Année politique Suisse 1987 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kultur
Die neue
Aufgabenteilung zwischen dem Bundesamt für Kulturpflege (
BAK) und der Stiftung
Pro Helvetia stand im Zentrum der Diskussion um die vom Bund an letztere zu gewährenden Finanzhilfen für die Jahre 1988-91. Dass sich Pro Helvetia wegen Teilen ihrer Tätigkeiten Kritik zugezogen hatte, scheint dabei den Stein mit ins Rollen gebracht zu haben. So wurde der Stiftung etwa eine mangelhafte Führung des "Centre culturel suisse" im "Hôtel Poussepin" in Paris vorgeworfen, und dem von ihr betriebenen, für die Gemeindeanimation eingesetzten "Kulturmobil" wurde zuwenig Effizienz nachgesagt. In der Folge forderte der Bundesrat von Pro Helvetia, zugestandenermassen in einer teilweisen Korrektur der letzen Botschaft, mehr Zurückhaltung im Bereich der soziokulturellen Animation und der Eigenaktivität und verwies sie weg von der Kulturpolitik hin zur ausschliesslich finanziellen Kulturförderung. Um ihr diese Aufgabe zu erleichtern, wurde die Vergabe der jährlich wiederkehrenden Unterstützungsbeiträge an kulturelle Organisationen dem BAK übertragen, während die Pro Helvetia nur noch Einzelprojekte fördern soll. Etwas enttäuscht brachte der Stiftungsrat vor, dass auch die Auswahl der zu fördernden Projekte politisch sei, und dass die Verteilung von Geldern im "Giesskannenprinzip" vielen wenig gebe, die Kultur insgesamt jedoch kaum und konzeptlos fördere
[4].
Gemäss der erwähnten Botschaft des Bundesrates muss sich das
BAK vor allem um Koordinationsdienste zwischen verschiedenen kulturfördernden Institutionen, um einen föderalistischen Ausgleich von kulturellen Gefällen zwischen Zentren und Randregionen und zwischen den Sprachgruppen sowie um eine vermehrte Subsidiarität zwischen öffentlicher und privater Kulturförderung
bemühen. Zu diesen Zielen äusserte sich denn auch mehrmals A. Defago, der Direktor des BAK, und versprach, die Idee einer "Kulturkonferenz", welche die Aufgabenteilung, die Zusammenarbeit und die gegenseitige Information zwischen dem Bund, den Kantonen, den Gemeinden und privaten Kulturförderern in die Wege leiten soll, weiter zu verfolgen
[5].
Das Parlament folgte dem Antrag des Bundesrates und gewährte, entgegen dem Wunsch der Pro Helvetia (106 Mio. Fr.) und einem Kompromissvorschlag einer Kommissionsminderheit (92 Mio. Fr.), der Stiftung einen Beitrag von insgesamt 86 Mio. Fr. für die Jahre 1988-91, aufgeteilt in jährliche, der Teuerung angepasste Beträge von 20 (1988) bis 23 Mio. Fr. (1991). Gegenüber der Periode 1984—87 bedeutet dies eine Zunahme des Rahmenkredites um nominal 27,25 Mio. Fr. Dem BAK wurden daneben im Bundesbudget für das Jahr 1988 rund 70 Mio. Fr. zugesprochen. Davon sind gut 20 Mio. für die Denkmalpflege, 15 Mio. für die Schweizerschulen im Ausland, 4 Mio. für die Unterstützung von kulturellen Organisationen, 5 Mio. für sprachliche Minderheiten bestimmt, und für die Filmförderung sind 9,5 Mio. Fr. vorgesehen.
Neben den gewohnten Kulturförderungsmassnahmen des Bundes im Bereich der Denkmalpflege und der Unterstützung von kulturellen Organisationen machten im Jahr 1987 auch neue Massnahmen und Forderungen von sich reden.
Die Absicht eines reichen deutschen Industriellen, des im Tessin eingebürgerten Hans Heinrich Thyssen, seine bedeutende, derzeit in Lugano lagernde und nur zu einem kleinen Teil ausgestellte Gemäldesammlung einer in- oder ausländischen Stiftung zu übergeben und sie somit in grösserem Umfange der Offentlichkeit zugänglich zu machen, wurde zu einem Dauertraktandum in den Medien. Schliesslich engagierte sich Bundesrat Cotti persönlich für den Verbleib der Sammlung in der Schweiz und versprach eine grosszügige Investitionshilfe des Bundes für die allfällige Errichtung eines geeigneten Museums. Sein Engagement fand auch in einer Diskussion anlässlich einer dringlichen Interpellation im Nationalrat breite Unterstützung. Vereinzelt wurde jedoch auch die Kritik laut, das Geld würde besser für die Förderung der zeitgenössischen Kunst verwendet. Thyssen konnte sich derweilen aber noch nicht zu einer Entscheidung durchringen
[6].
