Année politique Suisse 1988 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
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Satelliten- und Regional-TV
Sechs europäische Satelliten sendeten im Berichtsjahr (Stand September 1988) insgesamt 34 Programme, wovon drei mit Beteiligung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hergestellt wurden und eines ein schweizerischer PayTV-Kanal (Teleclub) war. Anfangs November begann ein weiterer schweizerischer Veranstalter mit der täglichen Ausstrahlung einer Morgensendung mit Wirtschaftsnachrichten. Die European Business Channel AG (EBC AG) hatte im Mai vom Bundesrat die entsprechende Konzession erhalten. Diese schreibt vor, dass mindestens 70% der täglichen Sendezeit von höchstens sechs Stunden wirtschaftlichen Themen gewidmet und 50% des Programms in der Schweiz hergestellt sein müssen. Zur Finanzierung sind höchstens 8 Minuten Werbung pro Stunde sowie das Sponsoring erlaubt. Die Sendungen des EBC werden je zur Hälfte auf deutsch und in englischer Ubersetzung ausgestrahlt. In der Schweiz wird das Programm auf dem Teleclub-Kanal, im englischsprachigen Gebiet auf der Frequenz des Sky Channel und, ab Anfang 1989, in Deutschland von RTL plus verbreitet. Erste, nicht repräsentative Umfragen beim Zielpublikum in der Schweiz vermittelten eher zurückhaltende Reaktionen auf das zusätzliche Angebot und liessen auf ein geringes Bedürfnis nach einer solchen Morgensendung schliessen [16].
Die Helvesat AG, welche 1987 ebenfalls ein Konzessionsgesuch für die Ausstrahlung eines schweizerischen Satelliten-TV Programms eingereicht und ihre Programmvorstellungen seither mehrmals überarbeitet hatte, verzichtete nun auf eine Konzession. Sie begründete ihren Entscheid damit, dass die Auflage, die SRG nicht zu konkurrenzieren, nicht erfüllbar sei [17].
Eine direkte und offen als medienpolitisch begründete Konkurrenzierung der SRG strebte dagegen die Fussball-Nationalliga an, als sie mit den privaten Abonnementsfernsehstationen Teleclub in der Deutschschweiz und Télécinéromandie in der Westschweiz einen Vertrag über die Direktübertragung von Fussballspielen der Nationalliga A abschliessen wollte. Das beabsichtigte Sponsoring durch den Ringier-Verlag beziehungsweise dessen Tageszeitung "Blick " widersprach allerdings der Teleclub-Konzession, und der Vertrag kam nicht zustande. Die Télécinéromandie, die in der Westschweiz auf der vierten Senderkette ein verschlüsseltes Abonnementsfernsehprogramm ausstrahlt, steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und beantragte deshalb beim Bundesrat die Übernahme und die teilweise unverschlüsselte Ausstrahlung von Programmteilen des französischen Privatsenders Canal plus. Dieser lehnte das Gesuch mit der Begründung ab, der schweizerische Charakter des Programms und des Unternehmens wären dadurch nicht mehr garantiert; zudem würde diese Zusammenarbeit eine Übertragung schweizerischer Fernsehsendefrequenzen an Frankreich bedeuten. Nachdem sich die SRG aus der Trägerschaft zurückgezogen hatte, übernahmen drei Filmproduzenten die Aktienmehrheit und suchten das Unternehmen zu sanieren. Auch aus der Pay-Sat AG, der Trägergesellschaft des Teleclub, zog sich die SRG zurück, worauf der Ringier-Verlag eine Beteiligung von 20% erwarb. Ende des Jahres reichte die Pay-Sat AG ein Konzessionsgesuch ein, welches die unverschlüsselte Ausstrahlung eines "Ergänzungsprogramms" mit Unterhaltungsund Informationssendungen während täglich bis zu sieben Stunden beinhaltet und deshalb als Anlauf zu einer direkten Konkurrenzierung der SRG empfunden wurde [18].
