Année politique Suisse 1989 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Raumplanung
print
Situationsanalyse
Die Auswirkungen der EG auf die Raumordnung der Schweiz wurden bislang noch kaum thematisiert. Nach Ansicht des Zürcher Professors H. Elsasser müsste die schweizerische Raumplanung erkennen, dass die räumliche Ordnung der Schweiz in zunehmendem Masse fremdbestimmt wird. Tatsächlich ist der EG-Binnenmarkt mit räumlichen Konzentrationsbewegungen verbunden, namentlich im Bereich der hochrangigen Entscheidungsfunktionen und Dienstleistungen, welche einen Bedeutungs- und Wachstumsschub vor allem für die Städte Zürich und Genf, zum Teil aber auch für Basel zur Folge hätten. Die übrigen Städte riskierten, einen wirtschaftlichen Bedeutungsverlust zu verzeichnen, und die räumlichen Ungleichgewichte würden sich generell vergrössern. Von Bedeutung wäre, dass es sich dabei weniger um die traditionellen quantitativen Ungleichheiten zwischen Ballungsund Entleerungsgebieten handeln würde, welche weiterbestehen werden, als um eine qualitative Differenzierung in Regionen, in denen die wirtschaftlichen Entscheidungsfunktionen konzentriert sind, und in solche, welche hauptsächlich einer funktionalen Arbeitsteilung im Sinne einer Produktions-, Versorgungs-, Entsorgungsoder Transitregion zu genügen hätten. Das Grundprinzip der schweizerischen Raumplanung, die Dezentralisation von Besiedlung und Wirtschaft, würde damit noch anspruchsvoller werden und besondere Anstrengungen in wirtschaftlich bedrohten Regionen erfordern [1].
top
 
print
Vollzugsprobleme
Der Bundesrat genehmigte die Richtpläne der Kantone Waadt, Glarus und Basel-Landschaft, womit zwei Jahre nach Ablauf der mehrmals verlängerten Frist noch immer diejenigen von vier Kantonen (Genf, Jura, St. Gallen, Tessin) ausstehen, während derjenige von Freiburg zwar eingereicht, aber noch nicht genehmigt ist [2].
Im November verabschiedete der Bundesrat ein mehrteiliges Realisierungsprogramm, mit welchem im Laufe der, nächsten Jahre die Vollzugslücken in der Raumplanung geschlossen werden sollen. Darin sind auch die wichtigsten Forderungen und Schwerpunkte enthalten, die in den verschiedenen bodenpolitischen Debatten des Parlaments vorgebracht wurden. Diese betreffen namentlich eine verbesserte Koordination der raumwirksamen Tätigkeiten des Bundes, eine bessere Wahrnehmung des Koordinationsauftrags des Bundes gegenüber den Kantonen sowie eine intensivere allgemeine Informationstätigkeit des Bundes über die Raumplanung. Das Realisierungsprogramm umfasst insgesamt 35 neue Grundlagen und Planungen, wovon neun als Schwerpunktmassnahmen im Sinne konkreter Aufträge an die zuständigen Departemente bezeichnet wurden [3].
top
 
print
Reformvorschläge
Nach Ablehnung der "Stadt-Land-Initiative" im Dezember 1988 war man sich allgemein im klaren, dass andere Massnahmen zur Lösung der zunehmend akuter werdenden Bodenproblematik notwendig sind. Die am Tage nach der Abstimmung eingereichten Motionen der Ständeräte Rhinow (fdp, BL) und Schmid (cvp, AI), welche verschiedene Massnahmen zur Bekämpfung der Baulandhortung vorschlugen, wurden von beiden Kammern. in den wesentlichsten Punkten überwiesen. Die parlamentarische Initiative Leuenberger (sp, ZH), welche zur Verhinderung der kurzfristigen Spekulation und der weitergehenden Bodenpreissteigerung mittels eines Dringlichen Bundesbeschlusses die Einführung einer Preiskontrolle für nichtlandwirtschaftlichen Boden verlangte, wurde vom Nationalrat als zu radikale und nicht systemkonforme Massnahme abgelehnt. Die vorberatende Kommission hatte dazu im Sinne eines Gegenvorschlags eine eigene Initiative ausgearbeitet, welche die Einführung einer Sperrfrist von fünf Jahren für den Wiederverkauf von nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken vorsah. Nachdem der Bundesrat schon bei der als Postulat überwiesenen Motion Scheidegger (fdp, SO) eine zeitlich befristete Sperrfrist als taugliche Massnahme bezeichnet hatte, beschloss die grosse Kammer zwar Eintreten auf die Kommissionsinitiative, aber auch deren Rückweisung, damit die Exekutive die vorhandenen und zum Teil überwiesenen sowie die eigenen Vorschläge in einer gemeinsamen Vorlage unterbreiten konnte [4].
