Année politique Suisse 1990 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Raumplanung
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Vollzugsfragen
Die Richtpläne der Kantone Freiburg und Sankt Gallen wurden vom Bundesrat unter den üblichen Einschränkungen genehmigt, derjenige Graubündens in zwei Punkten angepasst. Damit stehen noch immer die Pläne der Kantone Genf, Jura und Tessin aus [1].
Die Revision des Raumplanungsgesetzes, mit welcher eine Expertenkommission unter dem Vorsitz von Ständerat Jagmetti (fdp, ZH) Ende 1988 begonnen hatte und die Ende 1989 vom EJPD in die Vernehmlassung gegeben worden war, musste endgültig aufgegeben werden. Die Vernehmlassung, welche am 30. Juni abgeschlossen worden war, hatte eine überwiegend negative Reaktion ergeben. Von den 63 eingegangenen Stellungnahmen waren lediglich 18 für eine Revision des Gesetzes, wobei auch deren Meinung zu den einzelnen Vorschlägen stark auseinanderging. Noch krasser allerdings war die Ablehnung unter den direkt Betroffenen, den Kantonen, welche ja die entsprechenden Bestimmungen zu vollziehen gehabt hätten. Nur gerade ein Kanton sagte grundsätzlich ja zu der Gesetzesrevision, zwei Kantone befürworteten diese mit Zurückhaltung, 20 dagegen lehnten sie entschieden ab. Hinzu kam, dass die einzelnen Bestimmungen des Gesetzesentwurfs von den verschiedensten Seiten mit so zahlreichen Vorbehalten und Änderungswünschen behaftet worden waren, dass eine Konsensfindung über eine auch nur wenige Punkte berührende Vorlage zu zeitraubend und ungewiss gewesen wäre. Aus diesem Grunde entschied sich der Bundesrat, welcher selber seit längerem an der Zweckmässigkeit eines neuen Gesetzes zu zweifeln begonnen hatte, am 10. Dezember dafür, das Projekt fallenzulassen und im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung durch gezielte Massnahmen den Vollzug der Raumplanung zu fördern [2].
Unterstützung in diesem Bestreben erhielt die Regierung durch die zuständige Kommission des Nationalrats, welche das Ende 1989 vorgelegte bundesrätliche Realisierungsprogramm zur Raumordnungspolitik zustimmend zur Kenntnis nahm. Im Oktober verabschiedete sie in diesem Zusammenhang zusätzlich eine Motion, wonach der Bundesrat dem Parlament einmal pro Legislaturperiode über den Stand, die Ergebnisse sowie die Wirksamkeit des raumplanerischen Realisierungsprogrammes Bericht zu erstatten hat [3] .
Die Beurteilung der Wirksamkeit der 1989 vom Parlament beschlossenen drei dringlichen Bundesbeschlüsse zur Bekämpfung der Bodenspekulation fiel uneinheitlich aus. Eine Umfrage bei Grundbuchämtern von Bund, Kantonen und Gemeinden vermochte anfangs Jahr noch eine positive Wirkung der drei Massnahmen auszumachen. Insbesondere die Einführung der Sperrfrist verhindere weitgehend die spekulativen sog. "Kaskadenverkäufe". Dagegen warfen kritische Stimmen das Argument ein, eine fünfjährige Sperre sei zu kurz, um die grossen Spekulanten wirksam abschrecken zu können; der Hypothekarzins und auch das neue Mietrecht wirkten derzeit weit dämpfender auf die Spekulation. Störend auf die Anwendung der Beschlüsse wirkte sich auch die in den einzelnen Kantonen uneinheitliche Bewilligungspraxis hinsichtlich von Ausnahmen bei der Verkaufssperre aus, welche in vielen Kantonen rege beantragt worden waren. Daher sah sich der Bund veranlasst, der Forderung der Kantone nachzukommen und Richtlinien zur Anwendung der Beschlüsse auszuarbeiten [4].
War mit den dringlichen Bundesbeschlüssen eine Handhabe gegen die Bodenspekulation geschaffen worden, so schienen sie gegenüber der sich verschärfenden Wohnungsnot zumindest keine grössere Abhilfe zu schaffen. Bereits in der Frühjahrssession hatten die Freisinnigen daher im Nationalrat eine Motion eingereicht, in welcher eine Begleituntersuchung zu den Sofortmassnahmen gegen die Bodenspekulation gefordert wurde, um Nutzen oder Nachteile dieser Beschlüsse zu klären, und welche vom Rat in der Form des Postulats überwiesen worden war. Ein entsprechendes Postulat, welches von Rhinow (fdp, BL) im Ständerat eingereicht worden war, wurde ebenfalls überwiesen [5] .
