Année politique Suisse 1990 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Banken, Börsen und Versicherungen
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Finanzplatz
Die vorberatende Kommission des Nationalrats entschied, im Gegensatz zum Ständerat die Stempelsteuervorlage nicht vorzuziehen, sondern im Rahmen des Gesamtpaketes für eine neue Finanzordnung zu behandeln. Dabei schloss sich der Rat den Entscheidungen der kleinen Kammer aus dem Vorjahr weitgehend an. Um nicht das ganze Finanzpaket zu gefährden, hatten sich die vier Regierungsparteien auf einen mehrere Punkte umfassenden Kompromiss geeinigt. Im Bereich der Stempelsteuern sah er vor, die erwarteten Steuerausfälle nur zum Teil zu kompensieren. Dies sollte über die ursprünglich vom Bundesrat vorgeschlagene, aber vom Ständerat abgelehnte Besteuerung der Prämien für Lebensversicherungen geschehen. Auf die Umsatzsteuer auf Treuhandanlagen sollte jedoch verzichtet werden. Dieser Kompromiss fand im Nationalrat Zustimmung und wurde im Differenzbereinigungsverfahren auch von der kleinen Kammer akzeptiert. Definitiv über diese Revision des Stempelsteuergesetzes wird allerdings das Volk entscheiden. Zum Kompromiss der Bundesratsparteien gehörte nämlich auch die Bestimmung, dass sie nur gemeinsam mit der dem obligatorischen Referendum unterstehenden Neuen Finanzordnung in Kraft treten kann [19]..
Da der Ständerat – und nach ihm als Zweitrat auch die Volkskammer – die Forderungen der im Vorjahr überwiesenen parlamentarischen Initiative Feigenwinter (cvp, BL) im Rahmen der Revision des Stempelsteuergesetzes weitgehend verwirklicht hatte, beschloss der Nationalrat, die weitere Arbeit an dieser Initiative einzustellen [20].
Nachdem eine aus Vertretern aller vier Bundesratsparteien gebildete Arbeitsgruppe ihr Thesenpapier "Die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz" präsentiert hatte, reichten die drei bürgerlichen Bundesratsparteien im Juni je gleichlautende Postulate ein, welche der Nationalrat diskussionslos überwies. Ausgehend von diesem Papier, luden sie den Bundesrat ein, Massnahmen zur Stärkung des Finanzplatzes Schweiz zu überprüfen und gegebenenfalls zu realisieren. In seiner Antwort ging der Bundesrat sehr eingehend auf die Ubereinstimmungen und Divergenzen in bezug auf die Regeln, welche auf den Finanzplätzen der EG gelten, ein [21]. Noch nicht behandelt werden konnten drei identische Motionen der bürgerlichen Bundesratsparteien, welche sich ebenfalls auf das erwähnte Thesenpapier stützen und einige konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des schweizerischen Finanzplatzes verlangen. Gefordert wird namentlich ein Börsengesetz, eine Revision des Anlagefondsgesetzes und eine Anpassung der Eigenmittelvorschriften für die Banken an die von der EG erarbeiteten Normen [22]..
 
[19] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2045 ff. und 2053 ff. (Eintretensdebatte), 2236 ff. (Detailberatung) und 2306 ff. (Differenzbereinigung) und 2496 (Schlussabstimmung); Amtl. Bull. StR, 1990, S. 1030 ff., 1070 ff. und 1101; BBI, 1990, 1I1, S. 1668 ff. Siehe auch SPJ 1989, S. 102 f. und für das Gesamtpaket unten, Teil I, 5 (Einnahmenordnung). Zu den Details des Kompromisses der Bundesratsparteien siehe die Ausführungen des NR-Kommissionspräsidenten Nebiker, svp, BL (Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2048).
[20] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2243 f. Siehe SPJ 1989, S. 102.
[21] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 2438 ff.
[22] Verhandl. B.vers., 1990, V, S. 55 f. und 60 f.