Année politique Suisse 1987 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
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Entwurf zu einem Radio- und Fernsehgesetz
Anfang 1987 waren in der Schweiz neben den drei sprachregionalen Fernsehprogrammen, den acht Radioprogrammen der SRG und dem Schweizer Radio International 33 Lokalradiosender, 2 Kabelradios, 13 lokale Fernsehstationen und 8 Bildschirmtext-Dienste in Betrieb. Ausserdem wurden von verschiedenen Kabelnetz-Betreibern neben den traditionellen ausländischen Programmen insgesamt 16 Satelliten-Fernsehprogramme vertrieben. Daneben hatten noch rund 48 000 Haushalte die Angebote der Pay-Sat AG und der Télécinéromandie abonniert. Rechtlich sind diese Sender auf verschiedene, zum Teil provisorische Erlasse abgestützt, so dass einer einheitlichen Regelung in dem zu schaffenden Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG, früher auch als BRF abgekürzt) eine hohe Priorität eingeräumt wird [12].
1987 konnte nun das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des RTVG, den das EVED ausgearbeitet hatte, abgeschlossen werden, worauf der Bundesrat seinen noch stärker auf Kompromisse angelegten Entwurf mit einer Botschaft vorlegte. Abgesehen von der vielfach gewünschten Straffung des Gesetzes konnten aber auch damit die strittigen Punkte nicht ausgeräumt werden, doch zeigten sich nun die massgeblichen bürgerlichen Parteien zufriedener. Die Vernehmlassung hatte Mehrheiten für eine Sonderstellung der SRG und für die Ermöglichung des Sponsoring, jedoch gegen die Regelung der "inneren Medienfreiheit" (der redaktionellen Unabhängigkeit) ergeben, während das "Gebührensplitting", also die Verteilung eines Teils der SRG-Gebühren an wirtschaftlich bedrohte Sender, umstritten war [13].
Der neue Gesetzesentwurf geht von einem Drei-Ebenenmodell aus: Je auf der nationalen/sprachregionalen, der regionalen/lokalen und der internationalen Ebene sind unterschiedliche Regelungen vorgesehen. Auf der ersteren soll der SRG ein besonderer Leistungsauftrag auferlegt und eine Vorzugsstellung (Finanzierung über Gebühren, bevorzugte Zuweisung der Sendeanlagen), jedoch kein Monopol eingeräumt werden. Insbesondere die 4., einzig noch verbleibende terrestrische Fernsehsenderkette soll als "Verbundlösung" konzipiert, das heisst privaten Veranstaltern im Verbund mit der SRG zur Verfügung gestellt werden. Falls diese nicht nur ein regionales oder lokales "Fenster" benutzen, sondern ein sprachregionales oder gar nationales Programm anbieten möchten, wäre die Bundesversammlung für die zu erteilende Konzession zuständig. Diese könnte jedoch nur erteilt werden, wenn die SRG in der Erfüllung ihres Leistungsauftrags nicht "schwerwiegend beeinträchtigt" würde — eine Formulierung, die in der bundesrätlichen Botschaft nicht näher erläutert wird und gemäss dem Medienjuristen F.A. Zölch als "unbestimmter Rechtsbegriff" erst in der Verordnung geklärt werden müsste. Auf der regionalen/lokalen Ebene sieht der Gesetzesentwurf eine Vielzahl von privaten, werbefinanzierten Rundfunkveranstaltern vor, wobei den Kantonen ein Vorschlagsrecht für die Konzessionserteilung durch den Bund zustünde. Um auçh die Versorgung von Rand- und Berggebieten zu gewährleisten, ist ein Gebührensplitting weiterhin im Entwurf verblieben.
Keine Begrenzung der Zahl der Veranstalter sieht das Gesetz auf der internationalen Ebene vor, wobei jedoch die in der Schweiz verbreiteten ausländischen Sender den wesentlichen Bestimmungen über die hiesigen Werbevorschriften genügen müssten. Diese betreffen vor allem Branchenverbote und die Art der Trennung von Programm und Werbung. Das Sponsoring von Sendungen soll, mit Auflagen, erlaubt werden. Die vor allem von Journalisten-Verbänden geforderte innere Medienfreiheit ist nicht in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden. Eine unabhängige Beschwerdeinstanz soll dagegen mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten als dies bisher der Fall ist [14].
