Année politique Suisse 1990 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Andere Interessengruppen
Die der Politik der EG skeptisch bis ablehnend gegenüberstehenden schweizerischen
Umweltschutzorganisationen bemühten sich um eine bessere
Zusammenarbeit in europapolitischen Fragen sowohl untereinander als auch mit verwandten ausländischen Gruppierungen. Der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub der Schweiz (VCS) gründete gemeinsam mit den Schwesterverbänden der BRD und Osterreichs sowie mit Organisationen aus sechs weiteren Ländern einen europäischen Dachverband mit dem Namen "Europäischer Verband für Verkehr und Umwelt". Die fünf wichtigsten Organisationen des schweizerischen Umweltschutzes gründeten ein gemeinsames "Sekretariat für Europakoordination". Dieses soll einerseits die eigenen Entscheidungsprozesse zur Europapolitik vorbereiten und koordinieren, andererseits aber auch den Kontakt zu den Behörden der Schweiz und der EG pflegen
[21].
Beim
Touring-Club der Schweiz (TCS) hatten in der Vergangenheit mehrmals Mitglieder Anstoss an seinen verkehrspolitischen Stellungnahmen genommen. Nachdem 1989 rund 5000 Mitglieder schriftlich ihrem Protest gegen die Ja-Parole zur Volksinitiative "Tempo 100/130" Ausdruck gegeben hatten, führte der TCS eine repräsentative Umfrage unter seinen rund 1,2 Mio Mitgliedern durch. Knapp die Hälfte der Befragten befürworteten eine Fortsetzung des politischen Engagements des TCS, bei Verkehrsfragen waren es sogar 60%. Eine starke Minderheit von rund 40% sprach sich hingegen für eine strikte Beschränkung auf Dienstleistungen aus. Die Delegiertenversammlung beschloss, in Zukunft aus Rücksicht auf diese Minderheit mehr argumentativ denn plakativ in die Meinungsbildung einzugreifen und z.B. auf konkrete Abstimmungsparolen zu verzichten
[22].
In der
Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) brach ein alter Konflikt über die Funktion und Rolle dieses Dachverbandes von mehr als achtzig Jugendorganisationen wieder einmal aus. Anlass war der Beschluss einer Delegiertenversammlung, als Konsequenz aus der Staatsschutzaffäre den Rücktritt des Bundesrates zu verlangen sowie den Vorstand zu ermächtigen, dem Komitee "Schluss mit dem Schnüffelstaat" beizutreten und die Volksinitiative für die Abschaffung der politischen Polizei zu unterstützen. Namentlich die Jungliberale Bewegung der Schweiz (Jungfreisinnige), der Christliche Verein Junger Männer, der Schweizerische Studentenverein und die mitgliederstarke Pfadfinderbewegung kritisierten diese Entscheide. Eine Ende Juni durchgeführte ausserordentliche Delegiertenversammlung bestätigte jedoch die früheren Beschlüsse mit Zweidrittelsmehrheiten. Die erwähnten oppositionellen Vereine distanzierten sich ausdrücklich davon und kritisierten auch die Entscheidungsstrukturen des SAJV, welche nur wenig Rücksicht auf die zahlenmässige Stärke der angeschlossenen Organisationen nehmen, als undemokratisch
[23].
Die Enthüllungen der parlamentarischen Untersuchungskommissionen in den Bereichen Staatsschutz und Geheimdienste zeitigten aber auch in anderen Organisationen Auswirkungen. Der langjährige Präsident der
Schweizerischen Gesellschaft für Umweltschutz (SGU), Bernhard Wehrli, trat von diesem Amt zurück, nachdem seine Beratertätigkeit für den geheimen Ausland-Nachrichtendienst P27 des EMD bekannt geworden war. Obwohl der SGU-Vorstand ihm das volle Vertrauen aussprach, entschloss er sich zu diesem Schritt, um die SGU vor einem allfälligen Vertrauensverlust zu bewahren
[24].
[21] NZZ, 15.1.90; VCS-Zeitung, 1990, Nr. 1, S. 5 und Nr. 7, S. 13 (Sekretariat). Zur EG-Diskussion im VCS siehe auch VCS-Zeilung, 1990, Nr. 2, S. 6 f.
[22] NZZ, 23.6.90. Trotz Protestaustritten hatte 1989 der Mitgliederbestand des TCS um 38 979 auf 1205 359 zugenommen (SCT, 23.6.90).
[23] Presse vom 12.3. und 30.6.90; TA, 24.4.90; NZZ, 27.4., 5.5., 19.5., 18.6. und 2.7.90; Bund, 2.5. und 29.6.90. Zur Initiative und dem Komitee siehe oben, Teil I, 1b (Staatsschutz).
[24] TA, 14.12.90; NZZ, 19.12.90.
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