgleichs sollte seiner Meinung nach die angestrebte Reduktion der Milchmenge um 320 000 dt erreicht werden [15].
Die eidgenössischen Räte stimmten einer Verlängerung des geltenden Milchwirtschaftsbeschlusses (MWB) um maximal 2 Jahre zu, nachdem abzusehen war, dass eine Revision 1987 nicht mehr durchzuführen war [16].
Als Erstrat nahm die grosse Kammer die Beratungen des Milchwirtschaftsbeschlusses 1987 auf. Der MWB ist die wichtigste gesetzliche Grundlage der Milchwirtschaft und begründet die rechtliche Basis für die Festlegung der zulässigen Milchmenge und für die Milchkontingentierung. Auf den MWB stützen sich die Massnahmen zur Entlastung des Milchmarktes, die Ausmerzaktionen und Umstellungsbeiträge, die Preiszuschläge auf importierten Milchprodukten und die Förderung der Käseproduktion. Vor allem aber enthält der MWB die Finanzierungsgrundlage für die Milchrechnung und die Verwertungskosten, wobei er die Kostenverteilung zwischen Bund, Produzenten und Konsumenten festlegt. Entsprechend der zentralen Bedeutung der Milchproduktion für die Landwirtschaft und für das bäuerliche Einkommen war die Beratung des MWB 87 auch von generellen agrarpolitischen Auseinandersetzungen geprägt. Die Vertreter der Linksparteien, des LdU und der Grünen votierten für eine grundlegende Kurskorrektur in der Milchpolitik zugunsten der Kleinbauern und Konsumenten, sie konnten sich jedoch gegen die bürgerliche Mehrheit im Rat, welche die bundesrätlichen Vorschläge unterstützte, nicht durchsetzen.
Der Nationalrat stimmte der Beibehaltung der Milchkontingentierung als Instrument der Mengenbegrenzung bei garantierten Preisen zu und verwarf eine Neuüberprüfung und -verteilung der 60 000 Einzelkontingente. Der Bundesrat wird jedoch ermächtigt, die Kontingentsmenge in flexibler Art und Weise an die Absatzmöglichkeiten für Milch und Milchprodukte unter Berücksichtigung der Höhe der Milchrechnung anzupassen. Kontingentskürzungen erfolgen künftig grundsätzlich nicht mehr linear, sondern unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien wie der Ausweichmöglichkeiten eines Bauern auf andere Produkte oder der betriebseigenen Futterbasis. Bezüglich der Stillegung von Kontingenten lehnte der Rat eine finanzielle Beteiligung des Bundes ab, er hiess aber, zur Milderung krasser Härtefälle, den Kontingentshandel durch den ZVSM gut; damit dürfte er eine Büchse der Pandora geöffnet haben. Ein Antrag des Sozialdemokraten Bäumlin (BE) für eine Preisdifferenzierung zugunsten der Klein- und Mittelbetriebe wurde deutlich verworfen. Stattdessen stimmte die grosse Kammer der im Entwurf des Bundesrates vorgesehenen Erlösstaffelung zu: Damit werden die Verlustbeteiligung der Produzenten von 2 auf 4 Rp. pro l verdoppelt sowie die sogenannte Freimenge zugunsten der Kleinbetriebe und die zusätzlichen Abzüge für Grossbetriebe erhöht. Oppositionslos passierte ferner das Novum der Vorlage, wonach für Milch mit geringem Fett- und Eiweissgehalt ein Preisabzug bis zu 5% des Grundpreises vorgesehen ist. Der MWB wurde in der Gesamtabstimmung mit 76:10 gutgeheissen.
