Année politique Suisse 1990 : Grundlagen der Staatsordnung / Föderativer Aufbau
 
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession als Zweitrat mit dem zweiten Massnahmenpaket zur Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Kantonen. Nach dem früheren Beschluss, dessen wichtigsten Teil, die Revision des Hochschulförderungsgesetzes, separat zu behandeln, beschränkte sich die ursprünglich als Wiederbelebung des Föderalismus konzipierte Vorlage auf einige administrative Vereinfachungen. Die sechs Erlasse waren denn auch nur in einigen Details umstritten. Eine wesentliche Differenz zum Ständerat ergab sich einzig bei der Neufassung des Wasserbaugesetzes, wo sich die Volkskammer der bundesrätlichen Version anschloss, wonach an finanzstarke Kantone keine Bundesbeiträge mehr ausgerichtet werden sollen. Kleinere Abweichungen zu den Beschlüssen des Ständerats schuf die Volkskammer zu dem bei den Bundesgesetzen über die Invalidenversicherung und über die Fischerei [1].
Die wachsende Integration Westeuropas und die Entwicklungen in Osteuropa führten allgemein zu einem grösseren Interesse an föderalistischen Ordnungsprinzipien. Dass die Schweiz mit ihrer reichen Erfahrung an praktiziertem Föderalismus einen Beitrag zu dieser Diskussion leisten könnte, ist evident. Dieser Meinung wird auch vom Parlament geteilt: der Nationalrat überwies ein von der Mehrheit der Abgeordneten unterzeichnetes Postulat Ott (sp, BL), welches die Errichtung einer internationalen Forschungsstelle für den Föderalismus durch den Bund anregt [2].
 
[1] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1798 ff. Vgl. SPJ 1989, S. 38. Siehe auch unten, Teil I, 7c (Invalidenversicherung). Zum Hochschulförderungsgesetz siehe unten, Teil I, 8a (Hautes écoles).
[2] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1912 f. Zur internationalen Diskussion siehe auch die am Ende dieses Kapitels angegebene Literatur.