Année politique Suisse 1988 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein
 
Nationalbewusstsein
Wie im Abschnitt über die Zukunftsperspektiven der Schweiz bereits angetönt, empfinden jene, die sich angesichts einer demografischen und ökonomischen Internationalisierung der Welt verunsichert fühlen, die Frage nach der nationalen Identität als drängend. Der Leiter des nationalen Forschungsprogramms NFP 21 über "kulturelle Vielfalt und nationale Identität", Georg Kreis, äusserte denn auch seine Absicht, von den Forschungsresultaten konkrete Handlungsanweisungen an die Verwaltung und die Politik abzuleiten. Er antwortete damit auch auf die von anderen geäusserten Vorbehalte an diesem als nutzlos und rückwärtsgewandt kritisierten Forschungsprogramm [12].
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Zentenarfeier 1991
Dass die Bevölkerung nicht bereit ist, jeden Preis für eine patriotische Grossveranstaltung zu bezahlen, hatten die negativen kantonalen Volksabstimmungen 1987 gezeigt. Die vom Bund daraufhin eingesetzte Arbeitsgruppe präsentierte nun einen Bericht mit Vorschlägen für eine redimensionierte Zentenarfeier im Jahre 1991.
Die Feier soll unter dem Motto "Begegnung 1991" stehen und mit drei Festen begangen werden: einem Fest der Eidgenossenschaft im Raume Rütli – Schwyz – Brunnen, einem Fest der vier Kulturen in der Westschweiz und einem Fest der Solidarität mit der Dritten Welt in Graubünden. Der Bundesrat übernahm nach einer Konsultation der kantonalen Regierungen diese Vorschläge weitgehend in seine Botschaft an das Parlament. Eine grössere Änderung nahm er lediglich beim dritten Fest vor, indem er hier die "Schweiz in der Welt" thematisiert haben möchte, was insbesondere auch den Einbezug des schweizerischen Verhältnisses zur Europäischen Gemeinschaft erlaubt. Für das Jahr 1998 sieht er ausserdem zur Feier des 150jährigen Bestehens des Bundesstaates eine Landesausstellung im Kanton Tessin vor. Das Parlament stimmte der Vorlage recht einmütig zu und erhöhte gar noch den vom Bundesrat beantragten Kredit für die 700-Jahrfeier um 10 auf 65 Mio Fr. und die Defizitgarantie um 5 auf 10 Mio Fr. Für die Durchführung der Feierlichkeiten wählte der Bundesrat den Tessiner M. Solari zu seinem Delegierten [13].
Neben dem Bund bemühten sich auch zahlreiche Kantone, Parteien und weitere private Organisationen um eine aktive Beteiligung an der 700-Jahrfeier. Solche dezentralen Anstrengungen werden in der Botschaft des Bundesrates ausdrücklich gewünscht, damit auch die Bevölkerung in die Planung und Durchführung der Anlässe einbezogen wird. Die Stiftung "CH 91 ", deren Pläne in den kantonalen Volksabstimmungen von 1987 abgelehnt worden waren, wurde in die Stiftung "Weg der Schweiz" umgewandelt. Mit diesem Namen ist auch ihr neues hauptsächliches Tätigkeitsfeld, die Verwirklichung eines Fussweges entlang des Urnersees, umrissen [14].
 
[12] Kreis: TA, 9.2.88; Ww, 11.2. und 25.2.88; BaZ, 29.10.88. Siehe auch Lit. Brühlmeier und Info 21, 1988.
[13] BBl, 1988, II, S. 1068 ff. und III, S. 767 f. ; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 592 ff., 734 ff. und 744; Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1284 ff., 1380 ff. und 1528; Presse vom 14.1., 28.4., 5.5., 2.6., 29.9. und 6.10.88; U. Altermatt, "Drei Festzyklen an der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft", in Civitas, 43/1988, Nr. 4/5, S. 88 ff. Die Finanzdelegation der Räte befand Solaris Gehalt als zu hoch, worauf der BR dieses und die Anstellungsbedingungen korrigierte (BaZ und NZZ, 18.5.88; Presse vom 19.5. und 2.6.88). Siehe auch SPJ 1987, S. 16.
[14] Presse vom 11.2., 18.7. und 19.7.88; BZ, 29.3.88; NZZ, 15.4.88; LNN, 21.4.88. Die NA beschloss, eine Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag zu lancieren (NZZ, 4.11.88).