Année politique Suisse 1988 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kirchen
Die
Stellung der Frau in der Kirche war insbesondere bei den Katholiken ein polarisierendes Thema. Während sich die traditionalistische Kirchenleitung für eine Ausgrenzung der Laien von allen priesterlichen Funktionen einsetzt, ist die Kirchenbasis eher in Sorge um den akuten Priestermangel und sucht deshalb auch die Laien in den kirchlichen Dienst zu integrieren. Die Katholische Synode des Kantons Aargau empfahl gegen den Priestermangel sogar die Aufhebung des Zölibats für Priester und die Zulassung der Frauen zur Diakonenweihe, welche bestimmte liturgische Aufgaben zu übernehmen erlaubt. Der Schweizerische Katholische Frauenbund sammelte 11 000 Unterschriften unter einen Brief an den Papst, der die Enttäuschung der Frauen über den für sie nachteiligen Ausgang der Bischofssynode des vergangenen Jahres ausdrückte. Der Papst wandte sich in einem Apostolischen Schreiben zwar gegen die Diskriminierung der Frauen, sprach sich jedoch erneut gegen deren Zulassung zum Priesteramt aus. Die Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes entschied sich hingegen, bei künftigen Wahlen zur besseren Integration der Frauen und der Jugend eine Frauenquote von 50% und eine Jugendlichenquote von 20% in allen ihren Gremien einzuhalten
[29].
Fragen der
Sexualmoral und speziell des kirchlichen Umgangs mit der Homosexualität wurden mit wenig Sinn für Kompromisse angegangen. Die Schweizerische Bischofskonferenz entliess den kirchlichen Medienbeauftragten P. Jeannerat unter anderem wegen dessen Beteiligung an einer Fernsehsendung über die Homosexualität, und die Delegiertenversammlung der katholischen Kirchgemeinde Zürich kürzte der renommierten Paulus-Akademie das Budget, da diese Tagungen zum selben Thema durchgeführt hatte. Das Thema der Sexualität berührte auch die Verfilmung eines älteren griechischen Romans, in welchem Jesus zu seiner Todesstunde von einem bürgerlichen Leben halluziniert. Der Film "Die letzte Versuchung Christi" von M. Scorsese stellt dar, dass der erträumten mehrfachen Vaterschaft Sexualkontakte vorausgegangen wären, eine Vorstellung, die als Sakrileg empfunden wurde und zu Demonstrationen vor Kinos und zu einer Interpellation im Ständerat führte. Im Kanton Wallis wurde die Aufführung des Films untersagt
[30].
[29] Aargauer Synode: AT, 3.1 1.88. SKF: Bund, 2.2.88; TA und Vat., 30.3.88. Papst: Vat., 1.10.88; Ww, 6.10.88. Zur Stellung der Frauen im Katholizismus vgl. auch NZZ, 1.10.88. SEK: NZZ, 27.9.88; SZ, 1.10.88. Zur feministischen Theologie und ihrem Verhältnis zur Politik vgl. Lit.
[30] Jeannerat: Vat., 14.1.88; SZ, 23.1.88; BaZ, 25.1.88; NZZ, 26.1.88. Paulus-Akademie: TA, 24.12.88; vgl. dazu auch allgemein: BaZ, 2.2.88. Film: Ww, 22.9. und 6.10.88; JdG und Vat., 24.9.88; Suisse, 24.12.88; Interpellation Schönenberger (cvp, SG): Amtl. Bull. SIR, 1988, S. 771 f.; TA, 30.11.88; Ww, 8.12.88. Beispielhaft für den kirchlichen Umgang mit der Frage der Sexualmoral ist die umfangreiche Untersuchung zum "Fall Pförtner" von L. Kaufmann; vgl. Lit.
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