Année politique Suisse 1988 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Konjunkturpolitik
Die anhaltend gute Wirtschaftslage bot den Behörden auch 1988 keinen Anlass, von der in den letzten Jahren verfolgten konjunkturpolitischen Linie abzuweichen. Im Anschluss an den Börsenkrach und den Dollarsturz im Herbst 1987 hatte zwar die Nationalbank eine
etwas expansivere Geldmengenpolitik betrieben, an der sie auch noch zu Beginn des Berichtsjahres festhielt. Bereits im Frühjahr konnte sie dann wieder auf eine restriktivere Gangart umschalten. Mit einer Veränderung der bereinigten Notenbankgeldmenge um -3,9% wurde das anfangs Jahr genannte Geldmengenwachstumsziel von 3,0% deutlich unterboten. Dieser Grösse kommt 1988 allerdings nur beschränkte Aussagekraft zu, da ihre Entwicklung durch die Einführung von neuen Liquiditätsvorschriften und den Ausbau des Interbank-Zahlungssystems nachhaltig beeinflusst worden ist. Die Geldmengen M1, M2 und M3 stiegen um 14,5%, 7,9% resp. 9,8% an
[11].
Der gute Geschäftsgang in praktisch allen Branchen erlaubt es den Unternehmern, Rückstellungen für schlechtere Zeiten zu machen. Mit dem vom Bundesrat auf den 9. August in Kraft gesetzten Bundesgesetz über die Bildung steuerbegünstigter Arbeitsbeschaffungsreserven sind die Bedingungen dafür wesentlich attraktiver geworden
[12].
Da zur Zeit überhaupt kein Bedarf an Konjunkturstützungsmassnahmen besteht, erstaunt es nicht, dass der Ständerat oppositionslos eine Motion Lauber (cvp, VS) überwies, welche verlangt, dass das Bundesgesetz über die Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung zu einem eigentlichen Stabilitätsgesetz ausgebaut wird. Darin soll der Hauptakzent nicht mehr auf die strukturerhaltenden Stützungsmassnahmen gelegt werden, sondern die Förderung der Anpassung an den Strukturwandel im Vordergrund stehen. Daneben soll das revidierte Gesetz auch Instrumente zur Konjunkturdämpfung enthalten
[13].
Nach der Einschätzung der Gewerkschaft Bau und Holz (GBH) war die Lage im Baugewerbe bereits derart überhitzt, dass sie von den Behörden ähnliche Dämpfungsmassnahmen wie anfangs der 70er Jahre, dass heisst Abbruchverbote und die Zurückstellung öffentlicher Bauvorhaben, verlangte. Das Bundesamt für Konjunkturfragen lehnte derartige Sonderinterventionen in der Baubranche ab, da gesamtwirtschaftlich gesehen noch keine Uberhitzung festzustellen sei und zudem die Geldmengenpolitik das effizientere Mittel zur Konjunktursteuerung darstelle als die geforderten Eingriffe. Der Baumeisterverband bezeichnete die Befürchtungen und Forderungen der GBH als "völlig deplaciert"
[14].
[11] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 28 ff. Vgl. unten, Teil I, 4b (Geld- und Währungspolitik).
[12] AS, 1988, S. 1420 ff. und 1428 ff. (Verordnung). Vgl. auch SGT, 18.10.88 und SNZ, 17.11.88. Zum Beschluss.über das Gesetz siehe SPJ 1985, S. 62.
[13] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 738 f.
[14] TA, 25.10.88. Zu den Konjunkturdämpfungsmassnahmen von 1971/72 siehe SPJ 1971, S. 69 f. und 1972, S. 61 f.
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