Année politique Suisse 1990 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Parlament
Wie in anderem Zusammenhang eingehend dargestellt, setzte das Parlament zur Abklärung der Tätigkeiten der Nachrichtendienste, der Abwehr und der Vorbereitung von Notstandsmassnahmen im
EMD eine zweite Parlamentarische Untersuchungskommission (Puk) ein
[37]. Das Ratsbüro hatte zuerst entsprechende Motionen der SP und der GP abgelehnt und beantragt, die mit weniger Kompetenzen ausgestattete Geschäftsprüfungskommission mit den Abklärungen zu beauftragen. Unter dem Eindruck neuer Enthüllungen namentlich über Datensammlungen im Militärdepartement änderte es jedoch seine Meinung und sprach sich ebenfalls für eine zweite Puk aus. Zu ihrem Präsidenten wurde Ständerat Carlo Schmid (cvp, Al) gewählt
[38].
Die in der Wintersession 1989 vom Parlament überwiesene Initiative der Puk I für einen Ausbau der
parlamentarischen Oberaufsicht über die Verwaltung fand im Berichtsjahr eine Konkretisierung. Die GPK des Ständerates machte in Form einer ausformulierten parlamentarischen Initiative den Vorschlag, das Geschäftsverkehrsgesetz in dem Sinn zu ändern, dass die
Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) der beiden Räte mit einer Zweidrittelsmehrheit auch gegen den Willen des Bundesrates auf der Herausgabe von Akten und auf der Einvernahme von Beamten als Zeugen bestehen können. Damit würden sie in speziellen Fällen dieselben Rechte erhalten wie eine Parlamentarische Untersuchungskommission. Die von der Puk angeregte Schaffung einer speziellen Delegation für derartige Fälle lehnte die GPK des Ständerates ab, da damit zwei Klassen von Parlamentariern geschaffen würden. Der Bundesrat hatte sich sowohl in der Puk-Debatte als auch in einer späteren Stellungnahme aus Gründen der Gewaltenteilung und der Geheimhaltungsbedürfnisse gegen diesen generellen Ausbau der parlamentarischen Kontrollbefugnisse ausgesprochen und lediglich eine Delegation für Staatsschutzfragen befürwortet
[39]
.
Die Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte unterbreiteten dem Parlament eine parlamentarische Initiative für die
Schaffung einer Fachstelle für Verwaltungskontrolle. Diese soll im Auftrag der GPK die Aufgabenerfüllung der Verwaltung sowie die Wirkungen staatlichen Handelns untersuchen. Damit sie effizient arbeiten kann, soll sie gegenüber der Verwaltung dieselben Rechte auf Auskunftserteilung und Akteneinsicht erhalten wie die GPK. Die neue Stelle soll in die Parlamentsdienste eingeordnet werden und ihr Leiter durch den Bundesrat — nach Anhörung der Geschäftsprüfungskommissionen — gewählt werden. Der ursprüngliche Plan einer gemeinsamen Stelle für Regierung und Parlament musste von den GPK nach dem im Herbst 1989 erfolgten Entscheid des Bundesrates für die Schaffung einer eigenen Fachstelle für Verwaltungskontrolle aufgegeben werden. Das Parlament verabschiedete die Vorlage oppositionslos
[40].
[37] Siehe unten, Teil 1, 3 (Défense nationale et société).
[38] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 303 ff. und 324 ff.; Amtl. Bull. StR, 1990, S. 89 ff.; BBI, 1990, 1, S. 1620 f.; NZZ, 20.2. und 24.2.90; Presse vom 13.3.90.
[39] BBI, 1991, I, S. 1034 ff. Vgl. SPJ 1989, S. 23.
[40] BBI, 1990, 1, S. 1065 ff. und 1092 ff. (Stellung des BR); Amtl. Bull. StR, 1990, S. 268 ff. und 543; Amtl. Bull. NR, 1990, S. 891 ff. und 1318; BBI, 1990, 11, S. 1259; AS, 1991, S. 482 f. Siehe auch SPJ 1989, S. 31.
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