Année politique Suisse 1987 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
PTT
Mit einem
Unternehmensgewinn von 487 Mio Fr. erzielten die PTT trotz Tarifsenkungen im Fernmeldebereich 1987 wiederum ein gutes Rechnungsergebnis. Dank einer lebhafteren Nachfrage nach ihren Dienstleistungen übertrafen sie dabei den budgetierten Reingewinn um 31 Mio Fr. Neben der Verkehrszunahme (4,4% bei den Post- und 6,8% bei den Fernmeldediensten, insgesamt 5,7%) trugen die geringe Jahresteuerung sowie die Anstrengungen zur Effizienzsteigerung und die straffe Ausgabenkontrolle zum guten Abschluss der Rechnung 1987 bei. Vom Unternehmensgewinn konnten 170 Mio Fr. an die Bundeskasse abgeliefert und 317 Mio Fr. den Reserven zugewiesen werden. Das Eigenkapital der PTT erhöhte sich dadurch auf 1,95 Mia Fr.
[54].
Die gute Finanzlage erlaubte es den PTT, auf den 1. August markante Tarifsenkungen für Telefon- und Telexverbindungen vorzunehmen. Dabei wurden die Taxen für Telefongespräche um bis zu einem Drittel billiger. Von den Vergünstigungen in der Grössenordnung von über 300 Mio Fr. profitierten je zur Hälfte der Ausland- und der Inlandfernmeldeverkehr. Für 1988 ist zur Entlastung der Mischrechnung und zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit im internationalen Fernmeldeverkehr eine weitere Tarifsenkung im Wert von 150 Mio Fr. geplant
[55].
Damit der Postzahlungsverkehr auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt, bereiteten die PTT die Einführung eines neuen Kontotyps mit Verzinsung des Postcheckguthabens vor. Das Segment des geplanten multifunktionalen Postcheck-" Lohnkontos", das in erster Linie den privaten Kontoinhabern angeboten werden soll, umfasst einen Anteil von rund 20-25% der gesamten Postcheckkontoguthaben. Diese Pläne stiessen auf Kritik insbesondere seitens der Banken
[56].
Um zu zeigen, mit welchen Mitteln die Kommunikation verbessert werden und welchen Beitrag die Technik zur Befriedigung der Kommunikationsbedürfnisse leisten kann, lancierten die PTT ein Projekt Kommunikations-Modellgemeinden der Schweiz. In ausgewählten Gemeinden soll dabei eine neue Art der Zusammenarbeit zwischen Benützern und Anbietern von Kommunikationsmöglichkeiten erprobt werden
[57].
Bei der Genehmigung der PTT-Rechnung 1986, die mit einem Rekordergebnis geschlossen hatte, erhöhte das Parlament gemäss Antrag des Bundesrates die von den PTT vorgeschlagene Ablieferung an die Bundeskasse von 170 auf 200 Mio Fr. Im Nationalrat wurden Bedenken gegen den "Raubzug des Bundesrates" zugunsten der Bundeskasse geäussert und – angesichts der prekären Situation des PTT-Personals vor allem im Raum Genf – dafür plädiert, dass die PTT die fraglichen 30 Mio Fr. für Verbesserungen zugunsten des Personals und für Investitionen verwenden sollen. Der vom Genfer Liberalen Coutau vorgebrachte Antrag der Kommissionsminderheit wurde jedoch mit 82:38 Stimmen abgelehnt
[58].
Zusammen mit dem PTT-Budget 1988, das einen Gewinn von 350 Mio Fr. vorsieht, präsentierte der Bundesrat dem Parlament ein neues Eigenkapitalkonzept für die PTT. Da die Reserven Ende 1988 voraussichtlich 2,1 Mia Fr. betragen und damit das 1978 festgelegte Reservenziel (1 Mia Fr., indexiert) um etwa 0,7 Mia Fr. übertreffen werden, drängte sich eine neue Regelung auf. Um die Finanzierung des Regiebetriebs auf lange Sicht sicherzustellen und es den PTT insbesondere zu erlauben, künftig flexibler auf den steigenden Investitionsbedarf einzugehen, sieht das Konzept ein Reservenziel von mindestens 10% der PTT-Bilanzsumme vor.