Der im Jahre 1983 auf eine Million Franken verdoppelte jährliche Bundesbeitrag an die Stiftung
Schweizerische Volksbibliothek (SVB) wurde seither nicht mehr erhöht, da der Bundesrat der Meinung war, der administrative Aufwand der Stiftung liege mit rund drei Vierteln der Ausgaben zu hoch. Aus demselben Grund beantragte der Bundesrat dem Parlament auch für die Jahre 1988-91 eine Weiterführung des bisherigen Kredites. Die Nationalratskommission stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass der literarischen Versorgung des Landes und insbesondere der Randregionen ein hoher kulturpolitischer Stellenwert zukomme, und dass sich die strukturellen und organisatorischen Belange bei der SVB in den letzten Jahren verbessert hätten. Das Parlament folgte dieser Argumentation und bewilligte der Stiftung einen Kredit von jährlich 1,5 Mio. Fr. für die kommenden vier Jahre. Der Antrag einer Kommissionsminderheit, die den Beitrag auf 1,9 Mio. Fr. hätte erhöhen wollen, um der SVB die Umstellung auf die elektronische Datenverarbeitung ohne Sondermittel zu ermöglichen, drang hingegen nicht durch
[7].
Während die Vermittlung der
Literatur also gefördert werden soll, steht es bei der Unterstützung von deren Produktion nach wie vor schlecht. Eine von der "Gruppe Olten" durchgeführte Umfrage ergab nämlich, dass in der Schweiz lediglich 12% der Schriftstellerinnen und Schriftsteller vom Schreiben auch leben können, während sich der Rest mit anderen Tätigkeiten das Brot verdienen muss. Anlässlich der Solöthurner Literaturtage verabschiedeten die Teilnehmer deshalb eine Resolution für die Verbesserung ihrer materiellen Situation. Sie forderten darin, dass der Bund und die Kantone jährlich 80 definierte Literaturprojekte mit einem Betrag von insgesamt 1,6 Mio. Fr. unterstützen sollen. Der Vorschlag dürfte eher als Alarmzeichen aufzufassen sein, war er doch nicht einmal bei den Autoren unumstritten: Etliche befürchteten nämlich eine Verbeamtung ihres Berufszweiges und sahen die Lösung ihrer Probleme eher in einer besseren Bezahlung ihrer Arbeit durch die Verlage
[8].
Nicht ganz unbekannt scheinen die
materiellen Probleme der Kulturschaffenden beim Bund zu sein. Entsprechendes betonte jedenfalls der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu der 1986 eingereichten Motion Morf (sp, ZH), welche die Einrichtung einer Pensionskasse für Kulturschaffende fordert. Der Bundesrat wies jedoch darauf hin, dass auch die Schriftsteller AHV-berechtigt seien, und dass zudem die 3. Säule fiskalisch begünstigt sei. Ausserdem bestehe gar keine Rechtsgrundlage für eine eigene Vorsorgeeinrichtung für Kulturschaffende. Er stellte jedoch in Aussicht, dass bei der nächsten AHV-Revision geprüft werden könne, ob der besonderen Situation der Kulturschaffenden Rechnung getragen werden könnte und zeigte sich deshalb bereit, den Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen
[9].
Mit seltener Einmütigkeit stimmten die Räte im Verlauf des Jahres sowohl einer Ergänzung der Vereinbarung mit Frankreich über die Kooperation in der Filmförderung als auch einer Änderung des Filmgesetzes zu. Die schweizerisch-französische Filmvereinbarung sieht eine engere Zusammenarbeit sowie die Sicherstellung von jährlich mindestens vier Gemeinschaftsproduktionen vor. Eine analoge Vereinbarung bestand bereits mit der Bundesrepublik Deutschland. Die Änderung des Filmgesetzes erlaubt dem Bundesrat, künftige bilaterale Koproduktionsvereinbarungen ohne Mitsprache des Parlaments selbständig abzuschliessen. Dies tat er denn auch mit Kanada, und Ende des Jahres waren entsprechende Vereinbarungen mit Belgien, Italien und Osterreich auf dem Wege, zu einem Abschluss geführt zu werden.
Neben dem einmaligen Beitrag von 0,5 Mio. Fr. zugunsten des Europäischen Jahres für Film und Fernsehen sieht das Budget für 1988 wiederum eine Erhöhung der Filmförderungsbeiträge vor, diesmal um 1 Mio. auf 9,5 Mio. Fr. Daneben ist nach wie vor auch die Unterstützung des Films durch die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, aber auch durch die Kantone und Gemeinden und private Sponsoren wichtig. Von Filmproduzenten wird indessen häufig als stossend empfunden, dass die Förderungsmassnahmen der Kantone, die jährlich insgesamt knapp 3 Mio. Fr. betragen, nur rund einem Sechstel der kantonalen Kinobillettsteuereinnahmen entsprechen
[10].
