Année politique Suisse 1988 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Mietwesen
print
Revision des Miet- und Pachtrechts
Die Revision des achten Titels des Obligationenrechts über das Miet- und Pachtrecht trat 1988 in die parlamentarische Phase. Grundlage dazu bot der vom Volk im Dezember 1986 als Gegenvorschlag zu einer zurückgezogenen Volksinitiative gutgeheissene Verfassungsartikel 34septies und im besonderen die Vorlage des Bundesrats aus dem Jahre 1985. Der eher vage Verfassungsartikel lässt dem Gesetzgeber etlichen Spielraum für dessen Ausführung; die Kommentare auf die Kommissions- und Plenumsberatungen des Ständerats konstatierten allgemein eine vermieterfreundliche Tendenz, welche in erster Linie die Vertragsfreiheit in den Vordergrund rücke. Der Schweizerische Mieterverband hält das zentrale Versprechen eines wirksamen Kündigungsschutzes für nicht erfüllt und betrachtet die vorgeschlagene Lösung sogar als Rückschritt hinter die geltende Regelung. Die Ständeratsversion entspreche deshalb dem Verfassungsauftrag nicht mehr. Die Vorlage des Bundesrates wurde im Plenum nur von den Vertretern der SP und des LdU sowie von vereinzelten Bürgerlichen verteidigt. Darüber hinausgehende Begehren wurden kaum gestellt.
Von den Anträgen des Bundesrates passierten die Kommissions- und Plenumsverhandlungen unverändert: die Einschränkung des Verbots der Untermiete auf diejenigen Fälle, in denen dem Vermieter wesentliche Nachteile erwachsen; die Nennung nur noch eines zumutbaren Ersatzmieters im Falle eines vorzeitigen Auszugs; die Verlängerung der maximalen Erstreckung eines Mietverhältnisses von drei auf vier und bei Geschäftsräumen von fünf auf sechs Jahre; die Anfechtbarkeit der gegen Treu und Glauben verstossenden Kündigung, welche während eines hängigen Verfahrens oder vor Ablauf einer von zwei auf drei Jahre erweiterten Frist nach einem für den Vermieter negativen Entscheid nicht zulässig ist; die Einsetzung von kantonalen, regionalen und kommunalen Schlichtungsstellen, welche dem ordentlichen Richter vorgeschaltet sind, sowie die Grundsatzdefinition des missbräuchlichen Mietzinses, welcher dann gegeben ist, wenn ein übersetzter Ertrag aus dem Mietverhältnis erzielt wird oder wenn er auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruht. Entgegen anderer Auffassung seiner Kommission hielt die kleine Kammer bei der Kündigung mittels eines amtlich genehmigten Formulars mit aufgedruckter Rechtsmittelbelehrung des Mieters an der Version gemäss Botschaft fest.
Hinter die Vorschläge der Landesregierung zurück ging der Ständerat: beim Verzicht von Vermieter und Mieter auf eine Verrechnung von Forderungen und Schulden aus dem Mietverhältnis; beim Recht des Mieters auf Hinterlegung des Mietzinses im Sinne eines Druckmittels zur Beseitigung von Mängeln; bei der Anfechtbarkeit von missbräuchlichen Anfangsmietzinsen, welche nur bei persönlicher und familiärer Notlage, Wohnungsnot und nichtdefinierten erheblichen Mietzinserhöhungen bei Mieterwechsel ohne entsprechende Aufwertung des Mietobjekts, aber generell auf Grundlage einer Auskunftspflicht.des Vermieters über die Höhe des Mietzinses im vorangegangenen Mietverhältnis möglich ist, sowie bei der Wiederaufnahme des Retensionsrechts bei Geschäftsräumen. Neu aufgenommen wurde die Bestimmung, wonach die Nichtigkeit einer Kündigung innerhalb der Sperrfrist bei dringendem Eigenbedarf des Vermieters, seiner nahen Verwandten und Verschwägerten nicht gegeben ist. In der Gesamtabstimmung im Ständerat wurde diese Version mit 29 zu 4 Stimmen bei Enthaltung der SP-Mitglieder angenommen [25].
Auch die Kommission des Nationalrates befasste sich in erster Lesung mit dieser Materie und hielt in der Regel an den bundesrätlichen Vorschlägen fest oder ging sogar darüber hinaus, ohne jedoch die erneute Enttäuschung des Mieterverbandes verhindern zu können. Dieser hatte bereits zu Jahresbeginn gefordert, dass das Kriterium des Orts- oder quartierüblichen Mietzinses als Grund für Mieterhöhungen abgeschafft wird, was vom Schweizerischen Hauseigentümerverband als völlig unhaltbar zurückgewiesen wurde [26].
Zur Revision des Miet- und Pachtrechts gehört auch die Überführung des bis längstens 1992 verlängerten Bundesbeschlusses über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (BMM), welcher seit 1987 für die ganze Schweiz Gültigkeit hat, ins ordentliche Recht. Entgegen dem Antrag des Bundesrates auf Schaffung eines Spezialgesetzes entschieden sich sowohl der Ständerat als auch die Nationalratskommission für die Integration des BMM ins Obligationenrecht [27].
 
[25] Kommission StR: NZZ, 27.1., 30.3. und 6.6.88; BaZ, 27.1. und 6.6.88; TA, 12.2. und 7.6.88; Bund, JdG und TW, 30.3.88; 24 Heures, 27.5.88. Verhandlungen StR: Amtl. Bull. StR, 1988, S. 137 ff.; Presse vom 8.6. und 9.6.88; vgl. SPJ 1987, S. 162.
[26] Kommission NR: BaZ, 2.11.88; BZ, JdG und NZZ, 4.11.88. Mieterverband: Presse vom 20.1.88; NZZ, 22.1.88.
[27] Amtl. Butt. StR, 1988, S. 137 ff. und 185; NZZ, 4.1 1.88.