Während das Parlament den Voranschlag 1988 guthiess, stellte es das neue Eigenkapitalkonzept zurück, bis dafür die gesetzlichen Grundlagen im PTT-Organisationsgesetz geschaffen sind. Ferner kritisierte es einmal mehr die Mischrechnung zwischen den verschiedenen Diensten der PTT, wonach insbesondere die Auslandtelefontaxen das Defizit der Postdienste ausgleichen (Kostendeckung der Post- bzw. Fernmeldedienste 1986: 90% bzw. 119%; 1987: 94% bzw. 118%). Bundesrat Schlumpf teilte das Unbehagen über diese Situation und stellte einen generellen Leistungsauftrag für die PTT analog zu demjenigen der SBB in Aussicht. Danach wären gemeinwirtschaftlich erbrachte Leistungen abzugelten und im übrigen Eigenwirtschaftlichkeit zu erreichen
[59].
Als Folge der vorteilhafteren Anstellungsbedingungen in anderen Sektoren verschlechterte sich die Konkurrenzfähigkeit der PTT auf dem Arbeitsmarkt weiter. Insbesondere in Grossagglomerationen herrschte Personalmangel. Mit Demonstrationen und einer Petition machte das PTT-Personal auf seine Situation aufmerksam und forderte Lohnerhöhungen. Die vom Bundesrat auf den 1. Juli beschlossenen Sondermassnahmen im Raum Genf vermochten die heikle Personalsituation in dieser Region etwas zu entspannen. Ferner schlug die Regierung dem Parlament eine Revision des Beamtengesetzes vor, um mit Lohnerhöhungen und einer Verfeinerung der Lohnabstufungen auf die Personalrekrutierungsschwierigkeiten der gesamten Bundesverwaltung reagieren zu können
[60]. Zur Bèwältigung der erneut angestiegenen Nachfrage nach PTT-Dienstleistungen sowie der Angebotserweiterungen bewilligte das Parlament 300 zusätzliche Stellen im Rahmen des Nachtragkredits II zum PTT-Finanzvoranschlag 1987 und stimmte auch den im Budget 1988 beantragten 995 weiteren Stellen zu
[61].
Die Suche nach einem Nachfolger für den Sozialdemokraten Guido Nobel in die dreiköpfige PTT-Generaldirektion gestaltete sich wegen des Parteien- und Sprachenproporzes recht schwierig. Schliesslich konnte mit der Wahl des welschen Gewerkschafters Jean Clivaz die vakante Stelle besetzt werden
[62].
Der Bundesrat verabschiedete die Botschaft zum Fernmeldegesetz (FMG), das als Rahmengesetz konzipiert ist, um die laufende Anpassung an die technologische Entwicklung im Kommunikationssektor auf Verordnungsstufe zu ermöglichen. Das FMG soll die Fernmeldebedürfnisse in den Zentren und den Randgebieten des Landes zuverlässig, preiswert und zu gleichen Bedingungen garantieren und gleichzeitig den Fernmeldemarkt teilweise liberalisieren. Im Unterschied zum abzulösenden Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz (TVG) von 1922 wird der Geltungsbereich des neuen Gesetzes auf die Individualkommunikation beschränkt, während der Rundfunk im neu zu schaffenden Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) geregelt wird.
Wichtigstes Merkmal des Gesetzesentwurfs ist die
Liberalisierung von Angeboten, die bisher ein Monopol der PTT waren. Um die Versorgungssicherheit in allen Landesteilen zu gleichen Bedingungen zu gewährleisten, werden die PTT zwar auch weiterhin über das Netzmonopol verfügen und die Versorgung mit den Grunddiensten (Telefon-, Telex-, Datenübermittlungsdienst etc.) übernehmen. Sogenannte erweiterte Dienste wie Meldungsvermittlung oder Speicher- und Chiffrierdienste sollen aber auch von Dritten angeboten werden können. Bei den Teilnehmeranlagen oder Endgeräten schliesslich ist eine grundsätzliche Liberalisierung des Marktes und damit die Aufhebung des Apparatemonopols der PTT geplant. Die Marktöffnung auf diesem Gebiet soll zum Schutz der einheimischen Fernmeldeindustrie allerdings schrittweise und kontrolliert erfolgen. Das FMG sieht vor, dass der Bundesrat Teilnehmeranlagen bezeichnen kann, welche weiterhin nur von den PTT abgegeben werden dürfen. Um die Netzsicherheit zu gewährleisten, unterstehen zudem alle zum Verkauf zugelassenen Geräte einer Prüfungspflicht
[63].
