Année politique Suisse 1989 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Stimm- und Bürgerrecht
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Bürgerrecht
Als Zweitrat befasste sich die Volkskammer mit der zweiten Etappe der Bürgerrechtsrevision, bei der es um die Bestimmungen über die Einbürgerung und dabei namentlich um die Aufhebung der bisherigen automatischen Bürgerrechtsverleihung an ausländische Ehefrauen von Schweizern geht. Da der Nationalrat in einigen untergeordneten Bestimmungen anders entschied als der Ständerat, konnten die Beratungen noch nicht abgeschlossen werden. In der Debatte lehnte das Parlament sämtliche Verschärfungsanträge der Nationalen Aktion deutlich ab. Aber auch die Linke und die Grünen blieben mit ihren Bestrebungen um eine liberalere Ausgestaltung des Gesetzes in der Minderheit. So fand auch ihr Antrag auf Streichung der Bestimmung, wonach eine im ordentlichen Verfahren eingebürgerte Person auf ihr bisheriges Bürgerrecht verzichten soll, keine Zustimmung [9].
Gerade diese Bestimmung ist aber gemäss neuesten Studien — neben den hohen Kosten und dem komplizierten Verfahren — ein wichtiger Grund, weshalb viele in der Schweiz aufgewachsene Kinder aus Gastarbeiterfamilien von einer Einbürgerung absehen. Diese Zurückhaltung ist in den letzten Jahren durch die gesteigerte Attraktivität der EG-Pässe noch verstärkt worden und drückte sich in einem Rückgang der Einbürgerungszahlen aus. Die Frage des Doppelbürgerrechts wird den Nationalrat aber weiterhin beschäftigen: Kurz nach der Debatte reichte der Bündner Portmann (cvp) eine Motion ein, welche eine Streichung dieser Bestimmung und zudem ein erleichtertes Einbürgerungsverfahren für in der Schweiz aufgewachsene ausländische Staatsangehörige verlangt [10].
Auch die durch die Bürgerrechtsrevision bedingte Neuregelung der Bestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern löste im Nationalrat eine lebhafte Diskussion aus. Die von Bundesrat und Ständerat vorgeschlagene Frist von fünf Jahren Ehe für den Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung für den ausländischen Ehepartner kritisierten insbesondere Parlamentarierinnen als zu restriktiv und familienfeindlich. Ihr Antrag für einen sofortigen Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung verwarf die Ratsmehrheit jedoch, primär aus Angst vor missbräuchlichen Eheschliessungen zur Umgehung der Einwanderungsbestimmungen [11].
 
[9] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1427 ff.; SPJ 1988, S. 25.
[10] Studien: TA, 17.11.89. Motion: Amtl. Bull. NR, 1989, S. 2233 f.
[11] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1427 ff. (v.a. 1456 ff.).