Année politique Suisse 1988 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Bodenrecht
Sechs Wochen vor der Abstimmung über die "Stadt-Land-Initiative" verabschiedete der Bundesrat als indirekten Gegenentwurf die
Bundesgesetze über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) sowie über die
Teilrevisionen des ZGB (Immobiliarsachenrecht) und des OR (Grundstückkauf). Das BGBB regelt den Rechtsverkehr mit landwirtschaftlichem Boden, hat Gültigkeit für Grundstücke und Gewerbe in der Landwirtschaftszone und fasst Bestimmungen von fünf verschiedenen Gesetzen neu in einem Erlass zusammen. Im Zentrum der Zielsetzungen stehen die Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe und die Erleichterung des Erwerbs von landwirtschaftlichen Gewerben durch den Selbstbewirtschafter zu tragbaren Bedingungen. Vorgesehen sind dazu ein erweitertes Vorkaufsrecht für Familienangehörige bei jeder Veräusserung, wobei der Selbstbewirtschafter das Gewerbe zu Vorzugsbedingungen – Zuweisung oder Kaufsrecht zum Ertragswert – übernehmen kann. Das Vorkaufsrecht soll auch den Pächtern zustehen, jedoch ohne Vorzugspreis und ohne die Möglichkeit einer Anfechtung eines übersetzten Verkaufspreises. Bei Verkäufen ausserhalb der Familien soll anstelle des ursprünglich vorgesehenen Bewilligungsverfahrens die bisher in 17 Kantonen bestehende Einsprachemöglichkeit, namentlich der Behörden, generell eingeführt werden, allerdings mit einer engen Fassung des Kreises der Einspracheberechtigten, ohne Verbandsbeschwerde und ohne Publikationspflicht der Handänderungen. Der Erwerb landwirtschaftlichen Bodens wäre dann unzulässig, wenn dabei übersetzte Preise verlangt würden, wenn er überwiegend der Kapitalanlage oder der Spekulation diente und wenn daraus eine übermässige Konzentration von landwirtschaftlichem Grundbesitz resultieren würde. Ein Kaufpreis gälte als übersetzt, wenn er über dem Durchschnitt der innerhalb der letzten fünf Jahre in der gleichen Gegend bezahlten Summen läge. Damit soll die Nachfrage nach landwirtschaftlichem Land eingeschränkt, der spekulative Wiederverkauf verhindert und eine Beruhigung des Bodenmarktes erreicht werden, weshalb auf die Einführung von Höchstpreisvorschriften verzichtet wurde. Als flankierende Massnahmen untersagt der Entwurf zudem die freiwillige Versteigerung landwirtschaftlichen Bodens. Im weitern soll die Zerstückelung von Grundstücken unter ein bestimmtes Mass und die Realteilung von landwirtschaftlichen Gewerben bei Veräusserung und Erbteilung untersagt werden. Die Neudefinition eines landwirtschaftlichen Gewerbes umfasst Haupterwerbsbetriebe der landwirtschaftlichen Produktion und des produzierenden Gartenbaus. Die Kantone hätten die Kompetenz, auch Nebenerwerbsbetriebe den Bestimmungen zu unterstellen
[15].
Der Entwurf für ein neues BGBB vermochte nur wenige zu überzeugen und wurde als ungenügende Alternative zur "Stadt-Land-Initiative" eingeschätzt. Während die FDP voll dahinter stand, zeigten sich die übrigen Bundesratsparteien unbefriedigt und der Schweizerische Bauernverband erachtete die Erwartungen der Landwirtschaft als nicht erfüllt. Er verabschiedete seinerseits bodenpolitische Grundsätze als Alternative zur "Stadt-Land-Initiative"
[16].
[15] Resultate des Vernehmlassungsverfahrens: Presse vom 5.7.88; Ww, 28, 14.7.88; vgl. SPJ 1987, S. 159 f. Entwurf: BBl, 1988, III, S. 953 ff.
[16] NZZ, 3.10.88; Presse vom 20.10.88; R. Friedrich, "Wirksames neues bäuerliches Bodenrecht", in NZZ, 21.11.88. Bauernverband: NZZ, 13.10., 17.10. und 20.10.88.
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