Année politique Suisse 1990 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
print
Sanfte Medizin
Die parlamentarische Initiative Hafner (gp, BE), welche verlangte, der Bund solle umgehend seine Beteiligung an der Impfkampagne gegen Masern, Mumps und Röteln einstellen, hatte im Nationalrat wenig Chancen. Dennoch zeigte die ausführliche und engagiert geführte Debatte, dass Zweifel an den traditionellen Methoden der Schulmedizin nicht mehr so einfach vom Tisch zu wischen sind [10]. Dies kam auch einem Anliegen von Nationalrat Fierz (gp, BE) zugute, der in einem in der Herbstsession überwiesenen Postulat anregte, die Schirmbilduntersuchung der Rekruten sei angesichts der hohen Strahlenbelastung und des praktischen Verschwindens von Tuberkulose umgehend einzustellen. Bereits ab Anfang 1991 werden diese Untersuchungen nun nicht mehr durchgeführt [11].
Auch der Bundesrat ist offenbar der Ansicht, die alternativen Heilmethoden verdienten eine eingehendere Abklärung und Würdigung. In Beantwortung einer Einfachen Anfrage Humbel (cvp, AG) gab er bekannt, im Rahmen der 6. Serie der Nationalen Forschungsprogramme ein eigenständiges, mit 6 Mio Fr. dotiertes Forschungsprogramm in Auftrag gegeben zu haben, welches die Wirkung von alternativen Behandlungsmethoden und deren Beziehungen zur Schulmedizin abklären soll. Gleichzeitig wies er aber darauf hin, dass er aufgrund der kantonalen Vorrechte im Hochschulwesen keine Möglichkeit habe, auf.die Schaffung eines Lehrstuhls für Naturheilverfahren hinzuwirken. Diesen Schritt könnte der Kanton Zürich als erster tun, beschloss doch die Zürcher Regierung im Herbst, an ihrer Universität einen Lehrstuhl für Naturheilkunde einzurichten. Da sich der Zentralvorstand der FMH bereits für einen Einbezug alternativ-medizinischer Ansätze ins Medizinstudium ausgesprochen hat, sollte von dieser Seite kein allzu heftiger Widerstand entstehen [12]. Mit einer von links-grünen Abgeordneten unterstützten Motion möchte Nationalrat Hafner (gp, BE) erreichen, dass die vom Bund für Komplementärmedizin eingesetzten Mittel innerhalb von zehn Jahren denjenigen für die Schulmedizin anzugleichen sind [13] .
 
[10] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 16551T.; SoZ, 23.9.90; BZ, 26.9.90; SGT, 27.9.90; LNN, 28.9.90. Siehe dazu auch SPJ 1989, S, 193. Das Anliegen einer zurückhaltenden MMR-Impfung wurde in einem Postulat Früh (fdp, AR) wieder aufgenommen (Verhandl. B.vers., 1990, S. 90).
[11] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1918; siehe auch Amtl. Bull. NR., 1990, S. 1999; BZ, 8.2.91.
[12] Amtl Bull. NR, 1990, S. 1998 f. Zürich: SoZ, 28.10.90; Ww, 8.11.90. Der FMH-Zentralvorstand wies darauf hin, dass heute bereits rund ein Drittel aller Allgemeinpraktiker eine oder mehrere alternativmedizinische Methoden anwende; die wissenschaftlich anerkannten unter ihnen sollten seiner Ansicht nach durch die Kranken- und Unfallversicherung gedeckt werden: TW, 22.6.90.
[13] Verhandl. B.vers., 1990, V, S. 95.