Die Entwicklung auf dem Boden- und Wohnungsmarkt bewog die Landesregierung schliesslich, nach einem verkürzten Vernehmlassungsverfahren, zur Ergreifung von Sofortmassnahmen. Mit drei befristeten Dringlichen Bundesbeschlüssen, welche dem fakultativen Referendum unterstehen, sollen Angebot und Nachfrage nach Boden und Wohnungen in einer verteilungspolitisch befriedigenden Weise besser aufeinander abgestimmt und damit der "grassierenden Spekulationsmentalität" Einhalt geboten werden. Mit diesem Vorgehen erhoffte sich der Bundesrat eine psychologische Wirkung, wollte aber auch Zeit für ein Massnahmenpaket mit mittel- und langfristigen Lösungen gewinnen, welches die Ursachen der Boden- und Wohnungsmarktprobleme, die nach seiner Analyse in Veränderungen von Nachfrage und Angebot bestehen, besser berücksichtigt. Verfassungsrechtlich sind die Bundesbeschlüsse nach einem Gutachten des Staatsrechtlers J.F. Aubert durch die Zivilrechtskompetenz des Bundesrats abgestützt.
Im einzelnen sahen die Bundesbeschlüsse gemäss Vorschlag der Exekutive vor: Eine Sperrfrist für die Veräusserung von nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken während fünf Jahren nach dem Erwerb, mit Ausnahmen bei Veräusserungen im Erbgang, an Ehegatten oder Nachkommen, im Rahmen einer Zwangsverwertung, eines Enteignungsverfahrens oder einer Baulandumlegung unter Mitwirkung der Behörden sowie – bei Bewilligung durch den Kanton – bei Verkäufen ohne Gewinn, nach zweijähriger Eigennutzung und bei massgeblicher geschäftsmässiger Mitwirkung des Besitzers an Planung, Erschliessung oder Erstellung des Baus. Mit der Sperrfrist sollen vor allem Kaskadenverkäufe und die damit verbundenen Spekulationsgewinne verhindert werden. Ein ähnliches Instrument besteht bereits für landwirtschaftliche Grundstücke. Die Festlegung einer maximalen Pfandbelastungsgrenze für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke – während einer Dauer von fünf Jahren seit dem letzten Erwerb – von 80 Prozent des Verkehrswerts sowie von 90 Prozent im Falle der Selbstnutzung in irgendeiner Form. Damit sollen diejenigen, die ohne Eigenmittel Wohneigentum oder Bauland aus rein spekulativen Gründen erwerben, nach Möglichkeit vom Bodenmarkt ferngehalten werden. Die Limitierung der Anlage von Geldern der beruflichen und privaten Vorsorge in Grundstücken, womit die Anlagevorschriften für Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und für Lebensversicherungen in dem Sinne geändert werden, dass bei den einzelnen Anlagekategorien der Anteil schweizerischer Grundstücke am Kapital höchstens 25 Prozent betragen darf [5].
In der Vernehmlassung wurden die drei Dringlichen Bundesbeschlüsse mit wenig Begeisterung aufgenommen. Einigkeit bestand darin, dass etwas geschehen müsse und dass mit diesen Vorschlägen allenfalls eine politische Beruhigung erreicht werden könne. Wie später ihre Fraktionen, sprachen sich CVP, LdU und EVP für die bundesrätliche Version aus. Die FDP plädierte für eine bloss dreijährige Sperrfrist und für eine Ausweitung des Ausnahmekatalogs. Die SVP erachtete die Sperrfrist für untauglich und sah Lösungswege eher über dringliche Bundesbeschlüsse zur vorzeitigen Inkraftsetzung von wichtigen Elementen des zu revidierenden Raumplanungsgesetzes sowie zur Einführung einer Grundstückgewinnsteuer auf kurzfristigen Liegenschaftsgewinnen: Als ungenügend bis völlig ungenügend beurteilten die SP und die Grüne Partei (GPS) die Vorlage, ohne sie allerdings zu Fall bringen zu wollen. Die vorgeschlagenen Anlagebeschränkungen wurden von Vertretern der Pensionskassen und Lebensversicherungen kritisiert. Sie wiesen darauf hin, dass ihre Immobilienanlagen längerfristigen Charakter hätten und spekulative Praktiken ausgeschlossen seien. Anlagebeschränkungen würden Neuinvestitionen praktisch ausschliessen und letztlich zu Mietzinssteigerungen führen [6].
