Année politique Suisse 1989 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Ausländerpolitik
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Zulassungspolitik
Die Fremdarbeiterpolitik stand – wie schon in den vergangenen Jahren – gleich doppelt unter Beschuss. Vornehmlich aus humanitären Gründen (Verbot des Familiennachzugs, weitgehend fehlende soziale Sicherheit) machen sich Gewerkschaften und ihnen nahestehende Kreise schon seit geraumer Zeit für die Abschaffung des Saisonnierstatuts stark. Dieses Bestreben stand denn auch im Zentrum der diesjährigen Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft Mitenand, an deren Spitze neu die Baselbieter SP-Nationalrätin Angeline Fankhauser trat. Die Gewerkschaften bekämpfen aber auch die Ausdehnung der Kurzarbeitsbewilligungen, da damit das Saisonnierstatut unterlaufen und ein neues Subproletariat geschaffen werde. Unterstützung fanden sie beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) und bei der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK), die sich sowohl gegen das Saisonnierstatut wie gegen den Ausbau der Kurzarbeitsbewilligungen aussprachen [8]. Wenn auch aus anderen – mehr volkswirtschaftlichen und europapolitischen – Überlegungen heraus, erachtete Biga-Direktor K. Hug das Saisonnierstatut auf die Dauer ebenfalls als kaum haltbar. Da sich die Schweizer Wirtschaft immer stärker auf die moderne Technologie ausrichte, sei über kurz oder lang eine Verlagerung von den ungelernten Saisonniers hin zu hochqualifizierten ausländischen Berufs- und Kaderleuten anzustreben. Eine namhafte Erhöhung des Biga-Kontingents für qualifizierte ausländische Arbeitskräfte — ohne gleichzeitige Veränderung des gesamten Ausländerbestandes — verlangte auch ein überwiesenes Postulat Bremi (fdp, ZH) [9].
Andererseits fordert die Wirtschaft — allen voran Hotellerie und Gewerbe — immer mehr ausländische Arbeitskräfte. Unter dem Druck der Kantone und der Wirtschaftsverbände gab der Bundesrat — erstmals seit Bestehen der zahlenmässigen Beschränkungen — auf den 1. April die Restkontingente in allen Kategorien frei. Eine weitere Erhöhung der Kontingente lehnte er aber aus längerfristigen wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Gründen ab [10]. Im Oktober verabschiedete er eine revidierte Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) sowie die Ausländerregelung 1989/90. Damit wurde die automatische Ausschöpfung der Kontingente für Jahresaufenthalter und Saisonniers eingeführt, die kontingentierten Kurzaufenthaltsbewilligungen angehoben und das Biga-Kontingent für qualifizierte Arbeitskräfte von 12 auf 18 Monate erstreckt. Den weiteren Wünschen von 15 Berg- und Tourismuskantonen, die Ende März in einer gemeinsamen Eingabe eine flexiblere Fremdarbeiterpolitik gefordert hatten — nur eine Bewilligung für Winter- und Sommersaison im gleichen Betrieb, Verlängerung der Kurzaufenthaltsdauer von drei auf vier Monate und eine Verkürzung der Karenzfristen —, kam die Regierung einzig bei der zeitlichen Erstreckung der Kurzarbeitsbewilligungen nach. Um dem Gerangel der Kantone um Kontingente ein Ende zu setzen, machte er die beabsichtigte 20%ige Umverteilung rückgängig und blieb beim alten Verteilschlüssel [11].
Dass der Bundesrat mit seinem Festhalten am Stabilisierungsziel Rückhalt in der Bevölkerung finden würde, zeigte eine Umfrage, bei der sich 70% der Schweizerinnen und Schweizer für eine Stabilisierung oder Reduktion der Einwanderung aussprachen. Nur 10% votierten für den Wegfall sämtlicher Beschränkungen. 45% waren für eine Beibehaltung des Saisonnierstatuts, 46% dagegen, wobei 35% dafür humanitäre Gründe angaben [12].
 
[8] Arbeitsgemeinschaft Mitenand: BaZ, 31.3. und 10.4.89; TA, 10.4.89; NZZ, 12.4.89. Gewerkschaften: SGB, 2, 12.1. und 32, 26.10.89; TW, 24.2.89; Ww, 7.9.89; Bund, 19.10.89. Kirchen: NZZ, 30.8.89.
[9] Presse vom 7.1.89 und 6.1.90; K. Hug, "Arbeitsmarktpolitik mit veränderten Vorzeichen", in Schweizer Monatshefte, 69/1989, S. 987 ff.; Die Volkswirtschaft, 62/1989, Nr. 5, S. 8 ff.(mehrere Artikel zur Ausländerpolitik). Postulat: Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1736. Siehe dazu auch oben, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).
[10] AS, 1989, S. 501 ff.; Presse vom 23.3.89.
[11] AS, 1989, S. 2234 ff.; Presse vom 29.6. und 19.10.89. Kantone: NZZ, 4.1. und 25.5.89; Presse vom 3.30.89.
[12] SHZ, 28.9.89.