Année politique Suisse 1988 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Einnahmenordnung
Der Nationalrat setzte in der Frühjahrssession die Beratungen des Bundesgesetzes über direkte Steuern (DBG) fort. In der zentralen Frage des Übergangs zur einjährigen Gegenwartsbesteuerung folgte er dabei dem Antrag des Bundesrates und der vorberatenden Kommission und befürwortete mit 102:91 Stimmen den Systemwechsel. Ausschlaggebend für diesen Entscheid war nicht nur die Einsicht, dass die jährliche Steuerveranlagung dem Konjunkturverlauf schneller Rechnung trägt und auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Kraft der Steuerpflichtigen besser Rücksicht nimmt, sondern auch die Überlegung, dass die in einer mobilen Gesellschaft bei der zweijährigen Vergangenheitsbesteuerung häufigen Zwischenveranlagungen weniger oft nötig wären. Mit diesem Entscheid schuf die Volkskammer allerdings eine Differenz zur Ständekammer, die aus Rücksicht auf die in den meisten Kantonen praktizierte zweijährige Veranlagung auch bei der Bundessteuer bei diesem System bleiben wollte.
Im weitern übernahm der Nationalrat das im Vorjahr beschlossene
Sofortprogramm zur steuerlichen Entlastung von Ehepaaren und Familien ins DBG und unterstellte zusätzlich auch Alleinerziehende den Vergünstigungen für Verheiratete. Profitieren werden davon vor allem die oberen Einkommensklassen. Zu kontroversen Diskussionen bot auch die Besteuerung juristischer Personen Anlass. Während der Ständerat die Gewinnsteuer von Aktiengesellschaften je nach der Höhe des Eigenkapitals in einem Dreistufentarif regeln wollte, schlug die Nationalratskommission einen Zweistufentarif vor. Der Nationalrat folgte jedoch dem Antrag des Bundesrates, der eine generelle Besteuerung von 8% des Gewinns vorschlug. Dieses System, das sich nicht an der Rendite, sondern nur am Ertrag orientiert, bevorzugt gegenüber dem andern arbeitsintensive Gesellschaften mit kleinem Kapital, während kapitalintensive Unternehmen mit kleiner Rendite höher belastet werden. Um die Doppelbesteuerung von Unternehmen und Aktionär zu lindern, befürwortete der Nationalrat zusätzlich den Abzug einer Normaldividende von höchstens 2% des steuerbaren Eigenkapitals. Diese Massnahmen brächten dem Bund allerdings geschätzte 660 Mio Fr. an jährlichen Mindereinnahmen
[5].
Obwohl Finanzminister Stich damit drohte, ein Gesetz, das die zweijährige Vergangenheitsbemessung vorschreibe, dem Volk nie zur Annahme zu empfehlen, schloss sich der Ständerat nicht dem Beschluss des Nationalrates an und beharrte aus den genannten Gründen mit 26:14 Stimmen auf der Differenz. Ebenfalls nicht einlenken mochte er auch bei der Behandlung der Alleinerziehenden, denen er die Vergünstigung des Familientarifs nicht zugestehen wollte und für die er wie bisher den Alleinstehenden-Tarif anwenden möchte. Und schliesslich zieht der Ständerat bei der Besteuerung der Aktiengesellschaften weiterhin die Rendite als Bemessensgrundlage vor, entschied sich deshalb für den Dreistufentarif und verzichtete dafür auf den Abzug einer Normaldividende
[6].
[5] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 13 ff.; Presse vom 2.3. und 3.3.88. Der BR lehnte die Volksinitiative der FDP "für ehe- und familienfreundlichere Bundessteuern" ab, da die darin enthaltenen Anliegen im revidierten DBG bereits berücksichtigt seien. Die FDP wollte mit einem Rückzug der Initiative trotzdem noch zuwarten (BBl, 1989, I, S. 95 ff.; Presse vom 6.12.88). Vgl. auch SPJ 1987, S. 124 f.
[6] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 809 ff.; Presse vom 7.12. und 8.12.88. Vgl. auch Lit. zu den direkten Steuern sowie SPJ 1987, S. 124 f.
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