Année politique Suisse 1990 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Jenische
Weit mehr als die bisher genannte Zahl von 600 jenischen Kindern — nämlich an die 2500 — sollen gemäss dem "Schweizerischen Beobachter" zwischen 1926 und 1973 von ihren Eltern getrennt worden sein, da neben dem Pro-Juventute-Hilfswerk "Kinder der Landstrasse", das für das Schicksal von 619 Betroffenen verantwortlich zeichnete, noch weitere Institutionen an der Kampagne beteiligt gewesen seien, in deren Rahmen vielen Zigeunern ihre minderjährigen Kinder entrissen wurden.
In einem Gespräch mit dem " Beobachter" stellte Bundesrat Cotti umfassende
Abklärungen der historischen, rechtlichen und soziologischen Aspekte der Geschehnisse rund um die Aktion "Kinder der Landstrasse" in Aussicht. Diese sollen auf der Grundlage unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen und unter Einbezug der Betroffenen erfölgen. Der Vorsteher des EDI führte weiter aus, die bereits vom Bund bewilligten 3,5 Mio Fr.
'Wiedergutmachungsgelder' reichten allem Anschein nach nicht aus, und er rechne damit, dass weitere Summen zur Verfügung gestellt werden müssten. Gleichzeitig bekräftigte er aber nochmals, dass er kaum die Möglichkeit sehe, den Jenischen eine in der Verfassung festgeschriebene Anerkennung als Minderheit zuzugestehen, wie diese es aus Anlass der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft angeregt hatten. Die Schweiz, legte Cotti dar, kenne
kein Sonderstatut für Bevölkerungsminderheiten; ein solches sei auch für die Rätoromanen nicht vorgesehen
[36].
Bei der Revision des Bundesgesetzes über die Unterstützung Bedürftiger überwies der Nationalrat ein Postulat seiner Kommission für soziale Sicherheit, mit dem der Bundesrat gebeten wird, Möglichkeiten zu prüfen, wie den fahrenden Schweizer Bürgerinnen und Bürgern im Bedarfsfall unbürokratisch und ohne Diskriminierung
Unterstützung gewährt werden kann, wo immer sie sich in der Schweiz aufhalten
[37].
[36] SPJ 1989, S. 219; Presse vom 16.3.90. In der für die Verteilung der 'Wiedergutmachungsgelder' eingesetzten Kommission brachen schon bald heftige Divergenzen zwischen der Fondskommission und der Stiftung "Naschet Jenische" aus, welche die Arbeit der Kommission lahmzulegen drohten (SZ, 9.11.90).
[37] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1828.
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