Année politique Suisse 1987 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Eisenbahnverkehr
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Bahn 2000
Wie unmittelbar nach dem Parlamentsbeschluss von Ende 1986 angekündigt, wurde gegen die Vorlage "Bahn 2000" das Referendum ergriffen. Die Opposition richtete sich nicht gegen eine Angebotsverbesserung bei der Bahn an sich, sondern gegen die Neubaustrecken und den mit ihnen verbundenen Kulturlandverlust. Die Gegnerschaft war geografisch auf das von der geplanten Neubaustrecke Mattstetten–Olten betroffene Gebiet des bernischen Oberaargaus und des Kantons Solothurn konzentriert. Entsprechend fiel denn auch das Sammelergebnis aus: Von den gut 80 000 Unterschriften kamen über 50 000 aus dem Kanton Bern und weitere 18 000 aus dem Kanton Solothurn [42].
In der Kampagne vor der Abstimmung erhielten die Gegner nur wenig zusätzliche Unterstützung. Von den Parteien sprachen sich auf nationaler Ebene einzig die äussere Rechte (NA, OFP und EDU) und die Auto-Partei gegen die "Bahn 2000" aus, wobei sich lediglich die letztere aktiv dagegen einsetzte. In den Kantonen Bern und Solothurn gaben zudem die SVP bzw. die FDP und die CVP die Nein-Parole aus. Ähnlich schwach fiel die Unterstützung durch Interessenorganisationen aus: Nur gerade die dem Strassentransportgewerbe nahestehende "Aktionsgemeinschaft Strassenverkehr" propagierte die Ablehnung, Vertreter des TCS und des ACS äusserten sich hingegen eher positiv. Auch der Schweizerische Gewerbeverband sprach sich – trotz Otto Fischers Warnungen vor einem Finanzdebakel und einer Mehrbelastung der Steuerzahler – knapp zugunsten von "Bahn 2000" aus.
Die Organisationen des Umweltschutzes befanden sich in einem gewissen Dilemma: Zum einen befürworteten sie die Vorlage als Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Verkehrs, zum andern stellten sie jedoch die grundsätzliche Frage, ob damit wirklich ein Umsteigeeffekt erzielt werden könne oder ob nicht vielmehr der Tendenz zu einer weiteren Zunahme der Mobilität mit ihren negativen Auswirkungen auf die Umwelt Vorschub geleistet werde. Der VCS und der Naturschutzbund stimmten dem Konzept "Bahn 2000" trotz dieser Bedenken zu, andere Organisationen wie zum Beispiel der WWF und die SGU verzichteten auf eine Parole. An der bezahlten Werbung in den Medien war auffallend, dass die Quantität der Ja-Propaganda diejenige der Gegner um ein Mehrfaches übertraf und dass dabei vor allem versucht wurde, die Automoblisten anzusprechen [43].
Bahn 2000 . Abstimmung vom 6. Dezember 1987
Beteiligung: 47,7%
Ja: 1 140 857 (56,7%)
Nein: 860 893 (43,3%)

Parolen:
- Ja: FDP*, CVP*, SP, SVP*, GPS, LP*, LDU, EVP, POCH*, PDA; SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV; SGU, VCS.
- Nein: NA, AP.
* abweichende Kantonalsektionen
In der Volksabstimmung vom 6. Dezember wurde das Konzept "Bahn 2000" mit einer Mehrheit von 57% gutgeheissen. Neben Schwyz und Appenzell Innerrhoden lehnten die von den Neubaustrecken betroffenen Kantone Solothurn, Bern und Freiburg die Vorlage ab. Sehr positiv fiel das Ergebnis demgegenüber in den verkehrsungünstig gelegenen Kantonen der Jurakette und der Ostschweiz sowie im Tessin aus. In einer repräsentativen Nachbefragung zeigte sich, dass die Verbesserung des Verkehrsangebotes bei den Befürwortern eine grosse Rolle gespielt hatte. Ein noch wichtigeres Motiv war allerdings der Schutz der Umwelt und dabei insbesondere die von der "Bahn 2000" erhoffte Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr. Bei den von den Gegnern genannten Gründen hielten sich die Einwände gegen den Landverschleiss und gegen die hohen Kosten die Waage [44].
Mit der Zustimmung des Souveräns zur "Bahn 2000" trat auch der vom Parlament 1986 gutgeheissene Bundesbeschluss zur Realisierung des Konzepts in Kraft. Die SBB werden darin ermächtigt, Verpflichtungen im Umfang von 5,4 Mia Fr. für Infrastrukturvorhaben einzugehen [45].
