Année politique Suisse 1989 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Fürsorge
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Opfer von Gewaltverbrechen
Entgegen den Erwartungen verabschiedete der Bundesrat 1989 keine Botschaft zu einem neuen Gesetz über die Hilfe an Opfer von Gewaltverbrechen. Deren Zahl wurde vom Bundesamt für Justiz auf 5000 bis 10 000 pro Jahr geschätzt [56]. Der Strafrechtler M. Killias, der Mitglied der vorberatenden Expertenkommission war, gab seinen Befürchtungen Ausdruck, die ablehnende Haltung der Kantone gegenüber der Besserstellung der Opfer im Strafprozess könnte dazu führen, diesen Aspekt des Gesetzes fallenzulassen, was für die Opfer sehr bedauerlich wäre. Nur eine derartige Disposition würde es seiner Ansicht nach nämlich erlauben, Punkte wie den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Prozessen über Sexualverbrechen, den Schutz vor erniedrigender Provokation des Opfers während des Prozesses oder ein Verbot der Publikation persönlicher Daten in den Medien zu regeln. In einer von Killias im Rahmen einer Nationalfondsstudie durchgeführten Umfrage bezeichneten die Opfer sexuelle Gewalttaten, Körperverletzung und Raubüberfälle als folgenschwerste Delikte für die eigene Psyche. Der Autor teilte die Besorgnis feministischer Kreise über die zunehmende Gewalt gegen Frauen, und er rügte, dass die Polizeibehörden sich bei Taten gegen die Person relativ passiv verhielten und nicht selten auch das Verhalten des Opfers in Frage stellten [57].
Als Beitrag zum besseren Schutz der Frauen beantragte eine vom Nationalrat als Postulat überwiesene Motion Nabholz (fdp, ZH), Selbstverteidigungskurse für Mädchen seien im Rahmen der schulischen Ausbildung und bei den Veranstaltungen von "Jugend und Sport" vermehrt zu fördern. In seiner Antwort befürwortete der Bundesrat zwar eine derartige Ausbildung der Mädchen, verwies aber auf seine geringen Kompetenzen im Schulwesen, die ungünstigen Auswirkungen eines Obligatoriums und den Mangel an qualifizierten Lehrern [58].
Der VPOD nahm sich einer schleichenden Form der Gewalt gegenüber Frauen an und lancierte eine Kampagne gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz [59].
 
[56] SZ, 24.8.89. Siehe auch SPJ 1988, S. 200 f.
[57] Siehe Lit. Killias; BZ, 12.5.89; Emanzipation, 1989, Nr. I, S. 16 ff. und Nr. 9, S. 3 ff.; Femmes suisses, 1989, Nr. 12, S. 6 f.
[58] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 580 f.
[59] TA, 19.7.89; Gewerkschaftliche Rundschau, 81/1989, S. 169 ff.; Presse vom 1.9.89.