Année politique Suisse 1990 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
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SRG
Die hauptsächlichen Problemkreise bei den Beratungen des Radio- und Fernsehgesetzes – Werbung, Programmaufsicht und Einbezug privater Fernsehanbieter – standen in direktem Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen rund um die SRG: Einerseits hat der Finanzengpass bei der SRG mit der damit verbundenen Forderung nach einer Gebührenerhöhung auch die Frage einer Lockerung der Werbevorschriften aufs Tapet gebracht, gleichzeitig aber auch rechtsbürgerliche Nationalräte mobilisiert, um in einer Interpellation die Forderung nach einer verstärkten Aufsichtskontrolle über das "linke" Fernsehen im Gegenzug zu einer Gebührenerhöhung aufzustellen. Andererseits hat die Betriebseinstellung des ersten privaten Satellitenfernsehens in der Schweiz, European Business Channel, die Medienwelt in bezug auf ein zukünftiges Zweites Schweizer Fernsehen in Form eines privaten Kanals stark ernüchtert. Unter anderem aus diesem Grunde wurde die Diskussion um mögliche Modelle der Zusammenarbeit zwischen SRG und Privaten stark vorangetrieben [14] .
Das Budget der SRG geriet vor allem durch die wachsende allgemeine Teuerung sowie durch massive Kostensteigerungen von Übertragungsrechten in den Bereichen Sport und Spielfilm aus dem Gleichgewicht. Wie weit auch Führungsschwäche in der langfristigen Planung für die finanzielle Situation verantwortlich ist, blieb umstritten. Auch für die Jahre nach 1990 musste die SRG den Rotstift ansetzen, sowohl im Investitions- wie auch im Personalbereich. Der Forderung der SRG für eine Gebührenerhöhung von rund 30% wurde vom Bundesrat nicht vollständig entsprochen. Auf Antrag des Preisüberwachers bewilligte er nur 25%; da die PTT von ihrem Gebührenanteil jedoch 25 Mio Fr. an die SRG abtritt, wird diese zusätzliche Mittel von insgesamt 171 Mio Fr. erhalten. Trotz dieser Mehreinnahmen wird die SRG während den nächsten Jahren die Sparmassnahmen weiterführen müssen. Gleichzeitig sollen die Programmdirektoren aber das Nötige unternehmen, um an ausländische Sender verlorengegangene Prozentpunkte bei den Einschaltquoten zurückzugewinnen. Dabei machten die SRG-Verantwortlichen geltend, dass sie bereits heute europaweit am billigsten produzieren: insgesamt ist die SRG dreimal billiger als das österreichische oder dänische Fernsehen und gleich zehnmal günstiger als das ZDF oder ARD [15]..
Eine Gruppe von 61 bürgerlichen Nationalräten unter Führung des Aargauers Reimann (svp) verlangte in einer Interpellation, der Bundesrat solle seine Zustimmung zur angekündigten Gebührenerhöhung von der Zusicherung der SRG abhängig machen, die Konzession und andere Vorschriften konsequent einzuhalten. Linke Propaganda und Geldverschleuderung für Sendungen, die weit mehr den Bedürfnissen der Medienschaffenden selber als denjenigen der SRG-Konsumenten entsprächen, seien untragbar für eine nationale Medienanstalt. Schützenhilfe bekam die Interpellation Reimann auch von der Schweizerischen Fernseh- und Radiovereinigung (SFRV), welche für einen Konzessionsentzug der SRG und eine private Neuorganisation des Fernsehens eintrat. Das "Forum Medien kritisch", Nachfolgeorganisation des Patronatskomitees "Medienanalysen", gründete ein Beratungsbüro für Beschwerden gegen SRG-Sendungen. Der Bundesrat strich in seiner Antwort auf die Interpellation Reimann heraus, dass die Verknüpfung der Bewilligung einer Gebührenerhöhung mit einer sachfremden Vorlage wie der Programmaufsicht verfassungswidrig sei, da Art. 55bis BV die Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter garantiere [16] .
Um die finanzielle Situation der SRG für eine weitere Zukunft zu entschärfen, stellte die SRG-Direktion auch Überlegungen hinsichtlich einer Lockerung der Werbebestimmungen an: Dem Bundesrat sollten Gesuche für die Aufhebung des Werbeverbots am Sonntag und für mehr als fünf, jedoch im Vergleich zu heute kleineren Werbeblöcken (insgesamt 25 Min.) während der Prime Time unterbreitet werden. Ausserdem sollte es das neue Radio- und Fernsehgesetz in Zukunft erlauben, über Sponsoring einen Teil des Fernsehbudgets einzubringen. Umstritten bei diesen Massnahmen ist vor allem die Erhöhung der Anzahl der Werbeblöcke. Falls die Unterbrechung von laufenden Sendungen weiterhin verboten bleibt, wird dies die Programmierung von kürzeren Sendungen zur Folge haben. Die SRG und die AG für das Werbefernsehen (AGW) möchten zudem eine Flexibilisierung der Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Werbezeit erreichen: Falls aus konjunkturellen Gründen einmal während einiger Monate die Werbezeit nicht voll ausgeschöpft würde, sollte dies, sobald wieder ein Nachfrageüberhang besteht, kompensiert werden können. Im Juni hatte der Bundesrat eine vor zwei Jahren eingereichte Motion Früh (fdp, AR) bezüglich einer Verlängerung der Fernsehwerbezeit zurückhaltend beantwortet. Das Parlament verschob die Diskussion über die Motion und schrieb sie kurz darauf wegen Ablaufens der Behandlungsfrist ab [17] .
