Année politique Suisse 1988 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Volksrechte
Der Vorstoss von Nationalrat Günter (ldu, BE) für die
Einführung des Finanzreferendums vermochte keine Mehrheit auf sich zu vereinigen. Mit einer parlamentarischen Initiative hatte er Bundesbeschlüsse, welche Verpflichtungskredite im Umfang von mehr als 2% des letztjährigen Bundesbudgets zur Folge haben, dem fakultativen Referendum unterstellen wollen. Eine von den Linken und Grünen unterstützte allgemeiner gehaltene Motion der Kommissionsminderheit vermochte sich ebenfalls nicht durchzusetzen. Die bürgerlichen Gegner dieser Neuerung argumentierten damit, dass die Kreditvorlagen auf Bundesebene komplexer seien als auf Kantons- und Gemeindeebene.– wo in der Regel das Finanzreferendum existiert –, und dass die Neuerung in diversen Bereichen (z.B. Entwicklungszusammenarbeit und Rüstung) eine langfristige Politik verunmöglichen würde
[35].
Die heftigen Auseinandersetzungen um die Kernenergie und insbesondere die blockierte Situation in Kaiseraugst führten zur Forderung, in diesem Bereich gewisse Kompetenzen vom Parlament auf das Volk zu übertragen. Die Motionen der Freisinnigen Steinegger (UR) und Villiger (LU), welche den Grundsatzentscheid über die
Bewilligung von Kernkraftwerken und Endlagern für radioaktive Abfälle dem fakultativen Referendum unterstellen wollten, wurden jedoch von beiden Räten nur in Postulatsform überwiesen. Die Opposition gegen die vorgeschlagene Erweiterung der Volksrechte kam sowohl von seiten der Befürworter als auch der Gegner der Kernenergie. Erstere befürchteten davon eine Verhinderung der weiteren Nutzung der Nuklearenergie, letztere argwöhnten, dass mit eidgenössischen Volksabstimmungen der Bau von Kernkraftanlagen gegen den Widerstand der betroffenen Regionen legitimiert werden könnte
[36].
Ein weiterer Vorstoss, der verlangt, dass nicht bloss Kernenergieanlagen, sondern alle grossen Bauprojekte des Bundes und wichtige Konzessionserteilungen dem fakultativen Referendum zu unterstellen seien, wurde von Nationalrat Meier (gp, ZH) in Form einer parlamentarischen Initiative eingebracht. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission sprach sich dagegen aus, eine Minderheit übernahm jedoch die Ziele der Initiative und reichte eine entsprechende Motion ein
[37].
[35] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 848 ff.; TA, 24.6.88; SPJ 1987, S. 33.
[36] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1189 ff. und 1278; Amtl.Bull. StR, 1988, S. 731 ff.; SPJ 1987, S. 33. Siehe auch unten, Teil I, 6a (Energie nucléaire).
[37] Verh. B.vers., 1988, IV, S. 20.
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