Année politique Suisse 1989 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein / Totalrevision von Verfassungen
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Bern
Im Kanton Bern fand das 1988 eröffnete und breit angelegte Vernehmlassungsverfahren über den Vorschlag des Experten Aldo Zaugg zur Totalrevision der Kantonsverfassung seinen Abschluss. Neben Parteien, Interessenorganisationen, Verwaltungsstellen und Gemeinden hatten sich auch knapp 400 Einzelpersonen und Firmen daran beteiligt. Das Resultat der Vernehmlassung zeigte relativ klare Fronten auf: Linke, Grüne und die Gewerkschaften stimmten dem Entwurf grundsätzlich zu. Die beiden grossen bürgerlichen Parteien SVP und FDP, der Bauernverband und die Arbeitgeberorganisationen aus Gewerbe-, Handel- und Industrie fanden den Entwurf wirtschaftsfeindlich und staatsdirigistisch und lehnten ihn deshalb rundweg ab. Die Volksrechte, ein relativierter Freiheitsbegriff und die Verfassungsgerichtsbarkeit bildeten zentrale Punkte der Auseinandersetzung [10].
Der Regierungsrat arbeitete unter Berücksichtigung der Vernehmlassung einen eigenen Entwurf aus und stellte diesen am 5. Juli der Öffentlichkeit vor. Seine Version orientiert sich zwar am Expertenvorschlag, sie ist aber formal straffer und weist auch wesentliche inhaltliche Unterschiede auf. So ist etwa die in der Vernehmlassung besonders heftig kritisierte Schaffung eines kantonalen Verfassungsgerichts oder die detaillierte und abschliessende Aufzählung der Staatstätigkeiten fallengelassen worden. Eine 35köpfige Verfassungskommission des Grossen Rates nahm die Beratung der Vorlage auf, wobei sie sich im Berichtsjahr vorwiegend mit Grundsatzfragen befasste [11].
 
[10] Bund, 17.2., 28.3., 9.5., 10.5. und 13.6.89; BZ, 1.2. und 10.5.89; TW, 13.5.89. Siehe auch SPJ 1988, S. 20 und 266.
[11] Bund, 6.7. und 3.10.89 ; BZ, 6.7, 25.8, 31.8. und 12.12.89.