Als
Übergangsregelung bis zum Inkrafttreten des FMG lockerte der Bundesrat das Telefon-Apparatemonopol der PTT. Während bei Erstapparaten der Regiebetrieb das Monopol behält, können von den PTT geprüfte Zweitgeräte ab 1988 auch von Privaten angeboten werden. Zusammen mit der Liberalisierung des Telefonapparatemarktes wurde auch das Problem des Verkaufs technisch ungenügender, nicht genehmigter Apparate angegangen, indem für solche Apparate neu ein Exportnachweis verlangt wird. Damit soll der florierende illegale Handel strenger kontrolliert werden können
[64].
[54] Presse vom 20.2.88; wf, Dok., 22, 30.5.88; Die Volkswirtschaft, 61/1988, Nr. 4, S. 29 f.; PTT, Geschäftsbericht 1987, Bern 1988; vgl. SPJ, 1986, S. 129. Siehe auch PTT, Statistisches Jahrbuch 1987, Bern 1988.
[55] AS, 1987, S. 1002 ff.; Presse vom 20.2. und 2.7.87.
[56] Pläne der PTT: TA, 3.9.87; NZZ, 5.9.87; SHZ, 10.9.87; PTT, Geschäftsbericht 1987, Bern 1988, S. 26. Kritik: TA, 4.9.87.
[57] Siehe dazu PTT, Geschäftsbericht 1987, Bern 1988, S. 10 f. sowie unten, Teil I, 8c (Telekommunikation):
[58] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 790 ff. und 808 ff.; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 255 ff.; BBl, 1987, II, S. 972 f. Zum Ergebnis der PTT-Rechnung 1986 siehe SPJ, 1986, S. 129.
[59] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1550 ff.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 6051T.; BBl, 1988,1, S. 87 f.; NZZ, 5.9.87 und Presse vom 3.11.87 (neues Eigenkapitalkonzept); wf, Dok., 47, 23.11.87; vgl. SPJ, 1978, S. 106 (Reservenbildung) und 1986, S. 129 f. (Mischrechnung).
[60] PTT-Personal: JdG, 13.2.87; TA, 14.2.87; Presse vom 19.5.87; Vr, 29.7.87; NZZ, 9.9.87 und BZ, 18.9.87; vgl. Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1304 f. sowie PTT, Geschäftsbericht 1987, S. 48 ff. Zur Revision des Beamtengesetzes siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung).
[61] Nachtrag II 1987: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1550; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 653; BBl, 1988, I, S. 86; vgl. NZZ, 3.10.87. Budget 1988 siehe oben.
[62] Ww, 22.1.87; NZZ, 16.3.87; BZ, 21.3.87; 24 Heures, 24.3. und 26.3.87; Presse vom 9.4.87; siehe auch SoZ, 27.9.87.
[63] BBl, 1988, I, S. 1311 ff.; Presse vom 12.12.87; vgl. SPJ, 1986, S. 130 (Vernehmlassung). Siehe auch Gesch.ber., 1987, S. 365 f. (Konturen einer neuen Kommunikationsordnung); SHZ, 26.2.87; NZZ, 6.10.87. Zum RTVG siehe unten, Teil I, 8c (Radio und Fernsehen).
[64] Liberalisierung Telefonmarkt: AS, 1987, S. 829 f.; BZ, 11.5.87; Presse vom 10.6.87; TA, 3.9.87; Ww, 15.10.87; SHZ, 26.11.87. Genehmigungspflicht: AS, 1988, S. 87 f. Exportnachweis: AS, 1987, S. 1622 f.; NZZ, 20.10.87; SHZ, 19.11.87.
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