Im Sommer besann sich dann die FDP, unterstützt von der Bauwirtschaft, auf ihre ursprünglich negative Haltung insbesondere gegenüber den Anlagebeschränkungen für Gelder der beruflichen Vorsorge und für Versicherungsgesellschaften und forderte den Bundesrat in einer Motion auf, diese sowie den Beschluss über die maximale Pfandbelastung so schnell wie möglich wieder aufzuheben. Darüber hinaus hatte die Zürcher Freisinnige Spoerry ebenfalls mit einer Motion auch eine Anderung des Sperrfristbeschlusses verlangt, da durch ein Urteil des Bundesgerichts in dieser Frage der ursprüngliche Wille des Parlaments verfälscht worden sei. Das oberste schweizerische Gericht hatte nämlich anhand des Falles einer Grundstückseigentümerin in der Stadt Luzern grundsätzlich entschieden, dass die fünfjährige Sperrfrist auch bei Erbteilungen anzuwenden sei. Die Argumentation der Freisinnigen vermochte den Bundesrat jedoch nicht zu überzeugen; in seiner schriftlichen Antwort wies er beide Begehren zurück [6] .
Die Diskussion über das Vorgehen im Bodenrecht konnte er damit freilich nicht unterbinden. Im September reichten bürgerliche Vertreter in der vorberatenden Kommission des Nationalrats zwei inhaltlich mit den früheren Vorstössen der FDP identische Motionen ein, welchen die Kommission mehrheitlich zustimmte. Diese aus Vertretern der Freisinnigen, Liberalen und der SVP gebildete Mehrheit betonte die Notwendigkeit, den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, wozu die öffentlichen und privaten Anleger sowohl den Willen wie die Mittel besässen, was durch die einschränkenden Beschlüsse des Vorjahres jedoch verhindert würde. Die Sozialdemokraten, darüber hinaus aber auch der Mieterverband, konnten dagegen zum einen die Ursachen der Wohnungsnot nicht in den bodenpolitischen Massnahmen des Bundes erkennen und weigerten sich andererseits entschieden, ein offenbar effektives Instrumentarium gegen die Bodenspekulation wieder aus der Hand zu geben. Unterstützung erhielten sie durch Vertreter der CVP, welche sich generell gegen eine "Hüst-und-Hott-Politik" im Bodenrecht aussprachen. Der Nationalrat, welcher die beiden Motionen seiner Kommission im Oktober behandelte, entschloss sich letztlich, mit einer Entscheidung zu diesem Thema noch zu warten und dem Bundesrat inzwischen Zeit zu geben, zu den beiden Vorstössen Stellung zu nehmen [7].
Unterdessen erhielt das Lager der Gegner der dringlichen Bundesbeschlüsse weiteren Zulauf. Am 18. Oktober stellte die Schweizerische Bankiervereinigung beim Vorsteher des EJPD den Antrag auf eine vorzeitige Annulierung der vor gut einem Jahr getroffenen Massnahmen, nur zu froh, damit etwas von der herben Kritik an den jüngsten Hypothekarzinserhöhungen ablenken zu können [8].
Gegen den Bundesrat nahm schliesslich auch der Ständerat Stellung. Im September reichte Reymond (lp, VD) eine Motion zur Aufhebung der Bundesbeschlüsse über die Pfandbelastungsgrenze sowie die Anlagebeschränkungen ein. Die Abstimmung über diese Motion, welche der Ständerat an seiner Sitzung vom 12. Dezember vornahm und in welcher auf Antrag Monika Webers (ldu, ZH) über beide Punkte getrennt abgestimmt wurde, ergab für die Aufhebung beider Massnahmen eine Mehrheit: 21 zu 14 bei dem ersten und 26 zu 9 Stimmen bei dem zweiten der zur Debatte stehenden Bundesbeschlüsse [9].
