Année politique Suisse 1988 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt / Abfälle
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Sondermüll
Zwar erlaubt die 1987 in Kraft getretene Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen (VVS) das lückenlose Erfassen und die Kontrolle des in der Schweiz anfallenden Sondermülls, doch fehlen die in der TVA vorgesehenen Anlagen zur umweltgerechten Entsorgung noch weitgehend. Eine Statistik des BUS über die Ausfuhr von Sondermüll ergab, dass 1988 rund ein Drittel dieser Abfälle exportiert wurde. Gegenüber dem Vorjahr war zudem eine markante Zunahme der Exporte von 67 600 auf 110 000 Tonnen (+62%) zu verzeichnen, wobei diese zu über 95% in Mitgliedstaaten der EG gelangten [45]. Obwohl das BUS keine Sondermüllausfuhr in Länder der Dritten Welt gestattete, waren auch Schweizer Firmen in entsprechende Skandale verwickelt [46]. Um zu verhindern, dass Entwicklungsländer zum Giftmüllkübel der Industriestaaten werden, wurde auf Initiative der Schweiz eine UNO-Konvention zur internationalen Kontrolle des Transports gefährlicher Abfälle vorangetrieben [47].
Erklärte Absicht der Bundesbehörden ist es, die Abfälle in Zukunft primär in der Schweiz zu entsorgen. Nur so lassen sich Anforderungen an eine umweltgerechte Behandlung und eine lückenlose Kontrolle durchsetzen und die Auslandabhängigkeit abbauen. Zudem werden die verschärften Restriktionen bei der Entgegennahme von Sondermüll zur Verbrennung auf hoher See — diese Art der Abfallbeseitigung soll 1994 eingestellt werden — kurzfristig zu empfindlichen Kapazitätsengpässen in der Schweiz führen [48]. Ein Konzept über Bedarf und Standorte von Anlagen zur Behandlung von Sonderabfällen liegt vor. Projekte für die dringend benötigten Verbrennungsanlagen und Deponien werden von der Bevölkerung jedoch überall bekämpft, und die Gespräche von Bund und Kantonen über die Realisierung entsprechender Anlagen brachten bisher keine Lösung [49]. Unter dem Druck des sich zuspitzenden Entsorgungsnotstands überwiesen beide Kammern des Parlaments diskussionslos eine Motion von Nationalrat Büttiker (fdp, SO), die den Bundesrat beauftragt, unverzüglich die gesetzlichen Grundlagen für die Sicherstellung des Betriebes von Hochtemperatur-Verbrennungsanlagen für Sonderabfälle zu schaffen. Durch eine Revision des USG müsse der Bund die Kompetenz erhalten, die Benutzungspflicht für Anlagen im Inland einzuführen und den einzelnen, regional verteilten Anlagen Einzugsgebiete zuzuweisen (Abgabe- und Annahmepflicht für Sonderabfälle) [50].
 
[45] BUS-Bulletin, 1988, Nr. 1, S. 10 ff. und 1989, Nr. 2, S. 8 ff. Siehe auch SPJ 1986, S. 146 und 1987, S. 176.
[46] Presse vom 13.5., 27.5. und 31.5.88; BZ, 21.6.88; TA, 14.7. und 23.11.88; SHZ, 28.7.88; SZ, 26.11.88; vgl. Amtl. Bull. NR, 1988, S. 634.
[47] 24 Heures, 2.2.88; BaZ, 22.7., 18.8. und 8.11.88; Suisse, 14.11. und 16.11.88; VO, 24.11.88; BUS-Bulletin, 1988, Nr. 3, S. 40 f.
[48] Zur Hochseeverbrennung siehe NZZ, 30.4. und 8.10.88; Presse vom 28.12.88; BUS-Bulletin, 1988, Nr. 4, S. 7 ff.
[49] Konzept: Presse vom 6.4.88; SHZ, 14.4.88; WoZ, 15.4.88; vgl. Lit. BUS. Widerstand: SZ, 6.2.88; BZ, 11.3. und 24.8.88; TA, 12.3.88; Ww, 7.4.88; Bund, 24.6.88. Gespräche: NZZ, 19.3. und 29.10.88; Presse vom 8.12.88; Ww, 15.12.88.
[50] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 884 f.; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 755 f.; BaZ, 19.5.88; JdG, 3.6.88; NZZ, 30.11.88; vgl. BZ, 27.2.88.