Ungehalten über diesen Entscheid zeigte sich die VKMB, welche ihre zentralen Anliegen vom Rat abgeblockt sah; sofern es ihre Kapazitäten zulassen, will sie das Referendum ergreifen. Etwaige Unterstützung sicherten den Kleinbauern bereits die SPS und der Grossverteiler Denner zu. Der LdU will sich an einem Referendum erst beteiligen, wenn der Ständerat die Vorlage noch in einigen Punkten abändere. Für den ZVSM hingegen hat sich im Nationalrat eine "Linie der mittleren Unzufriedenheit" durchgesetzt; namentlich positiv wertete er, dass das Kernstück des MWB – die Finanzierung der Milchrechnung – nicht angetastet worden war [17].
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Fleisch
Die Produktionszunahme im Fleischsektor – unter anderem eine Folge der Milchkontingentierung – führte in den vergangenen Jahren zu einer Sättigung des Marktes und zu einem massiven Absinken der Produzentenpreise unter das vom Bundesrat festgesetzte Richtpreisband; 1986 betrug die Rohertragseinbusse bei der Schlachtviehproduktion 400 Mio Fr. Um den Schlachtviehmarkt zu sanieren, präsentierte der SBV und der Schweizerische Viehproduzentenverband ein Konzept mit Selbsthilfemassnahmen und verbesserten staatlichen Rahmenbedingungen. Die geplanten Selbsthilfemassnahmen sollten aus einem Fonds, gespiesen von den Milch- und Schlachtviehproduzenten, mit jährlich 20 Mio Fr. finanziert werden; damit würde das Fleischangebot um 1—2% verringert. Als komplementäre Massnahme des Bundes verlangten die Bauern tarifäre und mengenmässige Einfuhrbeschränkungen für jene Tiere, welche von der Schlachtviehverordnung nicht erfasst werden (wie Geflügel, Wild und Fische), sowie vermehrte Austauschaktionen zwischen verschiedenen Fleischsorten und eine gesetzliche Allgemeinverbindlichkeits-Erklärung der vom Verband getroffenen Selbsthilfemassnahmen. Während die Selbsthilfemassnahmen allgemein begrüsst wurden, stiessen die Anträge an den Bundesrat auf Widerstand; so jene nach verstärktem Importschutz, da namentlich die Zollsätze für Fische GATT-gebunden sind. Immerhin überwies die kleine Kammer eine Motion Zumbühl (cvp, NW) für die Absicherung des Fleischmarktsanierungskonzepts durch einen ausgebauten Grenzschutz als Postulat [18].
Um verlorene Marktanteile beim Fleischverkauf wieder zurückzugewinnen, senkte die Migros im Frühjahr die Fleischpreise um generell 10%; kurz darauf zog der Grossverteiler Denner nach und es entstand ein Fleischpreiskrieg. Die Folge dieser Preissenkungen war jedoch weniger ein Anstieg des Fleischkonsums als vielmehr ein Trend zu Fleisch besserer Qualität [19].
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Tierschutz
In der Schweiz sind zurzeit ein gutes Dutzend verschiedener Antibiotika als wachstumsfördernde Produkte in der Tiermast zugelassen. Pro Jahr werden schätzungsweise 30—40 t solcher antimikrobieller Stoffe dem Futter beigemischt; das Antibiotikum bewirkt im Tier sowohl eine Erhöhung der Tagesgewichtszunahme wie auch eine Verbesserung der Futterverwertung. Zu Diskussionen Anlass gab im Berichtsjahr die Anwendung des Wachstumshormons Somatotropin, welches eine Milchleistungssteigerung von 10—25% bewirkt. Nationalrat Günter (ldu, BE) reichte eine Motion für ein Verbot der Somatotropine ein, während .Tierschutzorganisationen eine Petition für ein Verbot des Somatotropins, das die Nutztierhaltung in Tiermissbrauch durch kommerzielle Interessen verwandle, lancierten. Bäuerliche Organisationen wiederum sprachen sich gegen den Einsatz dieses leistungssteigernden Hormons aus, weil es neue Tierfabriken begünstige und die Milchschwemme noch vergrössere [20].