Ungeachtet dessen, ob die dringlichen Bundesbeschlüsse vorzeitig aufgehoben werden oder nicht, sind sie ohnehin nur bis 1994 befristet. Bis dahin sollten sie nach dem Willen einer Kommission des Nationalrats durch einen neuen Bodenrechtsartikel in der Verfassung abgelöst sein. Die Kommission hatte ihre Vorstellungen in Auseinandersetzung mit einer vor über acht Jahren von Bundi (sp, GR) eingereichten parlamentarischen Initiative entwickelt. Mit den darin angestrebten Zielen konnte sie sich zwar weitgehend einverstanden erklären, doch sah eine Mehrheit durch die vorliegende Initiative die Eigentumsgarantie bedroht. Sie nahm die Forderungen Bundis in einer eigenen Motion daher nurmehr in entsprechend entschärfter Form auf. In den neu zu schaffenden Verfassungsartikel sollten gemäss der Mehrheitsmotion sechs Leitpunkte Eingang finden: Die breitere Streuung des Eigentums, die Eindämmung der Konzentration des Grundeigentums, die Schaffung von Vorkaufsrechten für selbstgenutztes Grundeigentum, Massnahmen zur Bekämpfung der Spekulation mit Grundeigentum, insbesondere durch die Abschöpfung von Grundstücksgewinnen, die Veröffentlichung von Grundstückstransaktionen sowie die Verstärkung des Schutzes des unbebauten Bodens. Im Gegensatz zur Initiative sollte der Bund dagegen jedoch nicht mehr über umfassende Gesetzgebungskompetenzen verfügen, da diese als zu zentralistisch und zu weitgehend angesehen wurden. Auch warnte der Kommissionspräsident Bühler (svp, GR) vor einem parlamentarischen Alleingang in dieser sensiblen Angelegenheit. Gegen ein solches Vorgehen wandten sich jedoch'die nichtbürgerlichen Vertreter der Kommission. In ihrer Minderheitsmotion sprachen sie dem Bundesrat die ihm in der Initiative Bundis eingeräumten Kompetenzen ausdrücklich wieder zu.
Auf der anderen Seite ging einigen Ratsmitgliedern selbst die Mehrheitsmotion zu weit. Repräsentiert wurde diese Gruppe durch Gysin (fdp, BL), welcher die Umwandlung der Motion in ein Postulat forderte. In dieser Form wünschte auch Bundespräsident Koller die Vorlage entgegenzunehmen. Zwar gestand er ein, dass auf dem Gebiet des bodenrechtlichen Verfassungsrechtes ein Handlungsbedarf bestehe, argumentierte jedoch, dem Bundesrat müsse in einer Frage von verfassungsrechtlicher Bedeutung sowohl zeitlich wie auch handlungsmässig genügend Spielraum gelassen werden, um eine Vorlage ausarbeiten zu können, welche auch Chancen habe, die vorgegebene Hürde der obligatorischen Volksabstimmung zu meistern. Diese Darlegung überzeugte schliesslich eine hauchdünne Mehrheit der Räte: Entgegen der Forderung seiner Kommission beschloss der Nationalrat mit 73 zu 72 Stimmen, dem Antrag Gysin stattzugeben und die Kommissionsmotion in ein Postulat umzuwandeln [10].
Dem Anliegen, der zunehmenden Verbauung von Kulturland Einhalt zu gebieten, suchte der Bundesrat durch die Vorlage des Sachplans der Fruchtfolgeflächen (FFF) gerecht zu werden. Ziel dieses Plans ist, eine ausreichend grosse Fläche landwirtschaftlich genutzten Bodens beizubehalten, um die Versorgung der Schweiz auch in Krisenzeiten gewährleisten zu können. Der zunehmende Kulturlandverlust lässt bereits heute den notwendigen Mindestumfang an FFF von 450 000 ha nicht mehr zu. Der auf den bereinigten Meldungen der Kantone und einer Analyse der Bauzonen beruhende Sachplan des Bundesrates verfolgt deshalb das Ziel, möglichst viele der heute noch vorhandenen FFF mit raumplanerischen Mitteln zu erhalten. Dem Bundesrat erscheint dabei ein Mindestumfang von 439 000 ha noch realistisch. Die entsprechende Vorlage ging im September in die Vernehmlassung [11].
 
[1] BBl, 1990, Ill, S. 1009 f., 1011 ff. und 1014. Vgl. SPJ 1989, S. 157.
[2] Presse vom 3.11.90; Vat., 31.7.90; NZZ, 11.12.90. Vgl. SPJ 1989, S. 161. Siehe auch die Interviews mit U. Zimmerli in BZ, 26.9.90 und R. Jagmetti, in SGT, 8.10.90.
[3] BBI, 1990, I, S. 1002 ff. und Il, S. 402 IT. Vgl. NZZ, 27.10.90.
[4] Beschlüsse: SPJ 1989, S. 158 ff. Umfrage: SGT, 9.1.90. Kantone: NZZ, 8.1.90. Eine Standesinitiative des Kantons Freiburg konnte als erfüllt abgeschrieben werden (Amtl. Bull. NR, 1990, S. 621 f.).
[5] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 637 f.; Amtl. Bull. StR, 1990, S. 253 f.
[6] Verhandl. B.vers., 1990, IV, S. 54 (FDP) und 133 (Spoerry). Bundesgericht: Presse vom 18.5.90. BR: NZZ, 25.9.90.
[7] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1791 ff. Vgl. auch TA, 26.7. (CVP) und 4.10.90 (SP und Mieter).
[8] NZZ, 19.10.90.
[9] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 1045 ff.
[10] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 339 ff. und 623 ff. Vgl. SPJ 1989, S. 161 f.
[11] BBI, III, 1990, S. 425.