Année politique Suisse 1989 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kultur
Eine Untersuchung, welche die Stadt Lausanne 1988 in Auftrag, gegeben hatte, bot einen interessanten Überblick über die Kulturausgaben der grossen Schweizer Städte. In Prozenten der allgemeinen Gemeindeausgaben gemessen lag so 1987 Genf mit 17,4% deutlich an der Spitze, gefolgt von Luzern (6%), Basel (5,8%), St. Gallen (4,9%), Zürich (3,3%) und – ex aequo – Bern und Lausanne (3,2%). Umgerechnet auf aufgewendete Franken pro Kopf der Bevölkerung zeigten sich Basel und Genf besonders kulturfreundlich (740,1 bzw. 550,6 Fr.), während Luzern (257,4), Zürich (231,2), Lausanne (196,5), St. Gallen (184,4) und Bern (177,6) deutlich zurücklagen
[23].
In
Luzern stellten sich die Stimmbürger hinter den Grossen Stadtrat und genehmigten mit deutlichem Mehr den Projektierungskredit für ein neues
Konzert- und Kongresszentrum, gegen den die Unabhängige Frauenliste (UFL) das Referendum ergriffen hatte. In Anlehnung an das Versprechen der Stadtregierung, in allen Projektierungsphasen die Meinung der Luzerner Stimmbürger und Stimmbürgerinnen einzuholen, erklärte die UFL bereits am Abstimmungsabend, sie würde sich 1990 bei der Verabschiedung des weiterführenden Projektkredits wieder kritisch zu Wort melden. Gross war dann wenige Monate später die Empörung, als bekannt wurde, dass eine private "Stiftung Konzerthaus Luzern" sich bereit erklärt hatte, die dafür benötigten rund 3 Mio Fr. aus eigenen Mitteln aufzubringen – wodurch das fakultative Referendum und eine eventuelle weitere Abstimmung entfallen würden
[24].
Eine Vereinbarung zwischen dem Kanton
Tessin, dem EDI und der ETH, wonach die ETH auf dem
Monte Verità oberhalb Ascona ein "Centro Stefano Franscini" zur Durchführung von Sommerseminarien errichten wird, erweckte im Tessin recht zwiespältige Gefühle. Einerseits wusste man die Ehre zu schätzen, endlich doch noch Sitz eines Universitätsinstituts zu werden, andererseits wurde sogleich die Befürchtung geäussert, dies könne das Ende der künstlerischen Aktivitäten auf der "Collina delle utopie" bedeuten, seien doch auch diese in erster Linie vorn Sommerbetrieb abhängig. 30 Persönlichkeiten aus dem Tessiner Kulturleben – unter ihnen Mario Botta und Giorgio Orelli – traten mit einer gemeinsamen Stellungnahme an die Öffentlichkeit und forderten sorgfältige Abklärungen der unterschiedlichen Bedürfnisse von Kunst und Wissenschaft. Sukkurs erhielten die Tessiner Kulturschaffenden von der Gesellschaft schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten (GSMBA), die im Frühjahr auf dem Monte Verità ein viertägiges Symposium zum Thema "Kunst und Künstler in der heutigen Gesellschaft" durchführte. Im Anschluss an die Tagung unterzeichneten rund 100 Teilnehmer eine Eingabe an die Tessiner Kantonsregierung: sie riefen den Geist der Schenkung von Baron von der Heydt – er hatte nach seinem Tod den Monte Verità dem Kanton vermacht mit der Auflage einer kulturellen und vor allem künstlerischen Nutzung – und die kulturgeschichtlich einmalige Vergangenheit des Berges in Erinnerung und verlangten – wenn schon das Hotel künftig der ETH vorbehalten sein solle –, dass wenigstens im Park ein neuer Pavillon errichtet werde und der Kanton sich verpflichte, den dortigen Kunst- und Kulturbetrieb mit den nötigen finanziellen Zuwendungen zu unterstützen
[25].
[23] Siehe Lit. Cunha; 24 Heures, 5.9.89; Bund, 6.11.89.
[24] Zur Vorgeschichte siehe SPJ 1988, S. 241. Abstimmung: Vat., 24.1. und 26.1., 14.-18.2., 25.2., 28.2., 1.3., 2.3. und 6.3.89; LNN, 27.1., 11.2., 17.2., 21.2. und 27.2., 1.3. und 6.3.89. Private Stiftung: Vat., 22.8., 23.8., 31.8. und 2.9.89; LNN, 22.8.89.
[25] CdT, 25.1., 5.5., 8.5. und 10.5.89; NZZ, 18.5.89.
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