Année politique Suisse 1988 : Wirtschaft / Landwirtschaft / Agrarpolitik
Die im vergangenen Jahr vom Schweizerischen Bauernverband (SBV) erstmals angezeigte Öffnung gegenüber
Direktzahlungen wurde dieses Jahr präzisiert. So betonte der SBV erneut seine strikte Ablehnung von generellen Direktzahlungen und verlangte, dass Ausgleichszahlungen – mit Ausnahme der Kinder- und Familienzulagen – an spezifische Leistungen für die Allgemeinheit geknüpft werden. Er nannte folgende Bereiche: Den Ausgleich von erschwerten Produktionsbedingungen ausserhalb der Talzone; die Förderung der Tierproduktion in kleinen und mittleren Betrieben; Umstellbeiträge für die Reduktion des Tierbestandes auf den vom Gewässerschutzgesetz geforderten Maximalwert; Abgeltung des Ertragsausfalls bei einer Umstellung auf integrierten oder biologischen Landbau oder zu extensiveren Bewirtschaftungsformen; Abgeltungen für die Schaffung von Biotopen und ökologischen Ausgleichsflächen und für deren Unterhalt. Mit dieser Aufzählung hat der SBV nach Ansicht von Kritikern allerdings den politisch heiklen Bereich der Direktzahlungen zum Zwecke der Produktionslenkung – zum Beispiel Stillegungsbeiträge für Brotgetreideproduzenten – umgangen
[4].
Daneben betonte jedoch auch der Direktor des SBV, M. Ehrler, dass die Landwirtschaftspolitik nicht überkommene Strukturen erhalten dürfe und deshalb Strukturerhaltungsmassnahmen nicht weiter ausgebaut werden sollten. Er forderte die Bauern auf, eine offensivere Haltung einzunehmen und zum Beispiel die Produktequalität zu fördern, eine Verbesserung der Vermarktungsorganisation anzustreben und in Zukunft auch
Verdienstmöglichkeiten ausserhalb der Nahrungsmittelproduktion zu suchen. Unter letzteres fiele nicht nur der für viele Betriebe durchaus traditionelle Nebenerwerb durch abhängige Lohnarbeit, sondern auch Aufgaben im Bereich der Umweltpflege oder dem wachsenden Freizeitmarkt, etwa Ferienangebote auf dem Bauernhof. Der Nationalrat überwies zwei Postulate, die vom Bund die Unterstützung für die Einrichtung von touristischen Unterkünften in Landwirtschaftsbetrieben fordern
[5].
Das Erreichen des
Paritätslohns, ein hoher Selbstversorgungsgrad sowie der Erhalt des Kulturlandes sind weiterhin die prioritären Ziele, die der neue Präsident des Bauernverbandes, der Freiburger CVP-Nationalrat Jean Savary, für die Verbandspolitik nannte, und er bekannte sich damit zur Weiterführung der Politik seines Vorgängers Peter Gerber (svp, BE). Zu ähnlichen Vorstellungen gelangte auch eine Westschweizer Expertengruppe, die in einem Bericht die Agrarpolitik des Bundes aus der Sicht der Romandie darstellte. Angesichts der Verstärkung der Tierproduktion in der Deutschschweiz forderten die Fachleute zudem eine Umverteilung zugunsten der extensiven Betriebe in ihrer Region; sie möchten auch daran festhalten, dass der Paritätslohn hauptsächlich über die Preise sichergestellt wird
[6].
[4] Vat., 29.4.88; Presse vom 22.7.88; SHZ, 18.8.88. Ein vom NR überwiesenes Postulat verlangt die Beschränkung der Direktzahlungen auf kleine und mittlere Betriebe und ausschliesslich zur Verbesserung von deren Wettbewerbsfähigkeit (Amtl. Bull. NR, 1988, S. 894 f.). Siehe auch unten, Einkommenssicherung.
[5] Die Volkswirtschaft, 61/1988, Nr. 3, S. 6 ff.; TA, 13.10.88. Postulat Savary (cvp, FR): Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1486; Motion Schnider (cvp, LU): Amtl. Bull. NR, 1988, S. 889 f. (als Postulat überwiesen). Vgl. auch oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
[6] Ablösung im Präsidium des SBV: Bund, 15.11.88; BZ, 16.11.88; NZZ, 8.12.88 sowie unten, Teil IIlb (Landwirtschaft). Expertenbericht: NZZ und 24 Heures, 30.8.88.
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