Seit nunmehr rund 25 Jahren befindet sich das derzeit gültige, aus dem Jahr 1922 stammende
Urheberrecht in Revision. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass dieses Gesetz angesichts der rasanten Entwicklung bei der Verwertung geistiger Leistungen, vor allem über die elektronischen Massenmedien sowie im privaten Bereich über Photokopien, Tonband- und Videoaufnahmen, dringend revidiert werden muss. Ob allerdings die im Jahr 1986 eingesetzte dritte Expertenkommission eine konsensfähige Lösung wird präsentieren können, scheint ungewiss zu sein. Strittig ist insbesondere die Frage nach der Verteilung der Rechte an den Autor und den Vermittler beziehungsweise den Arbeitgeber. Bereits hat sich auch schon ein Autorenkollektiv mit einer Referendumsdrohung an die Expertenkommission gewandt, um zu verhindern, dass die Rechte dem Vermittler statt dem Autor zustehen. Schwierig scheint auch der Interpretenschutz zu gestalten zu sein. Dass dieser ohnehin ins Gesetz aufgenommen werden müsse, unterstrich Bundesrätin Kopp im Ständerat anlässlich der Diskussion über die Motion des Nationalrats, die einen besonderen Schutz der Interpreten und der Ton-, Bild- und Tonbildträger verlangte. Der Ständerat wandte sich jedoch gegen jede Vorausbindung, vorab im Bereich der Zweitnutzungsrechte, und lehnte die Motion deshalb oppositionslos ab. Der Entwurf für das neue Gesetz wird anfangs 1988 zur Vernehmlassung vorgelegt. Inzwischen ermächtigte der Bundesrat aber die Bundeskanzlei, mit der Verwertungsgesellschaft "Pro Litteris" einen Vertrag abzuschliessen, um diese für die in der Verwaltung hergestellten Photokopien zu entschädigen. Auch die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), in der Schweiz die grösste Nutzerin von Urheberrechten, schloss mit den Urheberrechtsgesellschaften einen neuen Fünfjahres-Vertrag ab, der erhöhte Entschädigungen von jährlich über 23 Mio. Fr. vorsieht
[11].
[4] Kritik an Pro Helvetia: Nach Auseinandersetzungen mit der Zentrale in Zürich kündigten die Mitglieder des Leiterteams des "Centre culturel suisse" ihre Stellen: JdG, TA, 3.1.87; NZZ, 12.1.87; BaZ, 16.1.87. Nach Reorganisationsmassnahmen wurde zum freudigen Erstaunen vieler Kulturinteressierter der bekannte Regisseur Werner Düggelin als Direktor im "Hôtel Poussepin" eingesetzt: BaZ, 25.9.87; TA, 26.9.87; Ww, 1.10.87. Kulturmobil: TA, 21.9.87. Kritik an Entflechtung: TA, 10.4., 9.9., 23.9. und 28.9.87; Vr, 9.12.87.
[5] Bundesbeschluss: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1209; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 242; BBl, 1987, 111, S. 263; Presse vom 26.2., 4.6. und 29.9.87; vgl. auch SPJ, 1983, S. 172. Budget BAK: Botschaft des Bundesrates ... zum Voranschlag ... für das Jahr 1988, S. 315 f.; NZZ, 15.1.87. Kulturkonferenz: SPJ, 1986, S. 191; NZZ, 15.1.87; LNN, 22.8.87.
[6] NZZ, 4.5. und 6.6.87; CdT, 30.4., 2.5. und 14.9.87; TA, 7.5.87. Unterstützung im NR: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 704 und 971 ff.; Presse vom 20.6.87; Kritik: BZ, 5.5.87.
[7] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 254, 1208 und 1518; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 292 und 570; BBl, 1987, III, S. 255; Presse vom 13.3., 11.6. und 29.9.87.
[8] BZ, 30.5.87; Presse vom 2.6.87; Ww, 4.6.87.
[9] Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 73; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 493 f.
[10] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 259 und 1040; Amtl. Bull. StR., 1987, S. 297 und 425; BBl, 1987, II, S. 943; AS, 1987, S. 47; Presse vom 13.3.87 (Filmgesetz und Koproduktionsabkommen); Botschaft des Bundesrates ... zum Voranschlag ... für das Jahr 1988, S. 315; vgl. auch Lit. Günther.
[11] Petition der Autoren: BZ, 14.4.87. Motion der Kommission des NR: Amtl. Bull. StR, 1987, S. 643; NZZ, 10.11. und 9.12.87. Zum Interpretenschutz vgl. auch NZZ, 9.5. und 22.9.87. Pro Litteris: 24 Heures, 12.2.87; NZZ, 30.5. und 18.8.87. SRG: NZZ, 4.12.87.
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