Année politique Suisse 1988 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation / Strassenverkehr
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Tempolimiten
Der Bundesrat lehnte den von der Zürcher Regierung beantragten Versuch mit Tempo 80 auf der Nationalstrassenumfahrung Winterthur zur Verminderung der Luftbelastung ab. Er begründete seinen Entscheid damit, dass die 1985 aus umweltpolitischen Gründen eingeführten Tempolimiten 80/120 auf Haupt- und Nationalstrassen bis Ende 1989 verlängert worden seien, um ihre Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen und die Umwelt abzuklären, und es vor Ende der Testperiode keine Ausnahmen gebe [31]. Im August wurden die Resultate dieser Studien veröffentlicht. Danach wirkte sich Tempo 80/120 positiv auf den Schadstoffausstoss, den Treibstoffverbrauch, die Lärmbelastung und die Verkehrssicherheit aus. Die Stickoxidemissionen, die beim Strassenverkehr im Vordergrund stehen, verminderten sich in den Jahren 1985 bis 1987 wegen der Temporeduktion um gut 3%. Allerdings hätte bei einer konsequenteren Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeiten insgesamt ein Rückgang um über das Doppelte erreicht werden können. Die mangelhafte Durchsetzung der Tempovorschriften wurde denn auch einmal mehr heftig kritisiert [32].
Wie der Ständerat im Vorjahr empfahl auch die Volkskammer die Initiative "Pro Tempo 130/100" Volk und Ständen zur Ablehnung (mit 123:23 Stimmen). Sowohl ein Rückweisungsantrag Gros (lp, GE), der die Kompetenz zur Festsetzung der Höchstgeschwindigkeiten vom Bundesrat auf das Parlament übertragen wollte, als auch ein von den Liberalen unterstützter Antrag Scherrer (ap, BE), das Volksbegehren zur Annahme zu empfehlen, wurden mit grosser Mehrheit abgelehnt. Neben den Linken und Grünen sprachen sich auch die Fraktionen der FDP, der CVP und der SVP klar gegen die Initiative aus, da Geschwindigkeitslimiten nicht in die Verfassung gehörten. Allerdings forderten die FDP und die SVP den Bundesrat mit aller Deutlichkeit auf, die Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen wieder auf 130 Stundenkilometer zu erhöhen und ausserorts Tempo "80 plus" zu verfügen (d.h. generell 80 km/h mit der Möglichkeit, die Limiten auf 100 km/h zu erhöhen, wenn entsprechend ausgebaute Strassen ein höheres Tempo erlauben) [33].
Dieser Kompromissvorschlag wurde von den Strassenverkehrsverbänden FRS und ACS unterstützt, die ausserdem signalisierten, dass sie auf eine aktive Beteiligung am Abstimmungskampf verzichten könnten, falls die Landesregierung auf diese Alternative eintrete. Der Bundesrat seinerseits nahm in der Frage der Höchstgeschwindigkeiten auf den Autobahnen und Hauptstrassen eine abwartende Haltung ein. Er verschob den auf Ende des Berichtsjahres in Aussicht gestellten Entscheid über das ab 1990 geltende Temporegime auf den Autobahnen und Hauptstrassen, da zuerst die Elektrowatt-Studie für zusätzliche Massnahmen zur Reduktion der Luftverschmutzung ausgewertet werden müsse. Damit handelte sich die Landesregierung den Vorwurf der Verzögerungstaktik ein [34].
 
[31] Ww, 5.5.88; NZZ und TA, 13.5.88; vgl. Amtl. Bull. NR, 1988, S. 635 f.
[32] Presse vom 17.8.88; Vat., 28.12.88; VCS-Zeitung, 1988, Nr. 5, S. 24; vgl. Lit. BUS.
[33] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1352 ff. und 1528; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 744; BBl, 1988, III, S. 762; NZZ, 26.2., 20.8. und 26.8.88; BZ und Suisse, 29.9.88; SGT, 30.9.88; Presse vom 5.10.88; vgl. SPJ 1987, S. 144.
[34] NZZ, 20.8. (ACS) und 22.12.88 (BR); Ww, 8.9.88; Schweizerischer Strassenverkehrsverband, FRS 88, Bern 1989, S. 23.