Année politique Suisse 1988 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Grüne und links-grüne Gruppierungen
Der Formierungsprozess der in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossenen grünen Gruppierungen zu Parteien sowie die damit zum Teil einhergehende Integration bzw. Selbstauflösung von Gruppierungen der ehemaligen neuen Linken brachte zwar da und dort erste Klärungen, führte aber andernorts zu neuen Unübersichtlichkeiten.
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Grüne Partei der Schweiz (GPS)
Von den beiden grossen grünen Blöcken ist die im Nationalrat in Fraktionsstärke vertretene Grüne Partei der Schweiz (GPS) hinsichtlich ihrer organisatorischen Konstituierung weiter fortgeschritten. 1988 wurden die Glarner Umweltgruppen (GUG) sowie die "Grünen Aargau" als neue Mitglieder aufgenommen, womit die GPS nun in zwölf Kantonen vertreten ist. Das Kritische Forum Schwyz (kfs) erhielt Beobachterstatus. Mit der Aufnahme der Aargauer trat auch deren Nationalrat H. Thür der GPS-Fraktion bei. Dieser wurde von bürgerlicher Seite eine gute Fraktionsdisziplin sowie ein eindeutiges Stimmverhalten zugunsten der Linken bescheinigt. Mit dieser möchte sie jedoch nicht gleichgesetzt werden. Weil eine rot-grüne Mehrheit keine realistische Perspektive sei, empfahl ein Strategiepapier der GP des Kantons Zürich eine Taktik der wechselnden Allianzen und in diesem Sinne auch eine vermehrte Zusammenarbeit mit dem Bürgerblock sowie eine Abgrenzung gegen links, wo dies gerechtfertigt sei. Ein Ausdruck dieser Politik war die Nein-Parole zur AHV-Initiative der POCH. Um die thematische Öffnung ihrer Politik zu demonstrieren, beschloss die GPS die Einsetzung einer sozialpolitischen Kommission. Aufsehen erregte sie im weitern mit ihrer Stellungnahme gegen den Bau einer neuen Alpenbahntransversale (NEAT), was mit der Notwendigkeit der Reduktion des gesamten Verkehrsvolumens begründet wurde. In den kantonalen Wahlen zählte die GPS durchwegs zu den Gewinnern, wobei sie namentlich im Kanton Thuraau ihre Präsenz massiv ausbauen konnte [37].
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Grüne Bündnis Schweiz (GBS)
Das im Vorfeld der Nationalratswahlen 1987 als Provisorium zustandegekommene Grüne Bündnis Schweiz (GBS), welches geschichtlich und personell sehr stark mit POCH und SAP verbunden ist, konstituierte sich nach einem Zwischenschritt in Form eines Symposiums schliesslich im November offiziell als pluralistischer und föderativer Zusammenschluss von kantonalen und lokalen grünen und alternativen Parteien und Bündnissen. Es will vermehrt auf nationaler Ebene als eigenständige politische Kraft auftreten und dabei auch linke Inhalte einbringen, allerdings ohne revolutionären Anspruch. Über theoretische Grundlagen sollen keine grossen Diskussionen mehr geführt, sondern vielmehr eine "neue politische Öffentlichkeit geschaffen" und eine Politik der direkt Betroffenen verfochten werden. Inhaltlich hielt sich das GBS noch an die Wahlplattform der NR-Wahlen von 1987; in den Diskussionen standen die vier Schwerpunkte Okologie, Frauenfrage, soziale Gerechtigkeit und Solidarität der Menschen im Vordergrund. Längerfristig wird eine Einheit der grünen Bewegung anvisiert. Im Nationalrat ist das GBS nach dem Anschluss der Aargauer Grünen an die GPS noch mit einem Mitglied (S. Leutenegger Oberholzer, BL) repräsentiert. An den beiden nationalen Zusammenkünften des GBS nahmen Vertretungen aus rund zehn Kantonen teil. Die POCH Baselstadt erhielt auf eigenen Antrag Beobachterstatus. In den Kantonen Baselland und St. Gallen konstituierten sich kantonale grüne Bündnisse. Kennzeichnend für die im grünen Bereich fliessenden Konturen war der Austritt eines Luzerner Grossrats aus der Fraktion des GB und sein vergeblicher Versuch, bei der CVPFraktion unterzukommen! In kantonalen Wahlen standen den Gewinnen in Baselstadt und St. Gallen eher überraschende Verluste in Schaffhausen gegenüber. Aufsehen erregte auch die Weigerung der Grünen Alternative Basel, sich der POCH-Fraktion im Kantonsparlament anzuschliessen [38].
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POCH und SAP
Die Progressiven Organisationen (POCH) und die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) waren auf nationaler Ebene, ausser bei Parolenfassungen zu Volksabstimmungen und neben der Tätigkeit der zwei POCH-Mitglieder des Nationalrats, kaum noch präsent. Kantonale POCH-Sektionen, mit unterschiedlichem Aktivitätsgrad, existierten noch in Baselstadt, Bern, Solothurn und Zürich, nachdem sich diejenigen in Baselland und Luzern 1988 auch juristisch auflösten. Nach Zentralsekretär G. Degen werden die POCH längerfristig in einer links-ökologischen Bewegung aufgehen. Zumindest in der Stadt Bern entschieden sich die POCH jedoch gegen eine Integration ins Grüne Bündnis, welches sie ursprünglich selbst initiiert hatten, und für ein weiteres Auftreten unter ihrer alten Bezeichnung. Von Bedeutung schienen bei diesem Entschluss auch Befürchtungen bezüglich eines Dominierens des GB durch die SAP zu sein. Bei kantonalen Wahlen traten die POCH nur noch in ihrer Hochburg Baselstadt an, wo sie jedoch gegenüber ihrem Spitzenergebnis von 1984 etwas Terrain und drei Sitze einbüssten [39].
 
[37] BZ, 30.4.88; NZZ, 30.4., 9.5., 20.5., 27.8. und 7.11.88; Vr, 4.5.88; BaZ, 9.5.88; TA, 9.5., 1.9. und 7.11.88; Ww, 30.6.88; WoZ, 27.8. und 9.9.88; Vat., 2.11.88; SGT, 7.11.88; vgl. SPJ 1987, S. 304 f. Kantonale Wahlen: vgl. dazu oben, Teil I, Kap. 1e.
[38] BaZ, 17.3., 13.6., 5.9., 29.6., 24.10. und 31.10.88; LNN, 25.3.88; WoZ, 3.6. und 17.6.88; Vat., 13.6. und 29.8.88; SGT, 14.6.88; TA, 14.6. und 14.11.88; NZZ, 15.6. und 14.11.88; BZ, 14.11.88; 24 Heures, 14.11.88; vgl. SPJ 1987, S. 305. Über die linke Opposition im Kanton Zug: Ww, 24.3.88. Kantonale Wahlen: vgl. dazu oben, Teil I, Kap. 1e; über die verschiedenen Grünen in BS: BaZ, 4.1. und 29.6.88.
[39] Ww, 7.1.88; Bund, 12.1., 22.1., 1.2., 24.6. und 5.8.88; BZ, 13.1. und 1.2.88; WoZ, 5.2.88; Vat., 19.7.88; BaZ, 31.10.88; vgl. SPJ 1987, S. 305. Kantonale Wahlen: vgl. dazu oben, Teil I, Kap. 1e. Porträt POCH BS: BaZ, 5.1. und 12.1.88. Im Kanton Bern trat POCH-Grossrat J. Schärer mitsamt Mandat zur SP über (Bund, 24.6. und 5.8.88).