Année politique Suisse 1987 : Wirtschaft / Landwirtschaft
 
Pflanzliche Produktion
Die Zuckerrübenproduktion ist trotz ihres bescheidenen Anteils am Endrohertrag der Landwirtschaft ein Politikum ersten Ranges. Nach der Ablehnung des Zuckerbeschlusses durch den Souverän im vergangenen Jahr wurden die Rübenbauern mit dem bundesrätlichen Beschluss, den Produzentenpreis für Zuckerrüben um fast 7% zu senken, ein weiteres Mal gebeutelt. Die Vereinigung der Rübenpflanzer protestierte lautstark gegen diese verordnete Preissenkung, welche mit der Abschaffung der Schnitzelvergütung und der Erhöhung der Verwertungsbeiträge von 1986 einen Einkommensverlust von gegen 15% bewirke. Die Ostschweizer Rübenbauern riefen gar die Landwirte zu einem solidarischen Klärschlammboykott auf. Dieser wurde in manchen Regionen von den Bauern befolgt und die Kläranlagen mussten jene 20% des Schlamms, die sonst in die Landwirtschaft gelangten, entwässern und verbrennen. Eine gewisse Entschärfung der Situation kann jedoch mit der Revision des Zuckerbeschlusses für 1989 erwartet werden. Eine Expertengruppe präsentierte einen entsprechenden Entwurf, welcher ein flexibleres Modell für die Begleichung der Negativdifferenz in der Zuckerrechnung vorsieht: Die Beiträge an die Verlustbeteiligung sollen keine obere Grenze mehr kennen und den tatsächlichen Aufwendungen angepasst werden; an den künftigen Defiziten sollen sich ferner die Konsumenten zu 80% (bisher 61%) und der Bund zu 15% (bisher 34%) beteiligen, während der Anteil der Produzenten wie bisher bei 5 % bleibt. Im Gegenzug soll, entsprechend dem negativen Volksentscheid, die Anbaufläche strikt auf 850 000 t begrenzt bleiben. Wie im Milchsektor sieht der Entwurf eine Erlösdifferenzierung zugunsten der Kleinbetriebe und eine härtere Bestrafung von sogenannten Überlieferern vor. Weiter soll der Bundesrat die Kompetenz erhalten, jährlich Kontingente umzuverteilen und dabei die kleinen Produzenten zu begünstigen [22].
Mit den Preisbeschlüssen von 1986 hatte der Bundesrat unter anderem auch beabsichtigt, das strukturelle Ungleichgewicht in der Getreideproduktion — ein zu hoher Anteil des inländischen Brotgetreides (85%) und ein zu geringer Selbstversorgungsgrad beim Futtergetreide (40—50%) — zu korrigieren. 1987 stellte die Expertengruppe "Umstellung im Getreidebau" in ihrem Bericht nun fest, dass diese Beschlüsse noch keine genügenden Wirkungen zeigten, und sie schlug daher als weitere Massnahme vor, den Preis für Brotgetreide entweder generell oder nach Erntemenge gestaffelt zu senken; eine Kontingentierung wurde als unverhältnismässig abgelehnt. Als Reaktion auf diese Empfehlungen gründeten die Getreideproduzenten einen nationalen Verband mit dem Ziel, das Ungleichgewicht zwischen Brot- und Futtergetreideanbau mit Selbsthilfemassnahmen zu verringern, um so die angedrohte Preissenkung zu verhindern [23].
Nachdem die Weinproduzenten bereits in den vergangenen Jahren dem wiederholten Aufruf von Behörden und Berufsorganisationen zur Selbstbeschränkung nicht genügend nachgekommen waren, überschritten sie auch 1987 die — vom Bundesrat gar auf 117 Mio l erhöhte — Produktionslimite, allerdings nur um 5% (1986: 22%). Dies bewog die eidgenössischen Räte immerhin, bei der Beratung des Voranschlages für 1988 die dritte Tranche des Sanierungsprogramms von 38,3 Mio Fr. auf 33,3 Mio Fr. zu kürzen. Um die Weinproduktion nachhaltig in den Griff zu bekommen, bedarf es jedoch einer Revision des Bundesbeschlusses über Massnahmen zugunsten des Rebbaus sowie der Verordnung über den Rebbau und den Absatz von Rebbauerzeugnissen (Weinstatut). Eine Arbeitsgruppe präsentierte 1987 entsprechende Vorschläge: So soll für die Herstellung von Wein ein natürlicher Mindestzuckergehalt festgesetzt und eine Klassierung der Traubenmoste und Weine in drei Kategorien erlassen werden. Ferner soll der Bund die Produktionsmenge beschränken können, wenn die Lagerbestände zusammen mit den Ernteaussichten eine bestimmte Menge überschreiten. Als weiteren Punkt schlug die Arbeitsgruppe ein System für die periodische Versteigerung eines Teils der Einfuhrkontingente vor. Bericht und Entwurf zum neuen Bundesgesetz, das den geltenden Rebbaubeschluss 1989 ablösen soll, wurden in die Vernehmlassung geschickt [24].
 
[22] SGT, 24.2. und 17.11.87; LID-Pressedienst, 1501, 3.7.87; 1503, 17.7.87 und 1510, 4.9.87; Ww, 9.7.87; TA, 15.7. und 8.8.87; vgl. auch oben (Einkommenssicherung). Revision Zuckerbeschluss: SHZ, 30.4.87; NZZ, 9.7.87; Ww, 9.7.87; LID-Pressedienst, 1502, 10.7.87; BZ, 2.9.87; TA, 3.9.87. Siehe auch SPJ, 1986, S. 101 f.
[23] NZZ, 18.2. und 12.7.87; Presse vom 21.5.87; LID-Pressedienst, 1495, 22.5.87; 1508, 21.8.87 und 1510, 4.9.87; TA, 12.10.87. Vgl. auch SPJ, 1986, S. 102 f.
[24] Voranschlag 1988: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1689 ff. und 1768 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 592 ff. und 663 ff.; NZZ, 23.5.87; 24 Heures, 19.6.87; BaZ, 2.10.87; Presse vom 2.12., 11.12. und 17.12.87; LID-Pressedienst, 1524, 11.12.87 und 1525, 18.12.87. Revision Rebbaubeschluss: NZZ, 25.7.87; Suisse, 28.7.87; LID-Pressedienst, 1505, 31.7.87. Siehe auch wf, Dok., 19, 11.5.87; LID, Dok., 278, 19.8.87; NZZ, 29.8.87 und SPJ, 1986, S. 103.