Bei den Beratungen in Kommission und Plenum der beiden Kammern des Parlaments war zunächst ein Scheitern oder eine erhebliche Verwässerung der Vorlage bis zur vollumfänglichen Wirkungslosigkeit durch den Ständerat befürchtet worden. Letzterer lenkte für viele etwas überraschend ein, erachtete die Massnahmen entgegen dem Kommissionsantrag als verfasssungskonform und schwenkte mehrheitlich auf die antizipierten Kompromissvorschläge des Nationalrates ein. Diese Wende wurde namentlich dadurch ermöglicht, dass die CVP-Fraktion der kleinen Kammer 'ihren' Bundesrat Koller nicht im Regen stehen liess. Im einzelnen erfuhren die Vorschläge der Exekutive im Parlament nach Ablehnung von Rückweisungsanträgen der SVP-Abgeordneten Blocher (ZH) und Gadient (GR) dennoch einige Änderungen. Bei der Sperrfrist für die Veräusserung von Grundstücken wurden die Ausnahmebestimmungen erheblich erweitert; so werden als zusätzliche Gründe für Fristverkürzungen selbstgenutztes Eigentum, Betriebsumwandlungen und -zusammenschlüsse sowie Aufgaben im öffentlichen Interesse zugelassen. Insbesondere aber entfällt die Sperrfrist, wenn der Veräusserer Grundstücke als Bauland oder zum Umbau erworben und selbst oder durch Dritte am Bau massgeblich mitgewirkt hat. Im weitern erhalten die Kantone die Kompetenz, Eigentumsübertragungen bei Grundstücken zu veröffentlichen. Bei der Festlegung der Pfandbelastungsgrenze werden keine Mindestanteile an Eigenmitteln für Selbstnutzer, Gewerbetreibende oder Wohngenossenschaften vorgeschrieben. Bei den Anlagevorschriften für Pensionskassen legten die Räte schliesslich die Beschränkung auf 30% fest. In der Schlussabstimmung wurden die Dringlichen Bundesbeschlüsse zum Bodenrecht, nachdem ihnen zuvor in separater Abstimmung der dringliche Charakter zugemessen worden war, mit deutlichen Mehrheiten in beiden Kammern bei den beiden ersten Vorlagen sowie eher knapp (um die 60% Ja) bei den Pensionskassenvorschriften angenommen; sie traten am 7. Oktober in Kraft [7].
Die neuen Massnahmen stiessen nirgends auf Begeisterung. Bestenfalls wurden sie als absolutes Minimum bewertet und ihnen eine gewisse psychologische Wirkung zugemessen. Vor dem Inkrafttreten lösten sie, um der Erhöhung des Minimal-Eigenkapitalanteils zuvorzukommen, kurzfristig eine markante Zunahme der Transaktionen auf den Grundbuchämtern aus. Insbesondere die Grundpfandbelastungen auf Vorrat nahmen gewaltig zu; allein im Kanton Zürich wurde der Betrag zusätzlicher Hypotheken auf über 1 Mia Franken geschätzt. Die Wirksamkeit der Massnahmen wurde wegen den zahlreichen Ausnahmebestimmungen von verschiedener Seite als recht gering eingestuft. Dies vor allem deshalb, weil ein Immobilienhändler ein Haus wieder verkaufen darf, wenn er es renoviert hat, weil Umgehungsmöglichkeiten bei der Pfandbelastungsgrenze durch einen zu hohen Kostenvoranschlag bestehen, weil auf Vorrat Grundpfandbriefe errichtet werden konnten oder weil die Bestimmung des Wegfalls der Sperrfrist bei Weiterverkauf ohne Gewinn mittels Schwarzgeldzahlungen ausgenutzt werden kann. Bundesrat Koller selbst warnte vor übertriebenen Hoffnungen, zeigte sich aber andererseits überzeugt, dass die beschlossenen Massnahmen nicht bloss Alibiübungen darstellen. Die FDP-Fraktion reichte eine Motion ein, mit welcher sie eine systematische, nach Regionen gegliederte Begleituntersuchung über die Auswirkungen des Sofortprogramms Bodenpolitik forderte [8].
