Année politique Suisse 1989 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Medienpolitische Grundfragen
Die
Affäre Kopp lieferte im Dezember eine Illustration zum nicht unproblematischen Verhältnis zwischen den bisweilen stark am Unterhaltungswert orientierten Medien und der Politik: Elisabeth Kopp, die sich bis anhin geweigert hatte, in einem Interview öffentlich zu den gegen sie vorgebrachten Anschuldigungen Stellung zu nehmen, trat in der TV-Unterhaltungssendung "Supertreffer" auf. Empörte Zuschauer warfen den Produzenten hierauf vor, sie hätten mit diesem Auftritt das politische Image der alt-Bundesrätin aufpolieren wollen und damit das Medium Fernsehen missbraucht
[5].
Bei der Tages-Anzeiger AG gab die Entlassung des Korrektors Roland Kreuzer, welcher zugleich Präsident der GDP-Sektion Zürich ist, Anlass zu einer langen Polemik. Gewerkschafter und Medienschaffende kritisierten das Management, sich über gewerkschaftliche Rechte und Arbeitsschutzbestimmungen hinwegzusetzen und unbequeme Mitarbeiter unter dem Vorwand des Verstosses gegen Treu und Glauben zu eliminieren. Eine Solidaritätsaktion von Mitarbeitern und Abonnenten rief zu einem Abonnementsboykott auf
[6].
Umstritten waren auch die Polizeieinsätze an mehreren Demonstrationen in Basel und Zürich, bei denen Ordnungshüter Medienschaffende zum Teil mit Gewalt an der Ausübung ihrer Funktion hinderten
[7].
Dass Recherchierjournalismus beim Radio sehr unbequem werden kann, haben zwei DRS-Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin anlässlich ihres Beitrags zur Geschichte der Firma Villiger in der Sendung "z.B." erfahren. Das Team hatte versucht, die Geschichte der Firmen der Familie des neu gewählten Bundesrates Kaspar Villiger vor und während der Zeit des zweiten Weltkrieges nachzuzeichnen; dabei war umstritten, wie weit das Unternehmen in die Wirtschaft des Nazi-Staates integriert war. Verschiedene Klagen und Konzessionsbeschwerden, die monierten, dass es die Absicht der Sendung gewesen sei, Bundesrat Villiger mit der Darstellung der Unternehmenspolitik seines Vaters zu kompromittieren, folgten unverzüglich nach der ausgestrahlten Sendung. SRG-Generaldirektor Riva konnte den Konflikt entschärfen,, indem er vor allem die Gewichtung der Sendung und die Plazierung innerhalb des Programms kritisierte, nicht aber den Inhalt an und für sich. Dies hatte jedoch weitere Auseinandersetzungen zwischen der SRG-Leitung und der FDP-Parteispitze zur Folge. Das Beispiel zeigte, wie schwierig für die Medien die kritische Behandlung eines umstrittenen Themas in der Öffentlichkeit ist. Noch deutlicher wurde dies bei den Klagen von Mohamed Shakarchi, der in seinem Namen und in dem der Shakarchi Trading SA von allen drei Fernsehketten eine Genugtuung von insgesamt 8 Mio Fr. verlangte. Ihm seien durch eine gezielte Vorverurteilungskampagne wegen Drogengeldwäscherei im Rahmen der Kopp-Affäre massive Geschäftseinbussen zugefügt worden
[8].
[5] TA, 19.12.89. Allgemein zur Macht der Medien siehe Politik und Wirtschaft, 1989, Nr. 2, S. 22 ff. und SPJ 1988, S. 256.
[6] TA und NZZ, 14.1.89; WoZ, 28.4.89; SJU news, Februar und Mai 1989; TA-Sonderausgabe, 20.2.89. Hintergrund: NZZ, 23.2. und 14.3.89; Klartext, 1989, Nr. 2; Bresche-Magazin vom 3.3. und 6.6.89. Abo-Boykott: TA, BaZ und Vr, 7.6.89.
[7] SJU news, 1989, Juni und August/September; Klartext, 1989, Nr. 4; BaZ, 8.6.89; siehe auch Lit. Brühlmeier.
[8] Villiger: NZZ, 30.3. und 5.4.89; Bund, 1.4.89; TW, 4.4.89; Info extern SRG, 1989, März; Klartext, 1989, Nr. 3; SJU news, 1989, Mai. Shakarchi: Suisse, 21.11.89; NZZ, 22.11.89.
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