Année politique Suisse 1987 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt / Luftreinhaltung
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Luftqualität
Trotz der eingeleiteten Massnahmen hat sich die Luftqualität noch nicht verbessert, und die in der Luftreinhalteverordnung (LRV) festgelegten Immissionsgrenzwerte werden häufig überschritten. Die Messresultate des Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstoffe (NABEL) zeigten, dass die Luftverschmutzung durch Schwefel- und Stickstoffdioxid in den Stadtzentren und Agglomerationen nach wie vor hoch ist und zum Teil erheblich über den auch für den Gesundheitsschutz des Menschen massgeblichen Immissionsgrenzwerten liegt. Kritische Belastungen der Umwelt durch Ozon, einem Folgeprodukt der Stickoxide und Kohlenwasserstoffe, treten demgegenüber besonders in ländlichen Gebieten auf [17].
Der Anstieg der Schwefeldioxidbelastung während der luftaustauscharmen Wetterlagen im Winter führte in mehreren Regionen der Schweiz zu hohen Smog-Belastungen, so dass etwa die Regierungen beider Basel Appelle an die Bevölkerung richteten, bis zum Ende des Smogs den privaten Strassenverkehr einzuschränken und die Heiztemperaturen zu reduzieren. "Dicke Luft" und schwarzgrauer Schnee, aber auch die Smogbelastung im Sommer aufgrund hoher Ozonwerte, brachten die Frage eines Smog-Alarmsystems mit einem für die ganze Schweiz gültigen Grenzwert für Smog-Warnungen aufs Tapet. Da in der LRV keine besonderen Vorkehrungen gegen Smog vorgesehen sind, sollten einheitliche Beurteilungskriterien den zuständigen Behörden das Ergreifen von Massnahmen erleichtern. Im November erliess der Bundesrat die von der Eidg. Kommission für Lufthygiene ausgearbeiteten Empfehlungen für das Vorgehen bei Wintersmog, worin er den Kantonen ein zweistufiges Vorgehen beim Auftreten von Smog vorschlägt. In einer ersten Phase sind lediglich Aufrufe zur freiwilligen Einschränkung beim Heizen und Autofahren vorgesehen. Zwingende Massnahmen sollen erst bei noch stärkerer Luftbelastung angeordnet werden. Mehreren Deutschschweizer Kantonen gingen die Smog-Empfehlungen zu wenig weit, und Basel wie auch andere Kantone bereiteten schärfere Richtlinien vor [18].
Ein Zwischenbericht zur Nationalfondsstudie über den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Atemwegserkrankungen bei Kindern kam zu alarmierenden Ergebnissen. Der Zentralverband der Verbindung der Schweizer Arzte (FMH), der sich besorgt zeigte über die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung angesichts der zunehmenden Umweltschädigung, erarbeitete ein Umweltschutzprogramm und setzte eine ständige Arbeitsgruppe ein, die u.a. eine Dokumentation gesundheitsbezogener Daten im Zusammenhang mit Umweltschädigung aufbaut. Die Arztinnen und Arzte der Aktion "Luft ist Leben" richteten zudem einen Appell an den Nationalrat, er solle bei seinen Beratungen über das Luftreinhalte-Konzept alles daran setzen, die Schadstoffbelastung der Luft in der gebotenen Eile auf den Stand der 50er Jahre zu verringern [19]. Auch die Umweltschutzorganisationen, die das Luftreinhalte-Konzept als ungenügend erachteten, forderten das Parlament auf, zusätzliche Massnahmen zu beschliessen. Nur mit einer Verminderung des Verbrauchs von Treibstoff und chemischen Lösungsmitteln um je einen Drittel lasse sich eine Reduktion der Luftverschmutzung auf ein für Natur und Mensch ungefährliches Niveau erreichen. Mehrere kantonale und kommunale Behörden drängten ebenfalls auf ein einschneidenderes Vorgehen. So verlangte etwa die Exekutive der Stadt Zürich die Prüfung von Massnahmen wie Benzinrationierung, autofreie Tage, Öko-Bonus und die Uberwälzung der fixen Motorfahrzeugkosten auf die Benzinpreise, und der Zürcher Kantonsrat reichte eine Standesinitiative betreffend Erhebung der Motorfahrzeugsteuern über den Treibstoffpreis ein [20].
 
[17] NABEL: NZZ, 2.3.87; Bund, 10.3.87; Presse vom 18.9.87 (Resultate 1986); BUS-Bulletin, 1987, Nr. 3, S. 23 ff.; vgl. Amtl. Bull. NR, 1987, S. 148. Allg. zur Luftverschmutzung: Ww, 29.1.87; WoZ, 20.3.87; BZ, 3.4.87; NZZ, 7.5. und 5.6.87; VO, 14.5.87; SHZ, 15.10.87. Zum Vollzug der LRV siehe Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1505 f.; NZZ, 12.11.87 (kantonale Massnahmenpläne). Siehe auch SPJ, 1986, S. 141 ff. sowie Lit.
[18] Smog: BaZ, 21.1., 14.2., 16.2., 6.6. und 17.7.87; JdG, 21.1.87; Bund, 7.2.87; NZZ, 10.2. und 20.7.87; SHZ, 26.2.87; TA, 18.7. und 28.11.87; 24 Heures, 3.9.87; siehe auch die als Postulat überwiesene Motion der CVP-Fraktion, die ein Ozon-Stickoxid-Alarmsystem forderte (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 978 f.). Empfehlungen: BBl, 1988, I, S. 207 ff.; Presse vom 1.12.87. Reaktionen: NZZ, 2.12.87; BaZ, 23.12.87; BZ und SZ, 24.12.87; TA, 31.12.87; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1702 f. Zur Debatte über die Gesundheitsgefährdung durch Smog siehe NZZ, 20.7., 28.7., 15.10. und 30.10.87; Vat., 21.7.87; Ww, 23.7.87; TA, 17.8.87 sowie Lit. (Hompesch). Siehe auch SPJ, 1985, S. 127.
[19] Atemwegserkrankungen: SGT, 5.2.87; Blick, 25.4.87. Studie: Presse vom 25.11.87; Vat., 11.12.87. Ärzte: NZZ, 16.2., 12.3. (Appell), 21.3. und 23.6.87; 24 Heures, 25.3.87; AT, 21.9.87. Siehe auch SPJ, 1985, S. 127 und 1986, S. 142.
[20] Umweltorganisationen: vgl. INFRAS, Luft zum Leben (cf. Lit); Presse vom 7.3.87; TAM, 4.4.87 (Öko-Bonus). Behörden: NZZ, 16.1.87; TA, 19.2.87. Stadt Zürich: TA, 6.2. und 7.2.87; Vr, 6.2.87. Standesinitiative ZH: Verhandl. B. vers., 1987, IV, S. 15; vgl. oben, Teil I, 6b (Strassenverkehr). Siehe auch SPJ, 1985, S. 109 und 126 sowie 1986, S. 120 f. und 143 (Reaktionen auf das Luftreinhalte-Konzept des BR).