Année politique Suisse 1989 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Fürsorge
print
Armut
Obgleich dies seit 1986 in vier parlamentarischen Vorstössen verlangt wurde, kann in der laufenden Legislaturperiode auf eidgenössischer Ebene kaum mehr mit einem Bericht über die Armut in der Schweiz gerechnet werden. Dafür wurden Kantone oder Städte in diesem Gebiet aktiv. Angeregt oder eingeleitet wurden Armutsstudien unter anderem in den Städten Bern, Genf und Neuenburg und in den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Land, Bern, Neuenburg, Zürich und Zug [53].
Gesichert scheint eigentlich nur dies: in der reichen Schweiz leben je nach Berechnungsart zwischen 170 000 und 570 000 Menschen am Rand des Existenzminimums. Wissenschaftliche und empirische Studien zeigten, dass Armut in erster Linie Alleinstehende betrifft, vor allem verwitwete und geschiedene Männer und Frauen, in besonderem Mass aber alleinerziehende Mütter und Rentnerinnen [54]. Verschiedene strukturelle und punktuelle Strategien im Kampf gegen die Armut wurden diskutiert, immer mehr setzte sich aber unter Fachleuten der Ruf nach einem allgemeinen, gesellschaftlich garantierten Minimaleinkommen gemäss dem Modell der Ergänzungsleistungen durch, welches die heutigen fürsorgerischen, oftmals als demütigend empfundenen Massnahmen ersetzen könnte [55].
 
[53] Vat., 4.1.0.89; NZZ, 9.2.89; SGT, 14.4.89; BaZ, 12.9.89; DP, 16.2.89. Zum Stand der Armutsforschung siehe NZZ, 22.7.89.
[54] SGT, 14.4.89; NZZ, 22.7.und 22.8.89; Lit. Boddenberg, Schmid. E. Segmüller (cvp, SG) lud in einem überwiesenen Postulat den Bundesrat ein, einen Bericht über die sozialpolitische und wirtschaftliche Stellung alleinerziehender Eltern zu erstellen und die sich daraus ergebenden Folgerungen für die Sozial- und Familienpolitik vorzulegen (Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1149).
[55] Lit. A. Mäder / U. Neff. Zur Armut allgemein: Lit. Buhmann; TAM, 21.4.89; DP, 21.9.89; Bilanz, 1989, Nr. 12, S. 62 ff.