Année politique Suisse 1988 : Wirtschaft / Landwirtschaft / Agrarpolitik
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Internationale Landwirtschaftspolitik
In seinem Bericht über die Stellung der Schweiz im europäischen Integrationsprozess ging der Bundesrat auch auf die Landwirtschaft ein und wies darauf hin, dass die EG den Binnenmarkt im Agrarsektor bereits weitgehend realisiert habe und deshalb für das Jahr 1992 keine direkten Auswirkungen auf die Schweiz mehr zu erwarten seien. Trotzdem äusserte er die Meinung, dass künftig in der Preis- und Handelspolitik sowie beim Erlass von Normen Massnahmen zu unterlassen seien, die die Schweiz noch stärker von der EG abschotten würden. Ein allfälliger Beitritt zur EG hätte dagegen weitreichende Konsequenzen für die schweizerische Landwirtschaft, müssten doch die derzeit zwischen 50 und 150% über den europäischen Werten liegenden Produzentenpreise entsprechend massiv gesenkt werden. Dies würde nach Ansicht des Bundesrates nicht nur zu günstigeren Konsumentenpreisen, sondern auch zu einer Schrumpfung des einheimischen Agrarsektors und zu einer Konzentration in grossen, rationell arbeitenden Talbetrieben führen. Andere als agrarische Ziele — namentlich vorsorgepolitische, ökologische und regionalpolitische — könnten wahrscheinlich zumindest teilweise weiterhin mit Hilfe von Direktzahlungen verfolgt werden, und zwar vor allem im Berggebiet [1].
Da die internationale Agrarpolitik auf eine globale Arbeitsteilung und Spezialisierung in der Produktion und auf einen allgemeinen Subventionsabbau hin tendiert, steht die Schweiz in dieser Beziehung zunehmend isoliert da. Nach Ansicht von Bundesrat Delamuraz rechtfertigen der geringe Selbstversorgungsgrad und die spezifischen strukturellen Bedingungen einen höheren Protektionsgrad. Um die nichtökonomischen Aspekte der schweizerischen Landwirtschaftspolitik im Hinblick auf eine Bestandesaufnahme zur Halbzeit der 1986 lancierten "Uruguay-Runde" des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) zu verdeutlichen, reiste der Vorsteher des Volkswirtschafts-Departements nach Australien, Neuseeland und Argentinien und setzte sich dafür ein, dass die Landwirtschaft bei den Verhandlungen als Ausnahmebereich behandelt werde [2].
Anfang Dezember fand schliesslich in Montreal die GATT-Konferenz statt, bei der im Bereich der Agrarpolitik die Diskussion von drei Themenkomplexen geplant war: Kurzfristige Massnahmen, mit denen der Liberalisierungswille dokumentiert werden könnte, das Ausarbeiten einer langfristigen Agrarhandelspolitik und das Finden einer akzeptablen Messgrösse zum Vergleich der nationalen Landwirtschaften und deren Protektionsgrad. Das Vorhaben scheiterte jedoch vor allem an der unnachgiebigen Haltung der USA mit ihrer Forderung nach einem Abbau der Agrarsubventionen der EG. Gemäss Staatssekretär F. Blankart besteht für die Schweiz aber kein Anlass, sich über die Blockierung der Agrarverhandlungen zu freuen, müsse doch die Schweiz als Importeurin, Exporteurin und Verarbeiterin von Landwirtschaftsprodukten an einer weltweiten Regelung des Agrarhandels interessiert sein. In anderen Zusammenhängen wurde auch mehrmals die Befürchtung geäussert, dass die Forderung nach einem Abbau der Agrarsubventionen vom Ausland als Druckmittel hinsichtlich des Handels mit Industrieprodukten verwendet werden könnte. Bundesrat Delamuraz sprach sich klar dafür aus, dass die schweizerische Landwirtschaftspolitik revidiert werden müsse, falls sich daraus Wettbewerbsnachteile im industriellen Sektor ergeben sollten [3].
 
[1] BBl, 1988, III, S. 359 ff. (Bericht des BR); dazu SZ, 14.9.88. Die Argumente des BR sind ausführlicher dargelegt von R. Horber (Bundesamt für Landwirtschaft) in Die Volkswirtschaft, 61/1988, Nr. 9, S. 12 ff. Der NR überwies ein Postulat der Grünen Fraktion, das eine genauere Untersuchung verlangt (Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1483).
[2] BZ, 21.7.88; BaZ, 26.7.88; AT, 27.7.88; SGT, 11.8.88. Vgl. auch Stellungnahme des US-Botschafters zur Liberalisierung der Landwirtschaft: MG, 28.8.88 und BaZ, 3.9.88. Allgemeines zu den Agrarverhandlungen des GATT: NZZ, 9.6. und 23.11.88; Ww, 16.6. und 24.11.88; Suisse, 28.11.88; Bund, 2.12.88; SGT, 3.12.88 und oben, Teil I, 2 (Institutions mondiales). Zum Agrarprotektionismus der Schweiz vgl. Politik und Wirtschaft, 3/1988, Nr. 4, S. 28 ff.
[3] Presse vom 10.12.88. Blankart: NZZ, 14.12.88; vgl. auch SHZ, 15.12.88. Delamuraz: SHZ, 19.5.88; Bund, 5.10.88; vgl. auch die Ausführungen des GATT-Direktors A. Dunkel über die Konsequenzen der internationalen Entwicklungen für die Schweiz in JdG, 11.2.88.