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Neue Eisenbahn-Alpentransversale
Auf Ende Jahr erarbeiteten Experten unter der Leitung des EVED Entscheidungsgrundlagen zu einem Bau- und Linienführungsentscheid für eine neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) durch die Schweiz. Untersucht wurden die vier Varianten Lötschberg—Simplon, Gotthard, Ypsilon und Splügen, letztere mit zwei Untervarianten. Dabei erfolgten die Abklärungen für alle geprüften Linienführungen gleichwertig, so dass eine Entscheidung aufgrund gleichwertiger Unterlagen getroffen werden kann. Die Projektleitung befasste sich auch mit der Orientierung der direkt interessierten Kantone und der zuständigen Stellen in den Nachbarländern. An einer Pressekonferenz im Dezember präsentierte der scheidende EVED-Vorsteher Schlumpf den Zwischenbericht und orientierte über das weitere Vorgehen. Nach dem Grundlagenpapier über die NEAT sollen Berichte über die Zweckmässigkeit und die Umweltverträglichkeit der einzelnen Varianten verfasst und darauf das Vernehmlassungsverfahren eröffnet werden. Den Variantenentscheid will der Bundesrat erst nach Vorliegen dieser Ergebnisse treffen, wobei er ankündigte, die Botschaft zuhanden der eidgenössischen Räte im Laufe des Jahres 1988 zu verabschieden [46].
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Geschäftstätigkeit der SBB
Die Rechnung 1987 der SBB basierte zum ersten Mal auf dem neuen Leistungsauftrag (LA 1987), der die finanzielle Verantwortung für Infrastruktur und Betrieb der SBB entflechtet, indem der Bund die volle finanzielle Verantwortung für die feste Infrastruktur des Regiebetriebs übernimmt und die gemeinwirtschaftlich erbrachten Leistungen entschädigt, während die SBB einen Infrastruktur-Benützungsbeitrag entrichten und für den kostendeckenden Betrieb im marktwirtschaftlichen Bereich verantwortlich sind. Die Rechnung schloss — bei einem Gesamtertrag von 4591,4 Mio Fr. und einem Gesamtaufwand von 4568,1 Mio Fr. (Budget: je 4627,3 Mio Fr.) — mit einem Ertragsüberschuss von 23,3 Mio Fr. Angesichts des guten Abschlusses konnten 218,5 Mio Fr. anstatt der für 1987 festgelegten 211 Mio Fr. als Infrastrukturbeitrag an den Bund abgeliefert werden. Damit erfüllten die SBB den unternehmerischen Auftrag. Aus verkehrs- und finanzpolitischen Überlegungen wies der Bundesrat jedoch darauf hin, dass die SBB-Rechnung 1987 Bundesleistungen von 1142 Mio Fr. verbuchte und dass der Regiebetrieb damit — vor allem wegen Tarifvergünstigungsmassnahmen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs — die Bundeskasse um rund 100 Mio Fr. stärker belastete als im Vorjahr.
Im Personenverkehr erzielten die SBB 1987 das beste je erreichte Ergebnis: Sie beförderten 257,6 Mio (+12,7%) Reisende, und die verkauften Personenkilometer überstiegen zum ersten Mal die Grenze von 10 Mia (+14,5%). Dabei nahmen auch die Erträge um 4,6% zu und lagen um 1,3 Mio Fr. über dem Budget. Marktforschungen zeigten, dass dieses Rekordergebnis den SBB einen Marktanteilgewinn von etwa 3,7% brachte. Die von den eidgenössischen Räten 1986 beschlossenen Tariferleichterungen wirkten sich positiv aus, und insbesondere das auf 100 Fr. ermässigte Halbtaxabonnement war ein Erfolg. Im Jahr nach dessen Einführung am 1. November 1986 konnte der Verkauf auf 1,38 Mio oder um 107% gesteigert werden (im Vorjahr wurden zu den alten Bedingungen 655 000 Halbtaxabonnemente verkauft).
Demgegenüber mussten die SBB im Güterverkehr Einbussen verzeichnen: Die beförderten Mengen nahmen um 1,5% ab, und die Erträge blieben 2,2% hinter dem Vorjahresergebnis zurück. Dass sich die Erträge weniger günstig entwickelten als die Mengen, führten die SBB auf die angespannte Konkurrenzsituation zurück. Immerhin konnten sie beim kombinierten Verkehr (Huckepack und Grosscontainer) mengenmässige, beim Cargo Domizil auch Ertragsverbesserungen verbuchen [47].
