Année politique Suisse 1990 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien / Grüne und links-grüne Gruppierungen
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Grüne Partei (GPS)
An der Delegiertenversammlung in Lenzburg nahm die GPS das Grüne Bündnis Luzern definitiv auf. Ausserdem erhielten die "Grünen Solothurn" und das von der Kantonalsektion abgespaltene "Movimento dei Verdi Ticinesi (MVT)" den Beobachterstatus; diesen hatte auch die Gruppierung "Grüne Baselland", hervorgegangen aus der POCH, im April an der Delegiertenversammlung in Bern erhalten [46].
Der Tessiner Sektion "Movimento ecologista ticinese (MET)" wurde mit dem Ausschluss aus der GPS gedroht, falls sie weiterhin mit der im letzten Jahr gegründeten Bewegung "Svolta ecopolitica (SVEPO)", bei welcher der ehemalige NA-Nationalrat Oehen eine wichtige Rolle spielt, zusammenarbeite. Nach der Konstituierung der MVT ist die SVEPO die zweite Abspaltung, welche aus dem MET hervorging [47] .
In Baselstadt scheiterten Fusionsverhandlungen zwischen der GP Baselstadt — ihrerseits schon das Produkt einer Fusion mit der radikalen "Grünen Alternative Basel (GAB)" — und der grün-liberalen Gruppierung "Grüne Mitte (GM)" vorerst. Letztere bildet im Grossen Rat eine Fraktionsgemeinschaft mit dem LdU. Die GPS hatte eine Aufnahme der beiden grünen Organisationen an die Bedingung einer Fusion geknüpft...Dabei spielte für die GPS-Leitung die Uberlegung eine Rolle, den Platz für eine zweite Partei in Basel für die "Progressiven Organisationen Basel-Stadt (POB)", welche ebenfalls Gespräche mit der GPS suchten, freizuhalten [48].
Die GPS umfasste am Ende des Jahres folgende Kantonalparteien: Grüne Aargau, Freie Liste Bern, Grüne Partei Bern, Grüne Partei Baselland, Parti écologiste fribourgeois, Parti écologiste genevois, Glarner Umweltgruppen (GUG), Grünes Bündnis Luzern, Ecologie et Liberté (NE), Kritisches Forum Schwyz, Grüne Partei des Kantons Thurgau, Movimento Ecologista Ticinese, Groupement pour la protection de l'environnement GPE (VD), Grüne Partei des Kantons Zürich. Diese vierzehn Parteien zählen insgesamt über 5000 Mitglieder. Den Beobachterstatus bei der GPS hatten folgende Gruppierungen: Grüne Baselland, Grüne Partei Baselstadt (GP/GAB), Grüne Mitte (BS), Die Grünen Basel-Stadt, Grünes Bündnis des Kantons St. Gallen, Grüne Kanton Solothurn, Movimento dei Verdi Ticinesi, Parti écologiste valaisan/Walliser Grüne Partei [49] .
An der Delegiertenversammlung in Lenzburg (AG) wurde Nationalrätin Irène Gardiol (VD) als Nachfolgerin von Peter Schmid (TG) zur Parteipräsidentin gewählt. Gardiol hatte vorher die Fédération romande des consommatrices (FRC) präsidiert und war anfangs Jahr für den in die Lausanner Stadtregierung gewählten Brélaz in den Nationalrat nachgerückt. Sowohl Partei- als auch Fraktionspräsidium (Rosmarie Bär, BE) befinden sich damit in weiblichen Händen [50].
In der Sachpolitik setzte die GPS im Berichtsjahr mit ihrer Forderung nach einem staatlich garantierten Mindesteinkommen (GME) einen Akzent. Gemäss dem Thesenpapier der GPS soll dieses seit einiger Zeit von neoliberalen Ökonomen vertretene Modell die bestehenden Sozialwerke teilweise ersetzen und vor allem jenen zugute kommen, die keine Lohnarbeit verrichten oder wegen reduzierter Erwerbstätigkeit (z.B. infolge von Erziehungsaufgaben) das Existenzminimum nicht erreichen. Das Mindesteinkommen soll nicht mehr über Lohnprozente, sondern über eine Besteuerung der gesamten Wirtschaftskraft finanziert werden. Zudem sollte das Obligatorium der beruflichen Vorsorge (BVG) abgeschafft und die AHV gestärkt werden [51].
Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Stellungnahme zur Rolle der Schweiz im europäischen Integrationsprozess. An der Delegiertenversammlung in Bern wurde in der Diskussion mehrheitlich gegen die als umweltschutzfeindlich und zentralistisch kritisierte Politik der EG votiert, ohne dass dazu allerdings ein formeller Beschluss gefasst wurde. In einer Resolution sprachen sich die Delegierten für ein Europa der Regionen als implizites Gegenmodell zur EG aus. Darin müssten die kulturelle Vielfalt, die Selbstbestimmung und die demokratischen Rechte erhalten und gefördert werden. Dabei sei das Prinzip der internationalen Solidarität zwischen der weltweiten Völkergemeinschaft zu achten und ein weitsichtiges Handeln anzustreben, welches nicht auf kurzfristige wirtschaftliche Vorteile ausgerichtet ist [52].
Die GPS empfahl die Ja-Parolen zu den Strassenbauinitiativen und zu allen Energievorlagen; die Revision des Strassenverkehrsgesetzes, der Rebbaubeschluss und die Revision der Bundesrechtspflege lehnte sie hingegen ab [53].
Bei allen kantonalen und kommunalen Wahlen, zu denen sie antrat, konnte die GPS kräftig Sitze zulegen, ausser in Bern, wo sie sitzmässig stagnierte, jedoch Wähleranteile gewann [54]..
 
[46] TA, 23.4.90 (DV in Bern); Presse vom 27. und 29.10.90 (DV in Lenzburg). Baselland verfügt bereits über eine Kantonalsektion der GP. Zum GB Luzern siehe auch LNN, 18.10. und 19.10.90.
[47] CdT, 9.10 und 10.1.90; Bund, 16.1.90; TA, 5.4.90 (Abspaltung). Presse vom 29.10.90 (Ausschlussdrohung an DV in Lenzburg).
[48] LNN, 14.7. und 25.10.90.
[49] GPS, Who is who, Dezember 1990. Zu den Grünen Baselland siehe BaZ, 15.1., 19.1. und 17.3.90.
[50] Presse vom 29.10.90; L'Hebdo, 1.11.90; BZ, 5.11.90 (Interview mit Gardiol).
[51] Vgl. oben, Teil I, 7c (Grundsatzfragen) sowie Presse vom 17.1.90; TW, 18.1.90.
[52] Presse vom 23.4.90.
[53] TA, 23.4.90; SGT, 10.9.90.
[54] Vgl. oben Teil I, 1e.