Année politique Suisse 1988 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Wahlen in kantonale Parlamente
Bei den St. Galler Grossratswahlen gelang der Autopartei im Januar der erste Wahlerfolg auf kantonaler Ebene: Sie erreichte auf Anhieb 7 Sitze und damit Fraktionsstärke, obwohl sie sich nur in 5 von 14 Bezirken beteiligte. Diese fünf Bezirke umfassen wirtschaftliche Ballungszentren mit entsprechenden Zu- und Wegpendlerströmen (oberer Zürichsee, Einzugsgebiet der N1 von Wil bis ins untere Rheintal). Damit setzte sie ihre Kräfte dort gezielt ein, wo ihr Potential genügend gross war, um trotz weitgehend fehlender Profilierung im programmatischen Bereich ein Maximum an Stimmen (teilweise gegen 10%) zu erobern. Der Erfolg der Autopartei hat nicht zuletzt auch lokal- und verkehrspolitische Gründe: Vor allem in der Stadt und Agglomeration St. Gallen waren die Verkehrspolitik in den vergangenen vier Jahren und die flankierenden verkehrslenkenden Massnahmen nach Eröffnung der Stadtautobahn 1987 ein dauernder Zankapfel. Der sehr grosse Anteil unveränderter Autopartei-Wahlzettel. und die auffällig geringen Stimmenunterschiede der einzelnen Kandidaten sind ein Indiz dafür, dass hier weniger Personen gewählt wurden, sondern eindeutig "das Auto". Am meisten Panaschierstimmen erhielt die Autopartei, deren Gewählte aus freisinnigen Kreisen stammen und teilweise immer noch FDP-Mitglieder sind, von den Freisinnigen. Es gehört deshalb zu den Überraschungen dieser Wahlen, dass die Autopartei bei ihrem Siegeszug weniger die FDP als vielmehr die CVP schröpfte. Während die Freisinnigen, die bei den Nationalratswahlen erhebliche Einbussen zu verzeichnen hatten, nun mit 2 Sitzverlusten davonkamen, musste die CVP schwer Federn lassen und 7 von bisher 88 Sitzen abgeben. Damit entfernte sie sich weiter von ihrem Ziel, die 1984 verlorene absolute Mehrheit im 180 Mitglieder zählenden Kantonsparlament wiederzuerlangen.
Verglichen mit der Autopartei war der Vormarsch der verschiedenen
grünen Gruppierungen von einem auf 5 Mandate weniger spektakulär
[5]. Zudem gingen die grünen Gewinne teilweise auf Kosten des Landesrings, der im Kanton St. Gallen zu den Grünen der ersten Stunde gerechnet werden kann. Die beiden Sitzverluste des LdU wurden allerdings dadurch wettgemacht, dass sich zwei auf Umweltlisten gewählte Grüne der LdU/EVP-Fraktion anschlossen. Eine weitere Überraschung bildete das gute Abschneiden der SP, die bei den Nationalratswahlen ebenfalls massiv Stimmen verloren hatte. Zusammen mit den in drei Bezirken erstmals mit eigenen Listen auftretenden Gewerkschaften (2 Sitze) konnte sie ihren Besitzstand von 24 Mandaten wahren. Ohne Mandate blieben die SVP und die NA
[6].
[5] Die 5 Sitze der Grünen erzielten die folgenden Gruppierungen: Grüne Liste M.U.T. St. Gallen (2 Sitze, 1984: 1 Sitz), Umweltforum See und Gaster (1 Sitz), gemeinsame Liste Grüne Rheintaler / LdU Oberrheintal (1 Sitz), Freie Umweltliste Sargans (1 Sitz); die letzten beiden Gewählten schlossen sich der LdU-Fraktion an. In weiteren vier Bezirken bewarben sich Freie Listen erfolglos. Im Juni schlossen sich verschiedene grüne Gruppen zum "Grünen Bündnis Kanton St. Gallen" zusammen (SGT, 14.6.88).
[6] SG: Wahlen vom 31.1.88: SGT, 1.2., 2.2. und 5.2.88; Presse vom 2.2.88. Wahlkampf: SGT, 2.12., 5.12. (Wahlprognose), 11.12., 16.12. und 22.12.87, 23.1.88 (Wahlempfehlung der Umweltorganisationen); AT, 20.1.88; NZZ, 26.1.88.
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