In den kommenden Jahren rechnen die SBB mit einer Verschlechterung ihrer finanziellen Situation, vor allem wegen der sich zunehmend verschärfenden Konkurrenz im Güterverkehr. Der nach den Grundsätzen des Leistungsauftrags erstellte SBB-Voranschlag 1988 sieht bei Erträgen und Aufwendungen von je 4655,9 Mio Fr. zwar wieder einen Ausgleich vor. Allerdings wird der Regiebetrieb die Bundeskasse künftig stärker belasten: Für 1988 sind mit Aufwendungen des Bundes in der Höhe von 1,3 Mia Fr. zu rechnen (1987: 1,1 Mia Fr.); bis 1993 könnten sie gar in die Nähe der 2-Mia-Grenze rücken. Die angespannte Finanzlage führte dazu, dass die SBB den Antrag stellten, ihren Infrastrukturbeitrag auf 121,5 Mio Fr. (1987: 211 Mio Fr.) zu reduzieren, was die Zustimmung von Bundesrat und Parlament fand [48]. Als zweite Kammer überwies auch der Ständerat eine Motion Schmidhalter (cvp, VS), welche aufgrund des LA 1987 die Kompetenzen des Parlaments und der Verkehrskommission beider Räte klar umschreiben und dabei insbesondere die Oberaufsicht der Legislative festigen will [49].
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Konzessionierte Transportunternehmungen
Im Zusammenhang mit dem Leistungsauftrag (LA) an die SBB war im Parlament wiederholt die finanzrechtliche Gleichstellung der konzessionierten Transportunternehmungen (KTU) mit den Bundesbahnen und insbesondere eine Vereinheitlichung der Berechnungsgrundlagen für die Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen verlangt worden. Die Grundsätze des SBB-Leistungsauftrags hatte das Transportgesetz von 1985 auf die anderen Transporteure des öffentlichen Verkehrs übertragen [50]. Im Berichtsjahr legte der Bundesrat nun die Botschaft über die Anderung des Eisenbahngesetzes vor, welche u.a. die Abgeltung der KTU für gemeinwirtschaftlich erbrachte Leistungen im einzelnen neu regelt.
Die neue Abgeltungsregelung lehnt sich insofern an den LA 1987 der SBB an, als auch bei den KTU künftig zwischen einem gemein- und einem marktwirtschaftlichen Bereich unterschieden werden soll. Gemeinwirtschaftlich sind wie bei den SBB Leistungen des regionalen Personen- und des Huckepack-Verkehrs. Bund und Kantone gelten die ungedeckten Kosten dieser gemeinsam bestellten Leistungen auch gemeinsam ab, wobei die Abgeltung zum voraus festgelegt wird. Diese Neuregelung hat nach Vorschlag des Bundesrates grundsätzlich kostenneutral zu sein. Soweit eine Mehrbelastung überhaupt abschätzbar ist, wird sie auf Bund und Kantone verteilt.
Da die KTU nicht so einfache Eigentumsverhältnisse wie die SBB kennen, konnten weitergehende Elemente des LA 1987 nicht übernommen werden. Insbesondere kann der Bund die finanzielle Verantwortung für die Infrastruktur der KTU nicht tragen. Deshalb sieht die Revision weiterhin eine Finanzhilfe zur Übernahme allfälliger ungedeckter Kosten im marktwirtschaftlichen Bereich vor, sofern die KTU diese im voraus beantragen. Dazu haben die KTU eine Kostenrechnung nach festgelegten Mindestanforderungen einzuführen. Mit der neuen Abgeltung will der Bundesrat auch die Investitionsfinanzierung des Bundes umgestalten. Um die Kostentransparenz zu erhöhen, sollen Investitionen künftig vorwiegend auf Darlehensbasis finanziert werden. Demgegenüber hatten sich die Kantone im Vernehmlassungsverfahren mehrheitlich für die bisherige Regelung mit Investitionshilfen in Form von unverzinslichen Subventionen oder A-fonds-perdu-Beiträgen ausgesprochen.
In der gleichen Botschaft wurde eine Neuregelung des Bahnpolizeirechts vorgeschlagen. Diese sieht vor, das aus dem Jahre 1878 stammende Bahnpolizeigesetz aufzuheben und die für den Fortbestand einer Bahnpolizei notwendigen Bestimmungen in das Eisenbahngesetz einzufügen [51].
