Année politique Suisse 1990 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Offizielle Informationstätigkeit und Medienfreiheit
Innerhalb der medienrelevanten Diskussionen um die Revision des Datenschutzgesetzes, dessen Entwurf der Bundesrat 1988 vorgelegt hatte und der im Berichtsjahr vom Ständerat als Erstrat behandelt wurde, bildete die Frage des Geltungsbereichs einen Hauptstreitpunkt. Medienschaffende und Verleger verlangten, dass der Medienbereich, wie dies in Deutschland der Fall ist, aus dem Gesetz auszuklammern sei, was der Ständerat nicht zugestand. Er befürwortete nur einen zeitlichen Aufschub bei der Gewährung von Einsichts- bzw. Berichtigungsrechten, um zu verhindern, dass journalistische Recherchen durch das neue Gesetz verunmöglicht werden [35].
Im Rahmen der Enttarnung der Chefs sowie prominenter Mitglieder der durch die Parlamentarische Untersuchungskommission II aufgedeckten militärischen Widerstandsorganisationen P 26 und P 27 durch verschiedene "Weltwoche"-Redaktoren entbrannte erneut die Streitfrage, wie weit die Presse- und Medienfreiheit im Falle von militärischen Geheimnissen zum Zuge kommen kann. Bei der Bundesanwaltschaft wurde anonym eine Strafklage wegen "diplomatischen Landesverrats" gegen drei Redaktoren eingereicht [36] .
Ein Redaktor des Fernsehens DRS, welcher versuchte, die Manipulierbarkeit der sogenannten Teledialog-Umfragetechnik (TED) am Beispiel einer Blick-Umfrage zu beweisen, hat dabei gemäss Fernsehdirektor Schellenberg eine gravierende Fehlbeurteilung des journalistischen Spielraums begangen. Ohne seine Vorgesetzten zu informieren, manipulierte er durch den Einsatz von sieben Computern und eines Modems, das permanent die vom Blick publizierte Nummer anwählte, die Umfragen zu einer Fernsehsendung bzw. zur Akzeptanz der beantragten Gebührenerhöhung. Er wollte mit diesem Experiment dem Publikum demonstrieren, wie massiv beeinflussbar solche Umfragen sind und welche suggestive Wirkung ihre Ergebnisse auf die Meinungsbildung ausüben können. Die Konsequenz war nicht nur die fristlose Entlassung des Journalisten, sondern auch die vorläufige Einstellung dieser Blick-Umfragen [37] .
Das neu revidierte Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) zeitigte unerwartete Auswirkungen auf die Medienfreiheit. Das Thurgauer Obergericht verurteilte einen Wirtschaftsjournalisten zu einer Busse, weil sich ein Interviewpartner negativ über eine bestimmte Nähmaschinenmarke geäussert hatte, ohne dass sich das kritisierte Unternehmen dazu äussern konnte. Kritiker dieses Urteils befürchten, dass Journalisten umstrittene Themen aus Angst vor kostspieligen Prozessen in Zukunft gar nicht mehr aufgreifen werden [38] .
 
[35] Amtl. Bull. StR, 1990, S. 125 ff. und 149 ff.; Presse vom 14. 3.90; siehe auch oben Teil I, 1b (Datenschutz).
[36] TW, 21.12.90.
[37] NZZ, 2.5.90; Blick, 3.5.90.
[38] TA, 28.9.90; Plädoyer, 1990, Nr. 6. Zum UWG vgl. SPJ 1986, S. 71.