Während 1986 die Volksinitiative des Schweizer Tierschutzes (STS) "zur drastischen und schrittweisen Eindämmung der Tierversuche (weg vom Tierversuch!)" eingereicht werden konnte, scheiterte im Berichtsjahr die radikalere Initiative "zur Abschaffung der Tierversuche und der Vivisektion" der Antivivisektionsbewegungen Civis und Atra; diese namentlich in der romanischen Schweiz aktiven Tierschützer brachten bis zum Ablauf der Sammelfrist lediglich 80 000 Unterschriften zusammen [21].
 
[15] Milchrechnung: wf, AD, 18, 4.5.87; wf, Dok., 21, 25.5.87 und 26, 27.6.88; LID-Pressedienst, 1507, 14.8.87 und 1543, 22.4.88; NZZ, 21.4.88; TA, 25.4.88; wf., KK, 17, 25.4.88. Kontingentskürzung: Presse vom 16.4. und 30.10.87; LID-Pressedienst, 1491, 14.4.87; NZZ, 30.4. und 29.10.87; Union, 6.5.87. Siehe auch SPJ, 1986, S. 99.
[16] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 104 f. und 553; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 155 und 169; AS, 1987, S. 1071 f.; BBl, 1987, I, S. 4631 f. und 1021; NZZ, 15.1., 5.3. und 20.3.87; LID-Pressedienst, 1477, 16.1.87; 1490, 16.4.87; 1499, 19.6.87 und 1507, 14.8.87.
[17] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 837 ff. und 858 ff.; NZZ, 12.1. und 21.12.87; Ww, 19.2.87; Gnueg Heu dune!, 1987, Nr. 2; Presse vom 15.4. und 17.-19.6.87; Bund, 15.6.87; TA, 16.6.87; LID-Pressedienst, 1499, 19.6.87; 1507, 14.8.87 und 1526, 23.12.87; BZ, 20.6.87; wf, KK, 25, 22.6.87; Union, 11.11.87. Siehe auch LID, Dok., 275, 13.5.87; ZVSM, Milchwirtschaftsbeschluss 1987. Fakten, Argumente, Positionen, Bern 1987; SPJ, 1986, S. 99.
[18] Amtl. Bull. StR, 1987, S. 160 ff.; Presse vom 28.1.87; LID-Pressedienst, 1479, 30.1.87 und 1527, 30.12.87; SHZ, 12.2.87; BZ, 19.2. und 20.3.87; Union, 4.3. und 6.5.87; Bund, 11.12.87; siehe auch oben (Agrarpolitik). Das Vernehmlassungsverfahren zur Revision der Schlachtviehverordnung wurde abgeschlossen (Vat., 9.1.87; BaZ, 27.3.87; LID-Pressedienst, 1487, 27.3.87; SHZ, 11.6.87). Vgl. ferner die Interpellation Bühler, svp, GR, (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1195 f.) und SPJ, 1986, S. 100.
[19] Presse vom 1.4.87; Ww, 9.4.87; Vat., 13.4.87; TA, 14.4. und 2.9.87; TAM, 7.1 1.87. Siehe auch NZZ, 2.7.87.
[20] Verhandl. B.vers., 1987, III, S. 61; NZZ, 25.2., 1.10. und 2.10.87; Ww, 12.3.87; TA, 29.6. und 2.10.87; LID-Pressedienst, 1511, 11.9.87; Gnueg Heu dune!, 1987, Nr. 8; BZ, 17.11.87; Union, 9.12.87.
[21] BBl, 1987, I, S. 687 ff. und II, S. 874 ff.; NZZ, 24.1., 19.2. und 1.4.87; SZ, 25.4. und 13.5.87; Presse vom 4.6.87. Siehe auch die verschiedenen Vorstösse von NR Weder (LdU, BS) für eine Verbesserung des Tierschutzes sowie die von NR Oehen (öfp, BE) eingereichte Motion zur Abschaffung der Tierversuche (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 515 f., 563 f., 1004 f. und 1524 f.; Verhandl. B.vers., 1987, III, S. 82). Vgl. ferner TA, 15.9.87 sowie SPJ, 1985, S. 93 und 1986, S. 101.