Oppositionslos stimmte das Parlament dem 7. Rahmenkredit von 930 Mio Fr. zur Förderung der KTU für die Jahre 1988—1992 zu. Zugrundegelegt wurde ein Investitionsvolumen von 2,3 Mia Fr., wobei 62% auf die Infrastruktur und 38% auf das Rollmaterial entfallen. Neben Vorhaben im Interesse der Sicherheit und eines rationelleren Betriebes sind insbesondere auch Massnahmen zur Attraktivitäts- und Kapazitätssteigerung im Sinne von "Bahn 2000" vorgesehen [52]. Mit einer Motion Schmidhalter (cvp, VS) beauftragte die Volkskammer den Bundesrat ferner, die Finanzierung von KTU-Projekten im Rahmen der "Bahn 2000" nach ähnlichen Ansätzen und gleichen Richtlinien wie bei den SBB sicherzustellen [53].
 
[42] Parlamentsbeschluss: BBl, 1987, I, S. 46 f. Lancierung: SZ, 23.1.87. Einreichung: BBl, 1987, II, S. 482 ff.; Bund, 11.4.87. Zum Konzept Bahn 2000 und zur Debatte im Parlament siehe SPJ, 1986, S. 125 f.
[43] Zur Werbung siehe vor allem Presse vom 23.11.-5.12.1987. Zu den Parolen siehe auch Kasten. Vgl. zudem TA, 11.4.87 und AT, 27.11.87 (O. Fischer); TW, 14.11.87 (Auto-Partei); WoZ, 6.11.87 und Ww, 19.I 1.87 (Umweltorganisationen und grüne Parteien).
[44] BBl, 1988, I, S. 569 ff.; AS, 1988, S. 364 f. Zum Resultat siehe auch Kasten sowie unten, Teil I, Eidg. Abstimmungen (Tabellen) und Presse vom 7.12.87. Befragung: Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 6. Dezember 1987, Zürich 1988.
[45] BBl, 1988, II, S. 162 f.; vgl. SPJ, 1986, S. 126.
[46] Gesch.ber., 1987, S. 377 f.; Presse vom 22.12.87; Ww, 24.12.87 ; vgl. SPJ, 1986, S. 126 f. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1987, S. 541 f., 1312, 1626 und 1903 f.
[47] BBl, 1988, II, S. 593 ff. und 1163; Presse vom 26.2.88; wf, Dok., 22, 30.5.88; SBB, Geschäftsbericht 1987, Bern 1988. Zu den Tariferleichterungsmassnahmen vgl. SPJ, 1986, S. 119. Zum LA 1987 an die SBB vgl. SPJ, 1986, S. 127. Zur SBB-Rechnung 1986 .siehe: BBl, 1987, II, S. 697 ff.; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 690 ff. und 708 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 258 91; BBl, 1987, II, S. 975; vgl. SPJ, 1986, S. 128 f.
[48] BBl, 1987, III, S. 425 ff.; Presse vom 29.10.87; wf, Dok., 47, 23.11.87; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1630 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 650 ff.; BBl, 1988, I, S. 84 f.; vgl. SPJ, 1986, S. 129. Zur Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen der SBB für das Jahr 1988 siehe AS, 1988, S. 86 und Gesch.ber., 1987, S. 376 f.
[49] Amtl. Bull. StR, 1987, S. 260; NZZ, 10.6.87; vgl. SPJ, 1986, S. 127.
[50] Zur finanzrechtlichen Gleichstellung der KTU siehe SPJ , 1981, S. 108, 1982, S. 101 , 1983, S. 115 f., 1985, S. 115 (Transportgesetz) und 1986, S. 127 f. Zum LA an die SBB siehe SPJ, 1986, S. 127.
[51] BBl, 1988, I, S. 1260 ff.; Presse vom 3.3. und 6.10.87 (Vernehmlassung); Presse vom 19.11.87 (Botschaft); vgl. SPJ, 1986, S. 127 f.
[52] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 603 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 482 IT.; BBl, 1987, III, S. 280; vgl. SPJ, 1986, S. 128.
[53] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 621 ff. Siehe auch das vom Ständerat überwiesene Postulat Cavelty (cvp, GR) betreffend umsteigefreie Verbindungen zwischen Normal- und Schmalspurbahnen im Rahmen von "Bahn 2000" (Amtl. Bull. StR, 1987, S. 260 ff.).