Trotz der Redimensionierungsmassnahmen konnte das Fernsehen wie geplant am 20. August das Programm 90 starten. Veränderungen struktureller Natur im Bereich Information und Sport sowie die eher kosmetischen Änderungen in der Präsentation wurden im allgemeinen von den Zuschauern gut aufgenommen. Bei Radio DRS hingegen mussten die meisten Pläne für das Radio 2000 nach der Bekanntgabe der nötigen Einsparungen aufgegeben werden. So haben Radio DRS 1 und 2 je 10% weniger Mittel' als budgetiert zur Verfügung; beim ersten Sender soll im Programm 91 vor allem das Musikangebot mehr auf jüngere Hörerinnen und Hörer ausgerichtet werden, und bei DRS 2 soll eine Straffung auf ein "Schienenprogramm", d.h. täglich wiederkehrende Sendungen zur selben Zeit, mehr Hörerfreundlichkeit erbringen. Ab 1992 muss gemäss Radiodirektor Blum noch mehr eingespart werden, was einen zusätzlichen Personalabbau (insgesamt 30 Stellen bis Ende 92) zur Folge haben wird. In der Westschweiz scheint vor allem das Kulturradio Espace 2 Opfer von zukünftigen Restrukturierungs- und Sparmassnahmen zu werden [18] .
Auch beim Schweizer Radio International (SRI) machten sich die Sparbemühungen der SRG bemerkbar: Die redaktionelle und personelle Aufstockung konnte nicht wie geplant durchgeführt werden. Neu findet eine verstärkte Zusammenarbeit mit China und osteuropäischen Ländern statt.
Ebenso wurden die wichtigsten Regionaljournale von DRS ins Programm übernommen. Der Ständerat hat die Verlängerung des Bundesbeschlusses über das Kurzwellenradio bis Ende 1995 einstimmig gutgeheissen. Der ab Oktober neu amtierende Direktor von SRI, Roy Oppenheim, übernahm die Aufgabe, die "Stimme der Schweiz" zu restrukturieren; vorgesehen sind eine Bündelung verschiedener Sendungen mit Auslandbezug innerhalb des gesamten SRG-Betriebs, verstärkte Zusammenarbeit mit dem Telefonrundspruch und die Einrichtung einer Art von internationalem Teletextdienst [19].
 
[14] Klartext, 1990, Nr. 1 (Interview mit A. Ogi). Vgl. auch Politik und Wirtschaft, 1990, Nr. 7.
[15] TA, 9.2.90; Presse vom 23.2.90; Blick, 27.4.90; Ww, 31.5.90; SVP ja, 1990, Nr. 5 (Sparmassnahmen 1. Runde); Presse vom 26.7.90; Presse vom 13.9.90 (Bewilligung Gebührenerhöhung). Presse vom 31.8.90 (Stellenabbau); Ww, 31.5.90 (Ländervergleich Produktionskosten). Zu den Sparmassnahmen vgl. auch Klartext, 1990, Nr. 5; Babylon, 1990, Dezember.
[16] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 1314 f.; BaZ, 27.4.90; L'Hebdo, 6.9. und 20.9.90; SVP ja, 1990, Nr. 6. Klartext, 1990, Nr. 6 (SFRV, FMK).
[17] Amtl. Bull. NR, 1990, S. 696 (Motion Früh); TA, 27.4.90; Klartext, 1990, Nr. 3 (AGW); Suisse, 5.9.90 (Sonntagswerbung). Vgl. auch SHZ, 6.9.90; L'Hebdo, 27.9.90; Ww, 4.10.90.
[18] Presse vom 21.8. und 22.8.90; L'Hebdo, 1.11.90 (Fernsehen); BaZ, 25.8.90; LNN und NZZ, 29.11.90 (DRS); 24 Heures und JdG, 31.10.90 (Espace 2).
[19] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 412 f.; BBI, III, S. 6I6; TA, 28.9. und 2.11.90; NZZ, 8.9.90. Siehe auch SPJ 1989, S. 256. Zu den Problemen bei der Suche nach einem neuen Standort für die Sendeantennen siehe oben, Teil I, 6 d (Protection des sites et de la nature).