Année politique Suisse 1989 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Wahlen in kantonale Parlamente
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Genf
Entgegen den Erwartungen eines rot-grünen "Umsturzes" haben die Grossratswahlen in Genf nur relativ geringe Veränderungen bewirkt. Im bürgerlichen Lager der "Entente genevoise" haben die Liberalen drei Sitze gewonnen und sind mit neu 22 Mandaten die stärkste Partei geblieben. Auch die CVP konnte einen Sitz gewinnen (neu: 14). Dagegen hat die FDP zwei weitere Sitze verloren und ist mit 13 Sitzen auf dem tiefsten Stand seit dem Beginn des Schrumpfungsprozesses im Jahre 1942 (damals 35 Sitze) gesunken. Die Radikalen sind die Opfer verschiedener Faktoren geworden: Einerseits spielte eine neu eingeführte Amtszeitbeschränkung auf 12 Jahre eine Rolle; diese hatte wegen der einseitigen Altersstruktur Rekrutierungsschwierigkeiten der Partei zur Folge. Andererseits hatte die FDP unter einem schlechten Ruf wegen der Nähe zu Spekulantentum und Drogengeldwäscherei gelitten.
Gewonnen haben vor allem die Grünen, welche mit fünf zusätzlichen Sitzen gleich stark wie die Freisinnigen wurden. Ebenso hat die SP drei Sitze zurückgewonnen, nachdem sie 1985 acht Mandate verloren hatte. Bezeichnenderweise gehören die drei Sozialdemokraten mit den besten Wahlergebnissen (Christian Grobet, David Lachat und Nils de Dardel) alle zum engeren Umfeld der "ASLOCA", der Genfer Mieterschutzvereinigung. Die Unzufriedenheit mit der seit Jahren akuten Wohnungsnot und den hohen Spekulationsgewinnen hat sich offensichtlich auf die Kandidatenauswahl ausgewirkt. Die PdA, welche mit der SP eine Listenverbindung eingegangen war, konnte ihre acht Sitze halten.
Verlierer waren neben der FDP vor allem die Vigilance, welche zehn von den zwölf im Jahre 1985 gewonnenen Sitzen wieder einbüsste. Ihr Stimmenanteil sank von 19% auf etwas über 8%. Das Resultat der erstmals im Kanton mit der höchsten Autodichte kandidierenden Auto-Partei ist bloss als relativer Misserfolg zu interpretieren, hat sie doch die 7%-Hürde nur knapp verpasst. Mit einem um 0,7% höheren Stimmenanteil hätte sie auf einen Schlag sieben Sitze erobern können und wäre als Siegerin dagestanden.
Für den Erfolg der Grünen haben sicher auch viele Wähler der Mitte gesorgt: Die Genfer Grünen, ebenso wie die Waadtländer GPE, werden im allgemeinen als weniger radikal eingestuft als die Mehrzahl der Grünen in der Deutschschweiz. Ein Wahlbündnis zwischen Linken und Grünen war nicht zustandegekommen. Im neuen Parlament verfügen weder die bürgerliche Entente noch die links-grünen Kräfte über die absolute Mehrheit. In bezug auf die Vertretung der Frauen hat Genf den Kanton Basel-Stadt wieder überholt: dank sieben zusätzlichen Mandaten stieg der Frauenanteil auf 32,0% [6].
 
[6] Wahlen vom 15.10.89: Presse vom 16.10.89; Suisse, NZZ und JdG, 17.10.89; L'Hebdo, 19.10.89. Wahlkampf: JdG, 28.9., 30.9., 2.10., 3.10., 5.10., 6.10. und 7.10.89; L'Hebdo, 5.10.89. Frauenanteil: Suisse, 17.10.89. Zu den Grünen: L'Hebdo, 29.6.89. Letzte Wahlen: SPJ 1985, S. 35.