Année politique Suisse 1988 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien / Das Parteiensystern
Bei der Neubestellung der kantonalen Parlamente setzte sich im Berichtsjahr die
Erosion der Wähler- und Mandatsanteile der Regierungsparteien fort. Hauptbetroffene waren die bürgerlichen Parteien und dabei insbesondere die CVP und die FDP, welche in den sechs Wahlen nach Proporzsystem 18 resp. 7 Parlamentssitze einbüssten. Die SP musste per saldo bloss drei Verluste hinnehmen und scheint die Talsohle erreicht zu haben. Ausschlaggebend für den Krebsgang der grossen bürgerlichen Parteien war das erstmalige Auftreten der Auto-Partei bei kantonalen Wahlen. Dass diese Neulinge auf der politischen Bühne gute Chancen haben, den Bürgerlichen Wähler abspenstig zu machen, hatte sich bereits anlässlich ihres ersten Auftritts bei den Nationalratswahlen vom Vorjahr gezeigt
[3].
Während sich bei den Wahlen die in den letzten Jahren beobachtete Schwächetendenz der grossen Parteien fortsetzte, stellten wissenschaftliche Untersuchungen Anzeichen für eine Trendumkehr fest. Nachdem der Prozentsatz der Stimmberechtigten, die sich mit einer der vier Regierungsparteien verbunden fühlen, von Beginn der achtziger Jahre bis 1987 stetig abgenommen hatte, verzeichneten die Umfragen 1988 wieder einen deutlichen Anstieg. Dieser ging jedoch per saldo nicht etwa zu Lasten der kleineren Parteien, sondern reduzierte den Anteil der Parteiungebundenen. Die Autoren der Studie interpretieren die Diskrepanz dieser Umfrageergebnisse zu den Wahlresultaten mit einem Zweiphasenmodell: In einer ersten Phase hätten die Sozialdemokraten einen Teil ihrer Stammwähler an das Lager der politisch Abstinenten verloren. In der sich heute abspielenden zweiten Phase gelinge es zwar den bürgerlichen Regierungsparteien ihre Stammwähler zu halten, ihre Attraktivität für parteiungebundene Wechselwähler sei aber – nicht zuletzt bedingt durch die Konkurrenz der Auto-Partei – geringer geworden
[4].
Allgemein gültige Rezepte, wie dem Erosionsprozess Einhalt geboten werden könnte, haben die Verantwortlichen der Regierungsparteien noch nicht gefunden. Ihre Strategen gaben sich aber überzeugt, dass ein Einschwenken auf die Forderungen der sogenannten 'Einthemen-Parteien' auf längere Frist nicht das richtige Mittel sei. Mehr Erfolg versprechen sie sich vom Ausspielen der Sachkompetenz, welche sich die traditionellen Parteien und ihre Politiker in langer politischer Tätigkeit erworben haben. Sowohl von Parteisekretären als auch von Politologen wurde betont, dass sie sich auch vermehrt um eine bessere Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern bemühen müssen. Diese sei an die gewandelten politischen Verhaltensweisen und Interessen anzupassen und könne nicht mehr auf angestammte Solidaritäten zählen
[5].
[3] Siehe dazu oben, Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente) sowie unten, Freisinnig-demokratische Partei, Christlich-demokratische Volkspartei und Auto-Partei.
[4] C. Longchamp / W. Linder, Parteibindungen, Parteiimages und Konflikte bei Verkehrsabstimmungen. Uni Vox-Jahresbericht "Direkte Demokratie" 1989, Bern 1989. Vgl. auch SPJ 1987, S. 297.
[5] Vgl. Lit. Angst, Fagagnini und Linder. Siehe auch G.F. Höpli in NZZ, 6.8.88 und R. Blum in TA, 31.10.88.
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