Année politique Suisse 1988 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Bürgerrecht und Stimmrecht
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Stimm- und Wahlrecht
Im Kanton Appenzell Ausserrhoden soll 1989 an der Landsgemeinde ein fünfter Versuch zur Einführung des integralen Stimm- und Wahlrechts für Frauen unternommen werden. Im Berichtsjahr nahm die Regierung Kenntnis von einem Bericht einer 1987 eingesetzten Kommission, die sich auch mit dem Problem der Fortführung der Landsgemeinde mit Frauenbeteiligung auseinandergesetzt hatte. Gestützt auf diesen Bericht sprach sich die Exekutive zum ersten Mal geschlossen und vorbehaltlos für die Gleichberechtigung der Frauen aus. Das Parlament folgte dem Regierungsantrag und beschloss mit 51:3 Stimmen (bei vier Enthaltungen), der Landsgemeinde vom Frühjahr 1989 die Einführung des kantonalen Frauenstimmund wahlrechts mit einer zustimmenden Empfehlung zum Entscheid vorzulegen. Aus vorwiegend taktischen Gründen soll hingegen erst zu einem späteren Zeitpunkt über die Fortführung der Landsgemeinde beschlossen werden [12]. Das Bundesgericht vermied es, sich inhaltlich mit dem Appenzeller Stimmrechtsproblem zu befassen. Da nicht alle kantonalen Rechtsmittel ausgeschöpft worden seien, trat es auf eine im Vorjahr eingereichte Beschwerde gegen den Ausschluss der Frauen von der Ständeratswahl von 1987 nicht ein [13].
In Baselstadt stimmte der Souverän der Senkung des Stimmrechtsalters auf 18 Jahre knapp zu. Damit gilt diese Regelung in elf Kantonen: Baselstadt, Baselland, Genf, Glarus, Jura, Neuenburg, Nid- und Obwalden, Schwyz, Waadt und Zug. Nach negativen Volksabstimmungen zur kantonalen Einführung des Stimmrechtsalters 18 soll in der Ostschweiz nach dem Vorbild anderer Kantone zuerst eine Senkung des Wahlrechtsalters auf freiwilliger Basis in den Gemeinden ermöglicht werden. In Graubünden, St. Gallen und Thurgau sprachen sich die Kantonsparlamente für entsprechende Verfassungsänderungen aus. Im Kanton Bern, wo diese Möglichkeit seit 1983 besteht, korrigierten die Städte Bern und Biel ihre ablehnenden Entscheide aus dem Jahr 1984 und stimmten in einem zweiten Anlauf dem Stimmrechtsalter 18 zu [14].
Die Organisationen der Ausländer setzten ihre im Vorjahr gestartete Kampagne zur Erlangung des Stimm- und Wahlrechts fort, ohne dass ihre Petitionen bisher konkrete Ergebnisse gezeitigt hätten. Immerhin erhielten sie für ihr Anliegen politische Unterstützung: In Zürich beauftragte der Parteitag der Sozialdemokraten den Vorstand mit der Ausarbeitung einer entsprechenden kantonalen Volksinitiative, über deren Lancierung spätestens 1990 entschieden werden soll. In Neuenburg, wo die ausländischen Niedergelassenen in Gemeindeangelegenheiten bereits stimm- und wahlberechtigt sind, forderten diese mit einer Petition die Wählbarkeit in kommunale Amter. Die SP unterstützte dieses Begehren zum Teil und schlug im Grossen Rat vor, dass – analog zur Regelung im Kanton Jura – die Niedergelassenen zumindest für die Gemeindeparlamente wählbar sein sollen [15].
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Bürgerrecht
Der Ständerat stimmte der zweiten Etappe der Bürgerrechtsrevision in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung zu. Nachdem in einer ersten Etappe das Bürgerrecht von Kindern aus gemischtnationalen Ehen neu geregelt worden war, ging es nun um den Erwerb des Bürgerrechts und dabei insbesondere um die Aufhebung der automatischen Einbürgerung von Ehefrauen von Schweizern [16].
 
[12] SGT, 23.6. und 25.10.88; Appenzeller Zeitung, 13.8., 15-20.8. und 23.8.88. Siehe auch SPJ 1987, S. 20.
[13] SGT, 5.5.88; vgl. SPJ 1987, S. 20.
[14] BS: BaZ, 13.6.88. GR: BüZ, 2.12.88. SG und TG: NZZ, 20.12.88. Bern und Biel: Bund, 13.6. und 26.9.88. Vgl. auch SPJ 1987, S. 20.
[15] Zürich: Vr, 11.3. und 4.7.88; TA, 23.3.88; SPJ 1987, S. 20. Neuenburg: FAN, 14.4. und 22.7.88.
[16] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 191 ff. Siehe auch SPJ 1987, S. 20 f.