In verschiedenen Regionen der Schweiz machten auch die Bemühungen um ein Regionalfernsehen Fortschritte. In Bern erhielt eine aus lokalen Verlagen und anderen Wirtschaftsunternehmen bestehende Trägerschaft vom EVED die Bewilligung, während drei Tagen ein regionales Programm auszustrahlen. Finanziert wurde das "Bernsehen" durch Sponsoren und die SRG, die zusätzlich ein Rahmenprogramm lieferte. Linke und gewerkschaftliche Gruppen wollten sich an der Trägerschaft nicht beteiligen, da sie sich nicht als "demokratisches Feigenblatt für ein Wirtschaftsfernsehen" missbrauchen lassen wollten. Nach dem Versuch reichten sie beim EVED eine Beschwerde wegen Konzessionsverletzung und beim Bundesrat eine Aufsichtsbeschwerde gegen das EVED ein, da das Sponsoring von der RVO nicht erlaubt werde und demnach die Versuchserlaubnis gar nicht hätte erteilt werden dürfen. Die zur Begleitung des Versuchs eingesetzte Unabhängige Beschwerdekommission rügte daraufdie einseitige Berichterstattung über wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Bern, da die Sicht der Gewerkschaften nicht berücksichtigt worden sei. Auch die Berner Regierung versprach, sich künftig dafür einzusetzen, dass Parteien und soziale und kulturelle Organisationen in die Trägerschaft eines Regionalfernsehens aufgenommen würden [19]. In Zürich erhielt eine Gruppe von 30 freischaffenden Medienleuten eine befristete Sendebewilligung für ein durch Spenden finanziertes Programm. Der "Fluchtkanal" verstand sich als Kontrast zu den Veranstaltungen der Zürcher Juni-Festspiele, welche Zürich als Anziehungspunkt für kulturschaffende Flüchtlinge vor und während des zweiten Weltkrieges zum Thema hatten und die von jenen Medienleuten als zu schönfärberisch betrachtet wurden [20].
In der Innerschweiz einigten sich die bisherigen Konkurrenten Interessengemeinschaft Regionalfernsehen Innerschweiz (IRI) und Stiftung TV Tell darauf, künftig zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein Gesuch für ein nicht gewinnorientiertes, regionales Fernsehprogramm mit einer breit abgestützten Trägerschaft einzureichen. Da die Stiftung TV Tell zur Einsicht gekommen war, dass das von ihr bevorzugte rein privatwirtschaftlich organisierte Fernsehen nicht zu verwirklichen sei, stimmte sie nun dem strittigsten Punkt hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit der SRG zu und öffnete dadurch den Weg zur Einigung mit der IRI [21]. In Basel reichte ein Verein ein Gesuch für einen während der Mustermesse Basel 1989 auszustrahlenden Kurzversuch ein. Im Trägerverein sind nicht nur zahlreiche Einzelpersonen und kulturelle und politische Organisationen, sondern auch die Regierungen der beiden Basel, Solothurns, des Aargaus und Berns vertreten, da die Programme in der ganzen Nordwestschweiz empfangbar sein sollen. Auch hier ist eine Zusammenarbeit mit der SRG geplant [22]. Ebenfalls das "Fenstermodell", also ein SRG-Rahmenprogramm in Verbindung mit einer rund eine Stunde pro Tag dauernden regionalen Sendung, empfahl eine Studie, die für ein Regionalfernsehen in der Ostschweiz erarbeitet wurde [23].
 
[16] Grundsätzliches zum europäischen Satelliten-TV: M. Loretan, "Murdoch stürmt den europäischen Satellitenhimmel", in Zoom, 40/1988, Nr. 20, S. 7 ff. EBC: BBl, 1988, II, S. 657 ff.; Presse vom 10.5. und 13.5.88; BZ, 1.10.88; TA, 4.11.88; SGT, 12.11.88, NZZ, 9.12.88. Zum Bundesbeschluss über das Satellitenfernsehen siehe auch SPJ 1987, S. 237.
[17] NZZ, 19.11.88. Vgl. auch SPJ 1987, S. 237.
[18] Télécinéromandie: TA, 13.1., 12.2. und 2.3.88; Sport, 15.1.88; TW, 16.2.88; BaZ, 22.2.88; Presse vom 1.3.88 (Ablehnung des Gesuchs); Suisse und NZZ, 25.3.88; JdG, 11.5. und 17.6.88; L'Hebdo, 3.3. und 13.10.88. Teleclub: TA, 13.1.88; BaZ, 10.12.88; Klartext, 1989, Nr. 1; Zoom, 41/1989, Nr. 4, S. 2 ff.
[19] NZZ, 26.3. und 4.5.88; Bund, 28.4., 30.4., 2.5., 14.5., 13.10. und 22.10.88; TA, 29.4.88; Vat., 2.5.88; BaZ, 3.5.88; JdG, 6.5.88; Klartext, 1988, Nr. 3.
[20] Presse vom 26.5.88; Zoom, 40/1988, Nr. 14, S. 21 ff.
[21] Presse vom 15.4.88; LNN und Vat., 2.7.88.
[22] NZZ, 3.1.88; siehe auch BaZ, 16.12. und 21.12.88 über die Differenzen zwischen dem Landrat und der Regierung von Baselland in der Frage um den Beitritt zum Trägerverein.
[23] NZZ und SGT, 29.1.88.