Parteien und Verbände wiederholten nach der Publikation des neuen Entwurfes weitgehend ihre Positionen, die sie schon im Vernehmlassungsverfahren eingenommen hatten. SRG-Generaldirektor L. Schürmann betrachtete das Gesetz als ausgewogen und begrüsste insbesondere die Verbundlösung für die 4. Senderkette. Mit dieser zeigte sich auch die FDP zufrieden, sie bemängelte jedoch die "SRG-Lastigkeit" des Entwurfs. Grundsätzlich einverstanden zeigten sich auch die CVP und die SVP, letztere besonders wegen der vorgesehenen wirtschaftlichen Konkurrenz zwischen den Sendern. Gerade der kommerzielle Wettbewerb steht nach Meinung der SP jedoch im Gegensatz zum publizistischen Wettbewerb, den das Gesetz eher behindere als fördere; ausserdem sei dieses zu sehr exekutiv- und verwaltungslastig angelegt. Die Journalistenverbände übten am Entwurf scharfe Kritik vor allem wegen der Auslassung der Regelung der inneren Medienfreiheit, und das "Syndikat schweizerischer Medienschaffender" reagierte auf die Öffnung der 4. Senderkette für alle möglichen Veranstalter gar mit einer Referendumsdrohung, da es diese als eine Konzession an jene politischen Kräfte wertete, welche die Demolierung der SRG anstrebten. Ebenfalls eine Schwächung der SRG befürchtet auch die Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationskultur (AfK), da nur dieser ein umfassender Informations- und Kulturauftrag auferlegt werde, wodurch den privaten Veranstaltern die einträglichere Unterhaltung zufalle. Da der Entwurf auch vorsieht, dass der Bund notleidende Sender von öffentlichem Interesse direkt unterstützen kann, sieht die AfK auch keinen Grund für die Ermöglichung des Gebührensplitting zulasten der SRG. Als unsinnig betrachtet sie sodann die Möglichkeit, die 4. Senderkette privaten Veranstaltern zu überlassen, da ohnehin nur die SRG fähig sei, ein nationales Vollprogramm überhaupt zu produzieren — was übrigens auch potentielle private Anbieter, wenn auch ungerne, zugeben. Mit ihrem Vorschlag einer "Mediallmend" stiess die AfK jedoch auf wenig Gegenliebe. Der Vorschlag sah vor, dass der SRG nur noch die Grundversorgung zustünde, während beliebig viele, in Vereinen organisierte Veranstalter, welchen nach Massgabe ihrer Mitgliederzahlen Sendezeiten zugesprochen würden, sich die restliche Sendezeit auf allen vier Senderketten hätten teilen können. Ein solches Modell wird heute in den Niederlanden angewandt [15].
 
[12] Botschaft des Bundesrates zum Radio- und Fernsehgesetz, in BBl, 1987, III, S. 689 ff.
[13] Resultate des Vernehmlassungsverfahrens: Presse vom 30.4.87.
[14] Botschaft und Entwurf zum RTVG: BBl, 1987, III, S. 689 ff.; Klartext, 7/1987, Nr. 5 (F.A. Zölch); Presse vom 29.9.87.
[15] Reaktionen: NZZ, 30.9.87; Badener Tagblatt, 10.11.87; U. Jaeggi (AfK), "Bundesgesetz über Radio und Fernsehen – Kompromiss mit Knacknüssen", in Zoom, 39/1987, Nr. 23, S. 2 ff. "Mediallmend": vgl. Babylon, 1/1987, Nr. 2. Zur Lage der privaten Veranstalter vgl. TA, 20.3.87 (" Vereinigung Privates Regionalfernsehen in der Schweiz"); TA, 27.3.87 (M. Ringier); vgl. auch unten, Regional-TV. Zum RTVG vgl. auch Lit. Mühlemann.