Im Rahmen der Präsentation der Dringlichen Bundesbeschlüsse skizzierte der Bundesrat auch seine Vorstellungen bezüglich dauerhaften Massnahmen einer künftigen Bodenpolitik. Neben einer vermehrten Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, der besseren Ausnützung bestehender Bauten (verdichtete Bauweise, minimale Ausnützungsziffern), der Einschränkung von Zweit- und Drittwohnungen und einer fiskalischen Belastung von überdurchschnittlichen individuellen Wohnflächen sind dies insbesondere raumplanerische Massnahmen für eine Verflüssigung des Baulandmarktes.
Um das geltende Gesetz zu verdeutlichen, hatte er zunächst als eigentliches 4. Paket der bodenrechtlichen Sofortmassnahmen eine Änderung der Raumplanungsverordnung in die Vernehmlassung geschickt, welche sich teilweise an die Vorschläge der Expertenkommission für eine Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) anlehnte, ohne allerdings diese präjudizieren zu wollen. Die im RPG verankerte Erschliessungspflicht der Gemeinden wurde präzisiert. Es sollte ihnen eine Frist bis zum 1. Juni 1990 gesetzt werden, um die Gebiete innerhalb der Bauzonen zu bezeichnen, die innert fünf Jahren erschlossen werden müssen; im Falle einer Weigerung hätten die kantonalen Behörden an ihrer Stelle die Erschliessung von Bauland voranzutreiben. Falls die Gemeinden ihre Bauzonen umfangmässig nicht nach dem RPG ausrichten würden (Beschränkung auf Land, das innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird), gälte lediglich das überbaute und das baureife, erschlossene Gebiet als Bauzone. Damit sollte der Vollzug der Raumplanung im Siedlungsbereich verbessert und eine Enthortung von Bauland bewirkt werden. Im Sinne einer differenzierten Ausdehnung der Baumöglichkeiten im ländlichen Raum würde das Bauverbot in den Landwirtschaftszonen in bestimmten Fällen gelockert. In ganzjährig im Rahmen einer landwirtschaftlichen Nutzung des Bodens bewohnten Kleinsiedlungen wie Weilern könnten Wohnungen oder Gewerbebetriebe für die lokale Versorgung erstellt werden [9].
In der zeitlich kurz bemessenen Vernehmlassung wurde dem Verordnungsentwurf von verschiedener Seite, vor allem durch Kantone und Wirtschaftsverbände, zum Teil massiver Widerstand entgegengebracht. Namentlich die Reduktion der Bauzonen erwies sich als besonders brisant, weil diese in vielen Kantonen nach wie vor viel zu gross und nicht RPG-konform sind. Der Verstärkung der Erschliessungspflicht wurde entgegengehalten, dass damit noch keine Überbauung garantiert sei und dass sie zu einer Verkleinerung des baureifen Landes führen sowie siedlungsgestalterisch negative Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Schliesslich wurde bezüglich der Lockerung der Ausnahmebestimmungen für Bauten ausserhalb der Bauzone befürchtet, dass der Bund die Einhaltung der Auflagen durch die kantonalen Bewilligungsbehörden nicht werde garantieren können und damit ein totaler Einbruch im Vollzug möglich sei [10].
In Berücksichtigung der Vernehmlassungsergebnisse setzte die Landesregierung am 20. Oktober die revidierte Raumplanungsverordnung in eigener Kompetenz und in erheblich entschärfter Version in Kraft. Darin wird den Gemeinden keine Frist für die Bezeichnung von Bauzonen mehr auferlegt, sondern bloss noch eine Übersicht verlangt über jene Teile der Bauzone, die baureif erschlossen sind oder innert fünf Jahren baureif gemacht werden können. Erstmals festgelegt wurde dabei eine Aufsichts- und Sanktionspflicht der Kantone im Falle von Versäumnissen der Gemeinden. Bei den nicht RPG-konformen Bauzonen wurden in der Verordnung keine besonderen Bestimmungen aufgenommen, weil die Kantone durch das Gesetz bereits genügend Möglichkeiten hätten, so zum Beispiel mit Planungszonen oder mit der Erklärung des weitgehend überbauten Gebietes zur vorläufigen Bauzone. Falls die Kantone keine Massnahmen ergreifen, werden im einzelnen Streitfall die Richter entscheiden. Das Bauverbot in Landwirtschaftszonen wurde gelockert, dabei aber auf eine einheitliche Bundeskompetenz im Sinne von Weilerbauzonen verzichtet. Als Grundregel wird festgelegt, dass abgelegene landwirtschaftliche Gebäude dann zu landwirtschaftsfremden Wohnungen oder zu Gewerbezwecken umgebaut werden dürfen, wenn sie ganzjährig bewohnt sind bzw. wenn der Gewerbeanteil