Année politique Suisse 1990 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Landwirtschaft
Die
GATT-Verhandlungen über die künftige Gestaltung des Agrarhandels und dabei insbesondere die Freihandelsforderungen der aussereuropäischen Agrarexportstaaten führten zu beträchtlicher Unruhe unter den Landwirten. Der SBV organisierte mehrere Demonstrationen, darunter – in Zusammenarbeit mit den Bauernverbänden der Nachbarstaaten – eine Grosskundgebung vor dem GATT-Gebäude in Genf. Auch an der kurzfristig nach Genf verschobenen Delegiertenversammlung des SBV dominierte die Sorge über die Liberalisierung der Agrarmärkte. Von den Vertragsparteien des GATT wurde verlangt, dass gleichzeitig mit dieser Liberalisierung auch international gültige Nonnen für eine ökologischere Produktion geschaffen werden müssen. Der Direktor des SBV, Melchior Ehrler, skizzierte ein sich noch in der internen Diskussion befindendes Leitbild für die schweizerische Landwirtschaft der neunziger Jahre
[5].
Der SBV unterstützte bei den Volksabstimmungen den Rebbaubeschluss, den Energieartikel und die Revision des Strassenverkehrsgesetzes; die beiden Atominitiativen lehnte er ab. Zu den Strassenbau-Initiativen und der Reform der Bundesrechtspflege gab er keine Empfehlung ab
[6]. Der SBV reichte zu Jahresbeginn seine
Volksinitiative "für eine umweltgerechte und leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft" ein. In weniger als einem halben Jahr war es ihm gelungen, rund 260 000 Unterschriften für dieses Begehren zu sammeln
[7].
Die Mitgliederversammlung der
Vereinigung der kleinen und mittleren Bauern (VKMB) stimmte am 11. Februar in Aarau dem im Vorjahr vom Vorstand beschlossenen Austritt aus dem SBV zu. Anstelle des 1989 verstorbenen Gründers und Präsidenten Hochuli wählte die Versammlung ein dreiköpfiges Präsidium. Diesem gehören neben dem bisherigen Vizepräsidenten Alois Rölli auch die freisinnige Schwyzerin Rita Hediger und der bernische Grossrat Ruedi Baumann (gp) an. Nicht unbestritten blieb die von der Versammlung gutgeheissene Beteiligung der VKMB an der Ausarbeitung und Lancierung der von der Gruppe "Neue Agrarpolitik" (NAP) und dem LdU geplanten Volksinitiative für einen Kurswechsel in der Landwirtschaftspolitik. Mehrere Redner kritisierten, dass dieses Begehren den Konsumenteninteressen und dem Instrument der produktionsunabhängigen Direktzahlungen zuviel Gewicht einräumen würde. Seinen Gegensatz zum SBV markierte der VKMB nicht nur mit seiner Unterstützung dieses als Alternative zur Initiative des Bauernverbandes konzipierten Volksbegehrens, sondern auch mit seiner Nein-Parole zum Rebbaubeschluss
[8].
Die ebenfalls in Opposition zum Bauernverband stehende
Union des producteurs suisses (UPS) gab zum Rebbaubeschluss die Ja-Parole aus. Bei der vor allem von linken und grünen Verbänden und Parteien lancierten neuen Volksinitiative zur Landwirtschaftspolitik ist die UPS zwar nicht im Initiativkomitee vertreten, sie rief aber ihre Mitglieder zu einer aktiven Unterstützung auf
[9].
[5] Bund, 25.10.90; NZZ, 14.11.90. Vgl. auch oben, Teil I, 4c (Politique agricole).
[6] NZZ, 15.1. und 27.3.90; TA, 21.9.90.
[7] SGT, 15.1.90; Presse vom 27.2.90. Siehe auch oben, Teil I, 4c (Politique agricole) sowie SPJ 1989, S. 108 und 327.
[8] LNN, 9.2.90; BaZ und AT, 12.2.90; Gneug Heu dune!, 1990, Nr. 1, S. 3 ff. und 8 ff. sowie Nr. 2, S. 5; vgl. auch SPJ 1989, S. 327. Zu der im Sommer lancierten Initiative siehe oben, Teil I, 4c (Politique agricole). Zu Hediger siehe BZ, 13.2.90.
[9] NZZ, 10.3.90; Union, 28.3., 20.6. und 19.9.90.
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