Année politique Suisse 1989 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Ausländerpolitik
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Gesellschaftliche Integration
Der Bundesrat entsprach dem Wunsch, den der spanische Premierminister Felipe Gonzales anlässlich seines offiziellen Besuches in Bern 1988 geäussert hatte, und setzte die Aufenthaltsdauer zur Erlangung der Niederlassungsbewilligung für spanische Gastarbeiter von 10 auf 5 Jahre herab. Gleichlautende Vereinbarungen sollen — ebenfalls unter Wahrung des Reziprozitätsprinzips — mit Deutschland, Osterreich und Portugal getroffen werden [13].
Während die Diskussionen um die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländer auf kommunaler oder kantonaler Ebene weiterhin an Ort treten, gewährte der Bundesrat der ausländischen Wohnbevölkerung einen erleichterten Zugang zu ihren politischen Rechten in ihrem Herkunftssland. So beschloss er, ein seit 1920 geltendes Verbot aufzuheben und den Ausländern zu erlauben, sich von der Schweiz aus brieflich an Wahlen oder Abstimmungen in ihrem Heimatland zu beteiligen. Nach wie vor bleibt es aber untersagt, Urnen in den Botschaften oder Konsulaten aufzustellen [14].
Einen wesentlichen Bestandteil der Integrationsproblematik bilden die Kinder und Jugendlichen der 2. Generation. Im Schuljahr 1988/89 besuchten 122 000 Schüler ausländischer Herkunft (17,5% der Volksschüler) die obligatorische Schule, wo sie in den Sonderschulen, den niedrigen Schultypen der Oberstufe und in den weniger begehrten Bereichen der nachobligatorischen Ausbildung deutlich übervertreten waren. Dabei wurde klar, dass nicht der Pass über die Chancen eines Kindes im schweizerischen Bildungssystem entscheidet, sondern in erster Linie die sprachliche Integration. Deshalb hat in den letzten Jahren auch ein pädagogisches Umdenken stattgefunden: während früher voll auf Assimilation gesetzt wurde, wird heute bewusst die zweisprachige und interkulturelle Erziehung der Migrantenkinder gefördert, bei welcher der Muttersprache ebensolche Bedeutung beigemessen wird wie der Zweitsprache, und bei der die angestammte Kultur des ausländischen Schülers in die Unterrichtsgestaltung einbezogen wird [15]. Für die bereits im Erwerbsleben integrierten jungen Ausländer und Ausländerinnen wurde hingegen der Umstand, das schweizerische Bügerrecht nur durch Verzicht auf dasjenige des Heimatstaates erlangen zu können, als hauptsächlichste Hemmschwelle für eine völlige Integration betrachtet [16].
 
[13] NZZ und TLM, 21.4.89 (Spanien); schriftliche Information aus dem BA für Ausländerfragen (übrige).
[14] Presse vom 13.4.89. Keinen Nutzen aus diesem Entscheid ziehen vorerst die Italiener und die Jugoslawen, denen Gesetze des eigenen Landes eine persönliche Stimmabgabe vorschreiben.
[15] Schriftliche Information aus dem BA für Ausländerfragen (Schülerstatistik); NZZ, 23.11.89 (Stand und Perspektiven der zweisprachigen Erziehung); CdT, 5.4.89 (Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden); Arbeitsgruppe des EDI, Zustand und Zukunft der viersprachigen Schweiz, Bern 1989, S. 98 ff. Zur menschenunwürdigen Situation der heimlich in die Schweiz eingereisten Kinder von Saisonniers siehe Ww, 25.5.89 und NZZ, 11.12.89.
[16] Zur Situation der 2. Generation siehe Eidg. Kommission für Jugendfragen, Fremdsein in der Schweiz, Bern 1989 (Auswertung eines Wettbewerbs unter Jugendlichen); Lit. Rakic / Terenziani und Lit. Calabria et al; BaZ, 25.9.89 (Äusserungen des Präsidenten der Federazione Colonie Libere Italiane). Zum Doppelbürgerrecht siehe oben, Teil I, 1b (Stimm- und Bürgerrecht).