nicht mehr als die Hälfte des bestehenden Gebäudes einnimmt. Dabei muss es sich um örtliches Kleingewerbe handeln. Die Kantone erhalten die Befugnis, besondere Zonen zur Erhaltung bestehender Kleinsiedlungen ausserhalb der Bauzonen zu bezeichnen. In allen Fällen müssen die Gebiete im kantonalen Richtplan verzeichnet sein und eine Nutzungsänderung darf keine zusätzlichen Verkehrserschliessungen erfordern. Der Bundesrat erachtete die neue Verordnung als dringliches Instrument zur Verbesserung des Vollzugs in der Raumplanung, welches mehr Transparenz auf dem Bodenmarkt schaffen und den psychologischen Druck auf Gemeinden und Baulandhorter verstärken soll. Kritische Stimmen in der Presse wiesen jedoch darauf hin, dass längerfristige Massnahmen in der Raumplanung auf vehementen Widerstand stossen. Das vernehmlassungsbedingte Zurückkrebsen bei der fünfjährigen Erschliessungspflicht lasse wenig Hoffnung offen für die bevorstehende Revision des RPG; die Vollzugsohnmacht des Bundes in der Raumplanung sei offensichtlich [11].
Neben den kurzfristig und dringlich behandelten Massnahmen gehört die Revision des Raumplanungsgesetzes zu den Anschlussmassnahmen, mit welchen das Sofortprogramm abgelöst und das Bodenrecht weiterentwickelt werden soll. Der bereits im Vorjahr von einer Expertenkommission unter dem Vorsitz von Ständerat Jagmetti (fdp, ZH) vorgelegte Bericht wurde nun unverändert zur Vernehmlassung vorgelegt. Seine Schwerpunkte bestehen in der besseren und langfristigen Abgrenzung von Siedlungs- und Landwirtschaftsgebiet mittels sogenannten Übergangszonen, in der Erschliessungspflicht des Gemeinwesens und der in diesem Zusammenhang verbesserten Rechte des Grundeigentümers, in der Erweiterung der Planungsgrundsätze zur Förderung der Siedlungsqualität, u.a. mit Anerkennung von Sondernutzungsplänen, sowie in den unter klar formulierten Bedingungen gewährten Erleichterungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen [12].
Eine schon sieben Jahre alte parlamentarische Initiative Bundi (sp, GR), deren Beratung wegen der Totalrevision der Bundesverfassung und aus anderen Gründen ausgesetzt worden war und die einen neuen Bodenrechtsartikel 22ter fordert, wurde von einer Kommission des Nationalrats abgelehnt. Diese bejahte allerdings die Notwendigkeit eines neuen Verfassungsartikels und reichte ihrerseits eine Motion ein, mit welcher der Bundesrat aufgefordert wird, zur Ablösung der bis Ende 1994 befristeten bodenrechtlichen Sofortmassnahmen und in Ergänzung der bestehenden Artikel 22ter (Eigentumsgarantie) und 22quater (Raumplanung) einen neuen Bodenrechtsartikel vorzulegen. Die Kommission nahm dabei weitgehend die Forderungen der Initiative auf. Die bloss mit 8 zu 6 Stimmen unterlegene Kommissionsminderheit möchte jedoch an der Initiative festhalten, weil der Weg über die Motion zu viel Zeit in Anspruch nehme [13].
Als phantasievollen Beitrag zur Lösung des Bodenproblems lancierte im Frühjahr ein Komitee die eidgenössische Volksinitiative "Hügelstadt Sonnenberg". Das nichtformulierte Begehren möchte Bundesrat und Parlament zur Schaffung einer Bundeskompetenz für die Errichtung landsparender Siedlungen in Hügelform verpflichten, damit diese Zielsetzung nicht auf der für die Bauvorschriften sonst zuständigen Gemeindeebene angegangen werden muss. Das von der Franz-Weber-Stiftung und von Helvetia Nostra erarbeitete Projekt sieht den Bau von künstlichen Hügelstädten nach dem Prinzip von Stufenpyramiden mit vier Niveaus vor, welche verkehrsfrei und in ihrem Innern hohl wären. Dort könnten Parkplätze, Ver- und Entsorgungs- sowie Zivilschutzeinrichtungen realisiert werden, aber auch die Infrastruktur für kulturelle und Freizeitaktivitäten. Die bodensparende Hügelstadt würde gegen sieben Hektaren Fläche benötigen und damit nur einen Zehntel des üblichen Bedarfs beanspruchen. Sie wurde vom Hauptinitianten Franz Weber als bodenpolitisches Ei des Kolumbus und als Verbindung mittelalterlichen Städtebaus mit moderner Technologie angepriesen. Er rechnet mit der Realisierung eines ersten Exemplars bereits im Jahre 1995. Die Kommentare zu dieser neuen Idee waren allgemein sehr zurückhaltend und wiesen auch darauf hin, dass diejenigen, die auf der sonnenlosen Nordseite wohnen müssten, dann wohl eben Pech gehabt hätten [14].
