Année politique Suisse 1987 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kultur
Nach wie vor sind also die Kantone und die Gemeinden hauptsächlich für die Förderung der Kultur zuständig. Gerade die grösseren städtischen Zentren wenden denn zum Teil auch beträchtliche Mittel dafür auf. Da die Einzelförderung der Kultur jedoch oft über Preisverleihungen vorgenommen wird, setzt sich die über die Vergabe entscheidende Instanz nicht selten dem Vorwurf aus, sie würde die Kunstproduktion politisch sanktionieren. So verweigerte 1987 beispielsweise der Zürcher Regierungsrat dem Filmregisseur R. Dindo einen Preis für ein von der Filmkommission dafür vorgeschlagenes Werk. Der Regierungsrat attestierte dem Dokumentarfilm zwar künstlerische Qualität, bemängelte jedoch dessen "mangelnde Ausgewogenheit". Der Dokumentarfilm "Dani, Michi, Renato und Max" handelt von vier Jugendlichen, die im Umfeld der Zürcher Jugendunruhen von 1980/81 ihr Leben verloren; der Film weist für deren Tod eine Mitschuld der Polizei und die Deckung der fehlbaren Polizeibeamten durch die Justiz nach. Der Entscheid des Regierungsrates führte zu heftigen, jedoch fruchtlosen Protesten der übrigen Preisträger
[12].
Ein ständiger Streitpunkt bildet in den Städten auch die Verteilung der Zuwendungen an die sogenannte "etablierte" und die "alternative" Kultur. So entspann sich etwa in Basel ein Streit um die zukünftige Verwendung des alten Stadtgärtnereiareals, das entweder als Volkspark hergerichtet oder aber einem alternativen Kulturzentrum Platz bieten soll. In Bern wurde die ehemalige Dampfzentrale für einen zweijährigen Versuch einer kulturellen Nutzung geöffnet, doch die Auseinandersetzungen um das Schicksal der städtischen Reitschule hielten an. Deren Abbruch forderte eine Initiative der NA, deren Schutz ein Gutachten der Denkmalpflege-Kommission und deren Nutzung die "Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule" (IKUR). Die Hitzigkeit dieser kulturpolitischen Diskussion nahm mit der gewaltsamen polizeilichen Räumung des Hüttendorfes "Zaffaraya" noch zu, doch wurden mit der provisorischen Öffnung der Reithalle über die Weihnachtstage auch wieder Ansätze zu versöhnlicheren Positionen sichtbar.
Zeichen für eine allmähliche Etablierung der alternativen Kultur waren dagegen andernorts auszumachen. Die Stadt Genf sprach einen Kredit von 4,3 Mio. Fr. für die Errichtung eines alternativen Kulturzentrums, und mit einer grossen Mehrheit bestätigten die Zürcher Stimmbürgerinnen und -bürger in einer Volksabstimmung den vom städtischen Parlament gesprochenen Umbau- und Betriebskredit für die Rote Fabrik. Gleichzeitig wurde damit auch einem Trägerschaftsmodell zugestimmt, das dem seit den Jugendunruhen von 1981 bestehenden Versuchsbetrieb eine dauerhafte rechtliche Grundlage verlieh, deren grosse kultur- und gesellschaftspolitische Bedeutung von Vertretern aller grossen Parteien im Vorfeld der Abstimmung immer wieder betont worden war
[13].
Wenn sie in ihrem Ausmass auch kaum zu beziffern ist, so scheint doch die private Kulturförderung als "
Sponsoring" immer grössere Bedeutung zu erlangen. über die Wünschbarkeit dieser Entwicklung sind sich die Kulturschaffenden selbst kaum einig. Die einen befürchten Eingriffe in die künstlerische Freiheit und eine Bevorzugung der "Konsumkultur" gegenüber einer "Risikokultur" und äussern zudem moralische Bedenken, sich von Unternehmen bezahlen zu lassen, deren Geschäftspraktiken eigenen Wertvorstellungen zuwiderlaufen. Andere äussern sich positiver: Gerade die Unabhängigkeit von staatlichen Geldgebern, welche die zu fördernden Werke stets nach deren künstlerischen Qualität beurteilten, sei der Vorteil der privaten Kulturförderung, bei der sich niemand anmasse, solche Urteile zu fällen. Öffentliche und private Kulturförderung nicht als unversöhnliche Gegensätze zu betrachten, sondern im Sinne der Subsidiarität zu fördern, ist das erklärte Ziel des BAK. Dasselbe Anliegen führte in St. Gallen auch zur Gründung einer Stiftung, deren Zweck einzig darin besteht, zwischen Veranstaltern und (potentiellen) Sponsoren zu vermitteln
[14].
[12] TA, 28.11.87; TA, NZZ, 7.12.87. Vgl. auch die Filmkritik in: Zoom, 39/1987, Nr. 9, S. 15 ff.
[13] Basel: BaZ, 14.8.87. Bern: BZ, 9.9., 3.10., 29.10., 2.11., 26.11., 9.12., 15.12. und 31.12.87; Bund, 2.11. und 3.12.87. Genf: JdG, 12.5. und 22.9.87. Zürich, Rote Fabrik: WoZ, 18.9. und 4.12.87; TA, 19.11. und 7.12.87; NZZ, 2.12. und 7.12.87.
[14] Vgl. Lit. Meyer-Herzog, TW, WoZ; St. Gallen: SGT, 13.5.87.
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