Année politique Suisse 1988 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Medienpolitische Grundfragen
Die Informationstätigkeit von
Bundesrätin Kopp hinsichtlich der von ihr im Amt vertretenen privaten Interessen und die Verantwortung der Medien für den Rücktritt der Justizministerin bildeten den Anlass zu recht polemischen Diskussionen. Während das Verhalten der Magistratin und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Spannungsfeld zwischen persönlichen Loyalitäten und öffentlichem Interesse noch untersucht werden soll, war man mit Urteilen zur Rolle der Massenmedien schneller zur Stelle. Diese wurden teilweise des infamen "
Kloakenjournalismus" (alt-Bundesrat Friedrich) bezichtigt, der dazu führen könne, dass sich immer weniger fähige Leute für hohe politische Amter noch zur Verfügung stellten, da sie in einer "Mediokratie" — einer Herrschaft der Medien und der Mittelmässigkeit — zwangsläufig untergehen würden. Andere Stimmen betonten dagegen, dass man den Medien keinen Vorwurf machen dürfe, wenn sie sich eines Skandals annähmen, denn in einer Demokratie falle ihnen ein Wächteramt zu; allenfalls sei der reisserische Stil zu verurteilen, mit dem die Affäre Kopp begleitet worden sei, und teilweise wurde gar kritisiert, die Medien seien vor der Wahl von Frau Kopp zu wenig kritisch gewesen und hätten das Umfeld der Kandidatin zu wenig genau untersucht. Eine vom Schweizerischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlegerverband angeregte Studie ergab, dass keine böswillige Pressekampagne stattgefunden habe, und dass die Medien im Gegenteil die Frage eines allfälliges Rücktritts von Frau Kopp sehr vorsichtig angesprochen hätten
[4].
Hinsichtlich der
Information der Bevölkerung in Krisenlagen hielt Bundeskanzler Buser auf eine Interpellation im Ständerat hin fest, dass der Bund aus den Unfällen von Tschernobyl und Schweizerhalle und aus den Vorfällen mit listerienverseuchtem Käse seine Lehren gezogen habe. Die Bundeskanzlei sei deshalb beauftragt, eine Informationszentrale zu schaffen, um die Koordination auf Bundesebene und zwischen den Kantonen zu gewährleisten. Gemäss einem Bericht der "Wochenzeitung" soll diese Informationszentrale im Katastrophenfall von einer Spezialtruppe der Armee unterstützt werden
[5].
Die Verurteilung eines Journalisten, der über den geplanten Bau einer militärischen Anlage im Wallis berichtet hatte, führte zu einer Interpellation im Nationalrat. Bundesrat Koller räumte dabei ein, dass zwischen dem legitimen
Interesse der Armee an der Geheimhaltung und dem ebenso legitimen Interesse der Bevölkerung an Information ein gewisses Spannungsverhältnis bestehe. Er stellte deshalb in Aussicht, dass die Revision des Artikels über landesverräterische Verletzung militärischer Geheimnisse im Militärstrafrecht vorgezogen werden könnte. Für das bis spätestens 1989 zusätzlich versprochene neue Geheimhaltungskonzept war dann aber gemäss einem Bericht des "Journal de Genève" Ende des Jahres noch nicht einmal eine entsprechende Kommission eingesetzt worden
[6]. Im weitern bestätigte das Bundesgericht die Verurteilung eines Journalisten, der aus einem vertraulichen Referat des Generalstabschefs zitiert hatte, und in Zürich wurden Fernsehjournalisten dafür verurteilt, dass sie den Namen einer Prostituierten nicht preisgaben, die in einer Sendung zugegeben hatte, Freier möglicherweise mit AIDS angesteckt zu haben
[7].
[4] TA, 15.12., 20.12., 21.12. und 27.12.88; Presse vom 16.12.88; AT, 17.12.88; SGT, 21.12.88. Vgl. auch Lit. Gantenbein / Kähr / Schanne (dazu TA, 29.4.89; 24 Heures, 1.5. und 5.5.89; BaZ, Suisse und JdG, 5.5.89), Béguin, Boventer und Luchsinger sowie oben, Teil I, 1c (Regierung).
[5] Amtl. Bull. SIR, 1988, S. 6 ff.; BaZ, 1.3.88; WoZ, 30.3.88. Vgl. auch die einfache Anfrage von U. Bäumlin (sp, BE) zur Informationspolitik des Delegierten für das Flüchtlingswesen in: Amtl. Bull. NR, 1988, S. 480; siehe auch Lit. von Sury.
[6] Urteil: NF, 5.3.88; JdG, 7.3. und 11.7.88; 24 Heures 7.7. und 8.7.88; NZZ, 7.7.88; TA und BaZ, 8.7.88; Bund, 9.7.88; vgl. auch TA, 27.7.88; Klartext, 8/1988, Nr. 4, S. 15 f. Koller: Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1438 und 1442; Presse vom 7.10.88; JdG, 28.12.88.
[7] Bundesgericht: TA, 8.6.88; NZZ und WoZ, 10.6.88. Zürich: TA, 5.2. und 8.3.88.
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