Als Nachfolgeverein der "Stadt-Land-Initiative" erfolgte in Bern die Gründung einer "Interessengemeinschaft Boden", welche sich für grundlegende Reformen des Bodenrechts in der Schweiz einsetzen will. Zu ihren Zielsetzungen zählt die Verhinderung der Konzentration des privaten Grundeigentums, die Förderung des Nutzungseigentums, die demokratische Kontrolle bei der Raumplanung, die Schaffung von Transparenz auf dem Bodenmarkt sowie die Verankerung einer Rechtspersönlichkeit des Bodens und der Natur in der Verfassung, damit diese als kulturelles Erbe, Lebensraum und Existenzgrundlage einen umfassenden Schutz erhalten [15].
 
[1] NZZ, 7.2.89; vgl. Lit. Elsasser.
[2] NZZ, 12.5. und 20.10.89; Bund, 24.8.89; vgl. SPJ 1988, S: 160.
[3] NZZ, 28.11.89.
[4] Motionen Rhinow und Schmid: Amtl. Bull. StR, 1989, S. 102 ff.; TA, 6.3.89; BaZ, 8.3.89; Presse vom 10.3.89; NZZ, 26.9.89; dazu auch das überwiesene Postulat Schmid für Bekämpfung der Bodenspekulation auf dem Dringlichkeitsweg. Motion Scheidegger: Amtl. Bull. NR, 1989, S. 585 f.; NZZ, 7.3.89. Parl. I. Leuenberger, Gegenvorschlag der NR-Kommission und Stellungnahme des BR dazu: BBl, 1989, I, S. 1366 ff. und II, S. 736 ff.; NZZ, 1.2., 31.3., 10.4., 28.4. und 26.9.89. Die Kommissionsinitiative wurde nach Beratung der Bodenrechtsbeschlüsse vom NR abgeschrieben. Vgl. zu allen Vorschlägen SPJ 1988, S. 162.
[5] BBl, 1989, III, S. 169 ff.; Presse vom 25.5., 22.6. und 17.8.89; Ww, 1.6.89; NZZ, 3.6.89.
[6] BZ, 1.7.89; NZZ, 3.7., 5.7., 13.7., 21.7., 21.8., 9.9. und 11.9.89; Bund, 8.7.89; SZ, 11.7.89; BaZ, 13.7.89.
[7] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1308 ff., 1415 ff., 1533 ff., 1616 ff., 1642 f. und 1805 f.; Amtl. Bull. StR, 1989, S. 499 ff., 556 ff., 597 und 623; AS, 1989, S. 1971 ff. Vgl. auch Presse vom 21.9., 22.9., 26.9., 28.9., 29.9., 3.10. und 5.-7.89; NZZ, 10.10.89; JdG, 13.10.89.
[8] Reaktionen: BaZ, 6.10. und 7.10.89; Vat., 6.10.89; SGT, 7.10. und 12.10.89; LNN, 9.10.89; TA, 11.10.89; NZZ, 2.11.89. Motion: Verhandl. B.vers., 1989, V, S. 46 f.; BaZ, 20.11.89; NZZ, 21.11.89.
[9] Presse vom 25.5.89. Zum Entwurf Expertenkommission vgl. SPJ 1988, S. 162 f.
[10] TA, 7.9.89; BZ und NZZ, 8.9.89.
[11] AS, 1989, S. 1985 ff.; Presse vom 7.10.89.
[12] Presse vom 16.11.89; bezüglich der Inhalte vgl. SPJ 1988, S. 162 f.
[13] Verhandl. B.vers., 1990, V, S. 22; JdG und NZZ, 28.10.89.
[14] BBl, 1989, I, S. 1329 ff.; Bund, NZZ, und 24 Heures, 24.1.89; Presse vom 12.4.89.
[15] BZ, 19.6.89.