Année politique Suisse 1988 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Wahlen in grösseren Städten
Die Neubestellung des 80köpfigen Berner
Stadtparlaments führte zu einem
leichten Rechtsrutsch im Stadtrat. Gleichzeitig verlagerten sich die Kräfte auf die beiden Extreme des Parteienspektrums, indem vor allem die Autopartei und das linke Grüne Bündnis Sitzgewinne verbuchen konnten. Verlierer waren die Sozialdemokraten, deren nach wie vor grösste Fraktion von 23 auf 20 Mandate schrumpfte. Ebenfalls zu den Verlierern gehörten die POCH-Grünen, die 2 ihrer bisher 4 Sitze einbüssten, während gleichzeitig das Grüne Bündnis von einem auf 4 Sitze zulegte und damit Fraktionsstärke erreichte. Einen Sitz gewann auch die gemeinsame Liste von Jungem Bern und Freier Liste (FL, gesamtschweizerisch GPS), wobei alle 7 Gewählten dem seit Jahrzehnten in der Bundesstadt aktiven Jungen Bern angehören. Zusammen mit den weiterhin 2 Vertretern der Demokratischen Alternative (DA, gesamtschweizerisch GPS) werden die Linken und Grünen insgesamt künftig bloss noch auf 35 sichere Stimmen zählen können. Obwohl auch im rechten Lager Sitzverluste zu verzeichnen waren, errangen demgegenüber die bürgerlichen und rechten Parteien zusammen 41 von 80 Mandaten. Dabei gehörten die Autopartei, die mit 4 Vertretern auf Anhieb in Fraktionsstärke in den Stadtrat einzog, sowie die EDU mit einem und die SVP mit einem zusätzlichen Sitz zu den Wahlsiegern, während die NA und die FDP je 2 Mandate verloren. Die Einbussen bei der FDP wurden freilich durch die Wahl einer Vertreterin der Jungfreisinnigen gemildert. Der leichte Rechtsrutsch und die Polarisierung lassen sich zum Teil damit erklären, dass die Auseinandersetzungen um die autonome Hüttensiedlung Zaffaraya und die Reithalle im Zentrum des Wahlkampfs standen und den Forderungen nach Ruhe und Ordnung Auftrieb gaben. Allerdings sind im Berner Stadtrat weiterhin wechselnde Mehrheiten in Sachfragen möglich, wenn neben den LdU- und EVPAbgeordneten – beide Parteien fielen von 3 auf 2 Sitze zurück – auch einzelne Bürgerliche mit dem links-grünen Lager stimmen
[30].
Die Gemeinderatswahlen in der Stadt Bern endeten mit der Bestätigung der 1984 errungenen
bürgerlichen Mehrheit in der 7 Mitglieder zählenden Exekutive und mit einer Niederlage für die SP, deren Schuldirektorin Gret Haller nicht wiedergewählt wurde. Die linke Sozialdemokratin, die wegen ihres profilierten politischen Stils und ihres feministischen Engagements immer wieder unter Beschuss geraten war, scheiterte nicht zuletzt daran, dass sie beim traditionellen gewerkschaftlichen SP-Flügel Stimmen verlor und im Gegensatz zu ihren beiden Parteikollegen nur wenige bürgerliche Zusatzstimmen erzielte. Mit einem Wähleranteil von 28,1% sicherten sich die Sozialdemokraten zwar ihre zwei Regierungssitze, konnten aber das Mandat des zurücktretenden Heinz Bratschi, der 1984 von der SP nicht mehr nominiert und auf einer eigenen Liste gewählt worden war, nicht zurückerobern. Neu zog der Gewerkschafter Klaus Baumgauner in den Gemeinderat ein, der auf der SP-Liste Gret Haller um wenige Stimmen überrundet hatte. Das Mandat von Bratschi eroberte Joy Matter vom Jungen Bern, so dass die Stadtberner Exekutive weiterhin eine Frau und 6 Männer zählt. Zum Wahlsieg der bürgerlichen Liste "Vierer mit" aus FDP, SVP und CVP, die 51,8% der Stimmen erzielte und damit einen fünften Sitz nur knapp verfehlte, trug der Verzicht der NA und der Autopartei auf eine eigene Kandidatur bei. Demgegenüber traten die Parteien links des Bürgerblocks zersplittert mit insgesamt 9 Kandidierenden auf 4 Listen an (Listenverbindungen sind nicht gestattet). Eine Wahlallianz aller linken und grünen Kräfte mit dem Ziel, die bürgerliche Mehrheit zu brechen, war zuerst an der SP, dann am Jungen Bern gescheitert
[31].
[30] Bern: Stadtratswahlen (Legislative) vom 4.12.88: Presse vom 5.-7.12.88; Bund, 30.1.89 (Analyse von R. Burger). Wahlkampf: BZ, 27.5., 4.10. und 21.11.88; Bund, 15.8., 11.11., 14.11. und 16.11.88. Im Lauf der Legislatur 1984–1988 hatten mehrere Stadträte die Partei gewechselt (vgl. BZ, 22.11.88, Wahl-Beilage, S. 30). Zu den Auseinandersetzungen um Zaffaraya und Reithalle siehe SPJ 1987, S. 21 f.
[31] Bern: Gemeinderatswahlen (Exekutive) vom 4.12.88: Presse vom 5.-7.12.88; Bund, 28.1.89 (Analyse von R: Burger). Wahlkampf: Bund, 8.2., 17.9. und 24.11.88; BZ, 23.6., 27.8., 30.9. und 22.11.88; NZZ, 8.9.88; Ww, 10.11.88; TA, 30.1 1.88. Diskussionen um eine gemeinsame rot-grüne Liste: TW, 8.1., 3.2. und 21.11.88; Bund, 11.2., 17.3. und 21.4.88; BZ, 21.4., 26.8. und 30.8.88. Verteilung der Departemente: BZ, 13.1.89.
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